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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 2 AR 8/06
Rechtsgebiete: WpÜG, AktG


Vorschriften:

WpÜG § 29 Abs. 2
WpÜG § 35
WpÜG § 40 Abs. 3
AktG § 189
AktG § 191
AktG § 203 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 ARs 78/06 2 AR 8/06

vom 31. Mai 2006

in dem Bußgeldverfahren

gegen

wegen Ordnungswidrigkeit nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz - WpÜG -

Az.: WpÜG-OWi 1/04 Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 31. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2005 wird als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Die Betroffene ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Alleinvorstand H. ist.

Die I. AG beschloss am 27. August 2002 in Ausübung genehmigten Kapitals die Erhöhung des Grundkapitals von 4,84 Millionen Euro um bis zu 2,4 Millionen Euro bis auf 7,24 Millionen Euro. Die Betroffene zeichnete durch ihren Alleinvorstand H. am 18. September 2002 sämtliche 2,4 Millionen Stück neue Inhaberaktien im Nennbetrag von je 1,00 Euro. Die Eintragung der Kapitalerhöhung verzögerte sich wegen einer anhängigen Anfechtungsklage.

Unter dem 20. Januar 2003 unterzeichnete die Betroffene durch den Alleinvorstand drei Abtretungsverträge, wonach sie von diesen gezeichneten neuen Aktien 354.760 Stück an Herrn N., 246.160 Stück an Herrn St. und 354.760 Stück an Frau Dr. H. abtrat.

Die Durchführung der Kapitalerhöhung wurde am 24. Januar 2003 in das Handelsregister eingetragen und am 22. Februar 2003 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung erhöhte sich die Beteiligung der Betroffenen an der I. AG unter Berücksichtigung bereits zuvor gehaltener Aktien sowie der 2,4 Millionen Stück neuer Inhaberaktien auf insgesamt ca. 43,1 %; bei Abzug der in den Abtretungsverträgen genannten insgesamt 955.680 Stück neuer Inhaberaktien hätte sie bei 29,92 % und damit knapp unter der Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG gelegen.

Nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) im Juni 2003 Ermittlungen zur Überwachung der Einhaltung der Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebotes nach § 35 WpÜG eingeleitet hatte, teilte die Betroffene auf Anforderung mit Schreiben vom 3. Juli 2003 mit, unter Berücksichtigung der gezeichneten 2,4 Millionen Stück Aktien hätte sie mit der Eintragung der Kapitalerhöhung am 24. Januar 2003 in der Tat die Schwelle von 30 % der Stimmrechtsanteile überschritten. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, weil sie bereits zuvor am 20. Januar 2003 so viele Ansprüche auf neue Aktien an Dritte abgetreten habe, dass sie bei Eintragung der Kapitalerhöhung nur auf eine Beteiligung in Höhe von 29,9 % des Kapitals der I. AG gekommen sei.

Mit Schreiben vom 26. August 2003 teilte die BaFin der Betroffenen mit, sie sei nach Auswertung der Auskünfte zu dem vorläufigen Ergebnis gelangt, dass diese mit Eintragung der Kapitalerhöhung am 24. Januar 2003 die Kontrollschwelle von 30 % der Stimmrechte überschritten habe und wies auf § 191 AktG und die hieraus folgende Unwirksamkeit der vor der Eintragung der Kapitalerhöhung vereinbarten Abtretungen hin. Des Weiteren richtete sie mit Schreiben vom selben Tage Auskunftsersuchen nach § 40 Abs. 3 WpÜG an die drei Erwerber.

Die Betroffene veröffentlichte am 3. September 2003 über die Deutsche Gesellschaft für Ad hoc-Publicität mbH (DGAP) dass sie seit dem 27. August 2003 insgesamt 2,4 Millionen Aktien, das heißt 33,149 % der Stimmrechte an der I. AG und mit diesem Zeitpunkt die Kontrolle über diese Gesellschaft erlangt habe.

Am 31. März 2004 setzte die BaFin gegen die Betroffene eine Geldbuße in Höhe von 100.000 € fest, die sich aus einer Geldbuße in Höhe von 25.000 € wegen der leichtfertig nicht rechtzeitigen Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft und aus einer Geldbuße in Höhe von 75.000 € wegen der vorsätzlich nicht richtigen Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft zusammensetzt.

