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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.02.2004
Aktenzeichen: 1 StR 296/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB §§ 73 ff.
StGB § 73c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 296/03

vom

18. Februar 2004

in der Strafsache

gegen

wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision der Verfallsbeteiligten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 31. Januar 2003 - ohne Feststellungen - aufgehoben, soweit gegen die Nebenbeteiligte der Verfall in Höhe von 193.312,77 € angeordnet wurde.

Die weitergehende Revision der Nebenbeteiligten wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Am 31. Januar 2003 verurteilte das Landgericht Mannheim R. wegen eines und S. wegen mehrerer Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 34 Abs. 4). Zudem hat die Strafkammer gegen S. und gegen die Verfallsbeteiligte, die Bu. GmbH, gemäß §§ 73 ff. StGB den Verfall angeordnet, hinsichtlich der Bu. GmbH in Höhe von 193.312,77 €. Das Urteil ist rechtskräftig, soweit es S. und R. betrifft. Die Revision der Verfallsbeteiligten führt zur Aufhebung der Verfallsanordnung gegen sie, da die Strafkammer zur steuerlichen Behandlung des von der Bu. GmbH "Erlangten" keine Feststellungen getroffen und diesen Aspekt dementsprechend in die Prüfung der Härteregelung des § 73c StGB nicht einbezogen hat (vgl. BGHSt 47, 260 [264]).

II.

In diesem Zusammenhang geht es nur noch um folgenden Sachverhalt:

S. vermittelte zusammen mit A. , einem gebürtigen Iraner mit amerikanischem Paß und Geschäftssitz in Amman, entgegen einem vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen und auch in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzten Totalembargo, den Export von zur Waffenherstellung geeigneten Bohrwerkzeugen - mit Zubehörteilen -, die von der Verfallsbeteiligten, der Bu. GmbH, mit Sitz in K. , produziert bzw. zugekauft worden waren. Die Geräte wurden im wesentlichen im Juli und September 1999 nach Amman in die "Zerka Freezone" geliefert und von dort aus in den Irak verbracht. Einen kleinen Teil der für den Irak bestimmten Gesamtlieferung hatte A. nach Gesprächen bei der Bu. GmbH am 27. April 1999 gleich selbst mitgenommen und als Handgepäck via Flughafen Frankfurt ausgeführt. (Rechnungsbetrag: 6.768,60 DM brutto, die A. sofort bezahlte).

Das tatsächliche Ziel der Werkzeuge, den Irak, nannten S. und A. ihren Gesprächspartnern von der Bu. GmbH nicht ausdrücklich. Als Käufer trat allein A. in Erscheinung. Geliefert werden sollte nach Jordanien. Der Vertriebsleiter der Bu. GmbH, R., sowie deren kaufmännischer Leiter und Vertreter des Geschäftsführers, D. , rechneten jedoch damit, daß die Geräte in den Irak verbracht werden. Kontrollmechanismen, um unerlaubte Exportgeschäfte tunlichst zu unterbinden, hatte der Geschäftsführer der Bu. GmbH, Dr. W. , nicht veranlaßt. Er hielt sich zudem wenig in K. auf, da er zugleich Prokurist und Produktionsleiter der B. GmbH (ihr gehörte die Bu. GmbH zu 100 %) war und deshalb 95 % seiner Arbeitszeit in H. , dem Unternehmenssitz der B. GmbH, verbrachte. D. leitete die Geschäfte der Bu. GmbH deshalb weitgehend selbständig.

Aber selbst der Transport nach Jordanien wurde verschleiert. Als Empfänger der ersten Teillieferung vom 27. April 1999, die A. mitnahm, wurde in der Rechnung und der Ausfuhranmeldung die "Bi. ", Ki. , - ein von S. gegründetes Unternehmen - ausgewiesen. Für die weiteren Lieferungen gab D. seinem Vertriebsleiter R. wegen der Nähe Jordaniens zum Irak die Anweisung, "daß das Geschäft als Inlandsgeschäft zu behandeln sei". Dazwischengeschaltet wurde deshalb die Al. -GmbH in M. , ein im Irakgeschäft erfahrenes Unternehmen eines Ri. , bei dem früher auch S. beschäftigt war. Die Bu. GmbH richtete ihre Rechnungen vom 11. Juli, 30. Juli und 27. September 1999, in der Gesamthöhe von 371.318,32 DM - einschließlich Mehrwertsteuer -, deshalb an die Al. -GmbH, die ihrerseits A. (Re. Cooperation, Amman, Jordanien) 401.000,-- DM jedenfalls in Rechnung stellte. (In den von der Al. -GmbH abgegebenen Ausfuhranmeldungen wurde der Transport in die Freihandelszone verschwiegen.) Die Al. -GmbH bezahlte diese Rechnungen. Der Bu. GmbH flossen somit insgesamt 378.086,92 DM zu. Dementsprechend ordnete die Strafkammer den Verfall von 192.312,77 € an.

