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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.07.2004
Aktenzeichen: 1 StR 129/04
Rechtsgebiete: AWG, AWV, StGB


Vorschriften:

AWG § 34 Abs. 4
AWG § 34 Abs. 4 Satz 1
AWV § 69e Abs. 2 Buchst. c
StGB § 25 Abs. 2
StGB § 52 Abs. 1 2. Alt.
StGB § 73 Abs. 1 Satz 1
StGB § 73c Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 StR 129/04

vom 6. Juli 2004

in der Strafsache

wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (Irak-Embargo)

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Dr. Kolz, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Graf,

Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27. Oktober 2003 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Verfallsanordnung abgesehen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Irak-Embargo gemäß § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69e Abs. 2 Buchst. c AWV in 67 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Nichtanordnung des Verfalls beschränkt. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet; das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

Das Landgericht hat im wesentlichen folgendes festgestellt: Der Angeklagte stammt aus dem Südirak und ist anerkannter Flüchtling. In dem Zeitraum von Dezember 2000 bis Januar 2003 verhalf er gegen Entgelt in Deutschland ansässigen Landsleuten dazu, Geldbeträge an Privatleute im Zentral- und Südirak zu übermitteln. Zu welchen Zwecken das Geld im Irak verwendet werden sollte, wurde dem Angeklagten von den Auftraggebern nicht gesagt und von ihm auch nicht hinterfragt. Er ging in der Weise vor, daß er die von den einzelnen Auftraggebern gegen Quittung entgegengenommenen Geldbeträge, die sich überwiegend im vierstelligen Bereich bewegten, zunächst auf eigenen Bankkonten ansammelte und sodann in regelmäßigen Abständen gebündelt auf ein Konto irakischer Landsleute in Jordanien, die ein Netzwerk zur Geldverteilung im Irak aufgebaut hatten, überwies. Von dort wurde das Geld von Boten in den Irak verbracht und von weiteren Boten an die einzelnen Empfänger verteilt. Die Gelder waren auf diese Weise meist innerhalb einer Woche ab Eingang beim Angeklagten an ihrem jeweiligen Bestimmungsort im Irak angekommen. Über die Genehmigungspflicht für Zahlungen an im Irak ansässige Personen (§ 69e Abs. 2 Buchst. c AWV) setzte sich der Angeklagte hinweg. Er erhielt von den Auftraggebern jeweils eine Provision in Höhe von 3 % des Transferbetrages. Insgesamt veranlaßte der Angeklagte mindestens 68 Geldüberweisungen mit einer Gesamtsumme von 2.255.031 €.

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte - als Mittäter in das Netzwerk zur Geldverteilung im Irak eingebunden - durch jede der jeweils aus mehreren Einzahlungen gespeisten Überweisung nach Jordanien einen Embargoverstoß beging.

I. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Angeklagte die Strafbestimmungen zum Schutze des Irak-Embargos verletzt hat.

a) Der Straftatbestand des § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69e Abs. 2 Buchst. c AWV wurde zwar erst durch das Verbringen der einzelnen Geldbeträge von Jordanien in den Irak und deren Verteilung an die einzelnen Empfänger erfüllt; diese Ausführungshandlungen hat der Angeklagte, dessen Tatbeiträge sich auf die Entgegennahme der einzelnen Beträge in Deutschland, die Sammelüberweisungen nach Jordanien und die Benennung der Empfänger beschränkte, nicht selbst durchgeführt. Er handelte jedoch nach den Feststellungen in einem von ihm selbst wesentlich mitgestalteten "ausgeklügelten System von Banken, Konten und Boten zur Durchführung der Taten im Rahmen einer Organisation". Er muß sich deshalb die dem Gesamtplan entsprechenden Tatbeiträge seiner Mittäter, die die Gelder in den Irak brachten und an die Empfänger verteilten, gemäß § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen.

b) Allerdings hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der dem Angeklagten zuzurechnenden Einzelakte unzutreffend bewertet. Richtig ist zwar im Ausgangspunkt, daß die Frage der Handlungseinheit oder -mehrheit bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden ist, wobei maßgeblich der Umfang des Tatbeitrages jedes Tatbeteiligten ist (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 16 m. zahlr. Nachw.). Hat jedoch ein Mittäter einen mehrere Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht - hier die jeweilige Sammelüberweisung nach Jordanien - und sich an der weiteren Ausführung der Taten nicht mehr beteiligt, so hat er den Straftatbestand nicht nur einmal verletzt. Es werden ihm vielmehr die einzelnen Taten der anderen Mittäter als gemäß § 52 Abs. 1 2. Alt. StGB (gleichartige Tateinheit) tateinheitlich begangen zugerechnet (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 26; BGH StV 2002, 73).