Hiergegen hat die Betroffene Einspruch eingelegt und Entscheidung im gerichtlichen Verfahren begehrt.

Der zuständige Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat daraufhin durch Beschluss vom 30. November 2005 gegen die Betroffene wegen einer von ihrem Alleinvorstand vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der unrichtigen Veröffentlichung der Kontrollerlangung über eine Zielgesellschaft eine Geldbuße von 75.000 € festgesetzt (§§ 35 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 Nr. 1 a) und Abs. 3 WpÜG, §§ 17 Abs. 1 und 4, 30 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 OWiG).

Das Oberlandesgericht hat zwar den Vorwurf der nicht rechtzeitigen Veröffentlichung für nicht gegeben erachtet, da die Betroffene lediglich fahrlässig, aber nicht leichtfertig gehandelt habe.

Das Oberlandesgericht hat aber die Überzeugung gewonnen, dass die Betroffene die verspätete Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft bedingt vorsätzlich unrichtig vorgenommen hat hinsichtlich des Zeitpunktes der Kontrollerlangung.

Gegen die Verhängung der Geldbuße hat die Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese begründet.

Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen. Der Vorstand der Betroffenen hat hierauf erwidert.

II.

Die Beschwerde war als unbegründet zu verwerfen. Die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf.

1. Die Mitteilung der Betroffenen, sie habe erst am 27. August 2003 die Kontrolle im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Satz 1 und 29 Abs. 2 WpÜG über die I. AG erlangt, war objektiv unrichtig. Zutreffend weisen das Oberlandesgericht in der angefochtenen Entscheidung und der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 10. Februar 2006 darauf hin, dass die Abtretungsverträge keine Wirkung entfalten konnten. Nach § 189 AktG wird eine Kapitalerhöhung nach der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals in das Handelsregister wirksam. Vor dem Zeitpunkt dieser Eintragung können nach § 191 AktG die neuen Anteilsrechte nicht übertragen und neue Aktien und Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Entgegen diesem Verbot vorher ausgegebene neue Aktien und Zwischenscheine sind nichtig. Dies gilt gemäß § 203 Abs. 1 AktG auch im Falle einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital.

Deshalb konnte durch die drei Abtretungsverträge vom 20. Januar 2003 eine Übertragung von Aktien, neuen Anteilsrechten oder der Position aus der vorausgegangenen Aktienzeichnung vom 18. September 2002 nicht bewirkt werden. Vielmehr führte die Handelsregistereintragung vom 24. Januar 2003 dazu, dass zu diesem Zeitpunkt in der Person der Betroffenen die neuen Mitgliedschaftsrechte aus der zuvor von ihr gezeichneten 2,4 Millionen Stück neuer Inhaberaktien entstanden waren. Die Betroffene hatte daher bereits am 24. Januar 2003 - und nicht wie von ihr veröffentlicht am 27. August 2003 - die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt.

2. Die Würdigung des Oberlandesgerichts, dass die Betroffene bedingt vorsätzlich einen unrichtigen Zeitpunkt der Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft veröffentlicht hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat. Die Beschwerdeführerin versucht insoweit lediglich, ihre eigene Wertung an die Stelle der Würdigung des Oberlandesgerichts zu setzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Der angefochtene Beschluss setzt sich mit allen erörterungsbedürftigen Fragen ausführlich auseinander, insbesondere auch damit, dass dem Auskunftsersuchen der BaFin an die drei Vertragspartner der Abtretungsverträge vom 26. August 2003 keineswegs entnommen werden kann, dass Zweifel an der Unwirksamkeit dieser Verträge bestanden.

Die Schlussfolgerung des Gerichts, dass der Betroffenen durch Schreiben der BaFin vom 26. August 2003 die Rechtslage so verdeutlicht wurde, dass sie die Unrichtigkeit ihrer beabsichtigten Veröffentlichung jedenfalls für möglich hielt und von ihr auch billigend in Kauf genommen wurde, ist nachvollziehbar und möglich; das genügt.

3. Die Höhe der festgesetzten Geldbuße lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere ist kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu erkennen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 46 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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