III.

Die revisionsrechtliche Überprüfung der Verfallsanordnung erstreckt sich nicht auf die rechtskräftigen Schuldsprüche gegen S. und R. und die Feststellungen hierzu; die Bu. GmbH war am Verfahren gegen beide beteiligt (§ 437 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die gleichwohl vom Senat vorgenommene materiellrechtliche Durchsicht ergab allerdings insoweit auch keine Rechtsfehler.

Zu Recht ging das Landgericht bei der Festsetzung des Verfallsbetrags vom "Bruttoprinzip" (vgl. BGH NStZ 1994, 123; BGHSt 47, 369 ff. m.w.N.) aus. Der Senat hält daran fest, daß dies auch bei der Anordnung des Verfalls gegen einen Drittbegünstigten verfassungskonform ist (vgl. BGHSt 47, 369 [372]). Die Bundesrepublik Deutschland war und ist gehalten, mit effektiven Maßnahmen Embargoverstößen entgegenzuwirken, zumal bei Kriegswaffen bzw. Geräten, die zu deren Herstellung geeignet sind (vgl. zum Irakembargo: Nr. 5 in der UN-Resolution Nr. 661 vom 6. August 1990: "Der Sicherheitsrat fordert alle Staaten .... auf, streng in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieser Resolution zu handeln."). Der Androhung und dann auch konsequenten Anordnung des Verfalls des aus solchen verbotenen Geschäften "Erlangten" nach dem Bruttoprinzip auch beim Drittbegünstigten kommt dabei große Bedeutung zu. Nur so kann das Bewußtsein dafür geschärft werden, daß sich derartige Geschäfte nicht lohnen, Aufwendungen hierfür nutzlos sind und es deshalb auch wirtschaftlicher ist, wirksame Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten einzurichten (vgl. BGHSt 47, 369 [372]).

Die Strafkammer hat eine unbillige Härte wegen "Gutgläubigkeit" (vgl. BGHSt 47, 369 [376]) der Entscheidungsträger der Bu. GmbH rechtsfehlerfrei verneint. Frei von Rechtsfehlern ist auch, daß die Strafkammer vor dem Hintergrund der festgestellten Gewinnsituation und der Konzerngebundenheit der Bu. GmbH, deren Bestand durch die Belastungen aus der Verfallsanordnung nicht gefährdet ist, eine unbillige Härte im Sinne von § 73c StGB verneinte, soweit es um die Leistungsfähigkeit des Unternehmens geht. Die Revision beanstandet allerdings zu Recht, daß die Strafkammer keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob hinsichtlich des vereinnahmten Bruttoverkaufspreises bereits Steuern - Veranlagungs- und Fälligkeitssteuern - bestandskräftig festgesetzt bzw. bezahlt wurden. Dies wäre - gegebenenfalls - zur Vermeidung einer Doppelbelastung bei der Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB zu berücksichtigen. Der Übergang zum "Bruttoprinzip" änderte hieran nichts (vgl. BGHSt 47, 260 [267]). Die fehlenden Feststellungen und deren Bewertung wird das Landgericht - orientiert an der Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 21. März 2002 (BGHSt 47, 260 [264 ff.]) - nachzuholen haben. Hinsichtlich der Mehrwertsteuer könnten u.U. auch die steuerlichen Auswirkungen bei der Al. -GmbH bedeutsam sein.

Möglicherweise wurden dort die Mehrwertsteuerbeträge aus den Rechnungen der Bu. GmbH durch deren Geltendmachung als Vorsteuer - vor dem Hintergrund des anschließenden Exportgeschäfts ohne Kompensation - wieder "zurückgeholt".

Die bisher zur Verfallsanordnung getroffenen Feststellungen sind vom Rechtsfehler nicht betroffen und bleiben deshalb aufrechterhalten.

Ende der Entscheidung

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