Auch wenn die Zahl der Einzelaufträge nicht festgestellt ist, sieht der Senat von einer Änderung des Schuldspruchs ab, da der Angeklagte durch diesen Rechtsfehler nicht beschwert ist (vgl. BGHSt 8, 34, 37; Senatsbeschluß vom 22. August 2001 - 1 StR 339/01). Der Schuldgehalt der Tat wird von der anderen rechtlichen Bewertung des Konkurrenzverhältnisses nicht berührt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 1. März 2004 - 2 BvR 2251/03). Es kann ausgeschlossen werden, daß der Strafausspruch des Landgerichts von der unzutreffenden Bewertung der Einzelfälle beeinflußt ist. Insbesondere hätte für den Angeklagten auch nicht der Strafrahmen des minder schweren Falles (§ 34 Abs. 4 Satz 2 AWG) zur Anwendung kommen können, und zwar auch dann nicht, wenn - was wegen der Vielzahl der Fälle und des gewerblichen Vorgehens des Angeklagten eher fern liegt - einige der Einzelfälle wegen ihres geringen Transferbetrages als minder schwere Fälle hätten eingestuft werden können. Bei mehrfacher Verwirklichung desselben Gesetzes durch dieselbe Handlung - die jeweilige Sammelüberweisung - ist der Strafrahmen unmittelbar dem mehrfach tateinheitlich verletzten Strafgesetz zu entnehmen (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 33). Da jede Sammelüberweisung auch höhere - überwiegend vierstellige - Einzelbeträge enthielt, für die die Annahme eines minder schweren Falles offensichtlich ausscheidet, kam für die mit der jeweiligen Sammelüberweisung begangenen Einzeltaten insgesamt nur der Normalstrafrahmen des § 34 Abs. 4 Satz 1 AWG in Betracht.

2. Das Landgericht brauchte im Rahmen der Strafzumessung nicht der Frage nachzugehen, ob Zahlungen der einzelnen Auftraggeber des Angeklagten ausschließlich humanitären Zwecken dienten und deshalb genehmigungsfähig gewesen wären.

In einem solchen Fall würde sich zwar der Unrechtsgehalt des Tuns im Handeln ohne die erforderliche Genehmigung erschöpfen, so daß die Annahme minder schwerer Fälle in Betracht zu ziehen wäre (Senat NStZ-RR 2003, 55). Hier liegt der Fall jedoch anders. Das Landgericht hat tragfähig begründet, daß der Angeklagte selbst, dessen Schuld unabhängig von dem Maß der Strafbarkeit anderer Beteiligter zu beurteilen ist (§ 29 StGB), für die von ihm vorgenommenen Handlungen in keinem Falle eine - von ihm im übrigen auch überhaupt nicht angestrebte - Genehmigung erhalten hätte und deshalb nicht nur einen Formalverstoß begangen hat.

Der Angeklagte ging konspirative Wege, die jeglicher Überprüfung durch die Genehmigungsbehörde entzogen waren. Der Zweck der Zahlungen der einzelnen Auftraggeber war ihm gleichgültig. Auch wegen Art und Höhe der von ihm praktizierten Sammelüberweisungen aus einer Vielzahl von Einzelzahlungen schied eine Genehmigung aus, weil sie eine Überwachung der Einhaltung der Embargovorschriften unmöglich machten.

Der Verstoß des Angeklagten erschöpft sich damit nicht in einem bloßen Handeln ohne Genehmigung. Der Genehmigungsvorbehalt des § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69e Abs. 2 Buchst. c AWV dient dem Schutz der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland. Die UN-Resolution verlangt von den Mitgliedstaaten eine effektive Durchsetzung des Embargos, die eine umfassende verwaltungsrechtliche Überwachung von dessen Einhaltung bedingt. Schon eine unzureichende Effizienz dieser Überwachung ist geeignet, die Beziehungen Deutschlands zur Staatengemeinschaft erheblich zu belasten und seinem Ansehen zu schaden (Senat aaO). Das im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut pflichtwidrige Handeln des Angeklagten stellt daher auch einen materiellen Verstoß gegen die Strafbestimmung dar.

Angesichts dessen, daß das Landgericht Einzelstrafen am unteren Rand des eröffneten Strafrahmens verhängt und sie - bei 67 Einzeltaten - straff zusammengezogen hat, bestehen auch im übrigen gegen den Strafausspruch keine Bedenken.

3. Da es - wie dargelegt - für die Strafbarkeit des Angeklagten nicht darauf ankam, ob die Zahlungen einzelner Auftraggeber des Angeklagten humanitären Zwecken gedient hatten, bleibt auch der dahingehenden Aufklärungsrüge der Erfolg versagt.

II. Die Revision der Staatsanwaltschaft greift durch.

Aus den Feststellungen ergibt sich, daß der Angeklagte für die von ihm begangenen 67 Straftaten 67.650.91 € Provision im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Vielmehr war es zwingend geboten, in Höhe des sich nach dem Bruttoprinzip ergebenden Geldbetrages den Verfall (des Wertersatzes) anzuordnen, soweit nicht die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB entgegensteht.

Ende der Entscheidung

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