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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.01.1999
Aktenzeichen: 1 StR 622/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StGB § 57 b
StGB § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
StGB § 211 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 622/98

vom

12. Januar 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 1999 beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 26. Juni 1998 aufgehoben, soweit die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Dem Angeklagten liegen zwei am 13. Juni 1997 verübte Tötungsverbrechen zur Last, begangen zunächst an der 13 Jahre alten G. J. und unmittelbar danach an der 14 Jahre alten N. R.. Das Landgericht hat ihn wegen Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Mordes zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Der Angeklagte erhebt mit seiner Revision die Sachrüge. Im einzelnen wendet er ein, das Landgericht habe die besondere Schwere der Schuld zu Unrecht u.a. damit begründet, bei der zweiten Tötungshandlung seien zwei Mordmerkmale verwirklicht worden. Die Revision hat zur Feststellung der besonderen Schuldschwere Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Schwurgerichtskammer hat die Tötung von N. R. zu Recht als Mord gewertet. Sie hat jedoch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB nicht nur das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht bejaht, sondern darüber hinaus das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen. Die Geschädigte sei Zeugin der Tötung von G. J. und der ihr selbst zugefügten gefährlichen Körperverletzung gewesen. Insoweit liege beim Angeklagten Verdeckungsabsicht vor. Es sei ihm aber auch darum gegangen, die Möglichkeit auszuschließen, daß N. R. durch einen Bericht von der Tat das Bild zerstört, das er trotz der früheren Verurteilung wegen einer Sexualstraftat sich selbst und gegenüber seiner Mitwelt, insbesondere seiner Familie und seiner Lebensgefährtin, aufrechterhalten und verbreitet habe. Ihre Tötung habe damit auch dazu gedient, die Grundlage des Eigenwerts seiner Person und seine Wertschätzung bei anderen zu bewahren. Die Tötung sei schließlich auch erfolgt, weil N. R. bei seinem Gewaltausbruch gegenüber G. J. zufällig anwesend gewesen sei: "Deshalb reichte dem Angeklagten schon diese Anwesenheit allein als Grund für die Tötung aus". Nach Auffassung der Strafkammer gehen diese beiden "ebenfalls zugrunde liegenden Motive" über die Verdeckungsabsicht hinaus und rechtfertigen die Annahme eines weiteren Mordmerkmals. Sie seien "verachtenswert und stehen auf tiefster sittlicher Stufe". Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden, ohne daß allerdings der Schuldspruch aufgehoben werden müßte.

2. Die Strafkammer geht von einem zu engen Anwendungsbereich der Strafvorschrift des Verdeckungsmordes nach § 211 Abs. 2 StGB aus. Die Verdeckungsabsicht erfaßt auch solche Motive, die im Rahmen eines "sonst niedrigen Beweggrundes" Berücksichtigung finden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird das Verdeckungsmotiv für sich als niedriger Beweggrund gewertet, weil bei ihm in aller Regel eine besonders verwerfliche Gesinnung zutage tritt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 21 m.w.Nachw.). Das gilt für die Fälle, in denen das Opfer zur Verdeckung einer Verhaltensweise des Täters getötet wird, die er zwar nicht für strafbar, jedoch für verwerflich oder seinem Ansehen für abträglich hält. Verdeckungsabsicht verlangt somit nicht, daß der Täter für den Fall des Bekanntwerdens seiner vorangegangenen Straftat mit Strafverfolgung rechnet. Es genügt, daß es ihm um die Vermeidung außerstrafrechtlicher Konsequenzen geht (BGHSt 41, 8). Nach diesem Maßstab unterfallen alle von der Schwurgerichtskammer festgestellten Motive des Angeklagten dem Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Bei der Tötung von N. R. ging es dem Angeklagten um die Ausschaltung einer zufällig am Tatort anwesenden Zeugin, die insbesondere die Tötung von G. J. hätte aufdecken können. Mit einer möglichen Aussage hätte diese Zeugin nicht nur die strafrechtliche Ahndung der Tat bewirkt, sondern in gleichem Maße das von ihm selbst aufrechterhaltene Bild zerstört. Die von der Strafkammer festgestellten Motive enthalten daher über die Verdeckungsabsicht hinaus keinen weiteren Unwertgehalt.

3. Der festgestellte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung und Zurückverweisung hinsichtlich des zu treffenden Ausspruchs über die besondere Schwere der Schuld. Zwar ist nicht zu beanstanden, daß die Schwurgerichtskammer die Tötungshandlung zum Nachteil N. R. in der rechtlichen Würdigung als Mord angesehen und in einem weiteren Schritt die besondere Schwere der Schuld für diese Tat festgestellt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine solche - schon vor Bildung der Gesamtstrafe und Entscheidung nach § 57 b StGB erfolgte - Feststellung im Ermessen des Tatrichters (BGH NStZ 1997, 277). Aufgrund des Wegfalls des Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe ergibt sich jedoch für die Gesamtwürdigung entweder nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder nach § 57 b StGB eine veränderte Beurteilungsgrundlage. Zwar hätte die Schwurgerichtskammer angesichts der Tatumstände, insbesondere der zwei noch sehr jungen Opfer, bei der Gesamtwürdigung auch ohne das Vorliegen zweier Mordmerkmale die besondere Schuldschwere feststellen können. Der Senat ist jedoch an einer eigenen abschließenden Entscheidung gehindert, weil er sonst seine Wertung an die Stelle der vom Tatrichter vorzunehmenden Gesamtwürdigung setzen würde (BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 18 m.w.Nachw.).



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