Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.06.2003
Aktenzeichen: 2 StR 83/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 154 a
StPO § 265
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 22
StGB § 23
StGB § 30 Abs. 1 Satz 2
StGB § 30 Abs. 2
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 249
StGB § 250
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 b
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 83/03

vom

11. Juni 2003

in der Strafsache

gegen

wegen schweren Raubes u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 11. Juni 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und S. wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 15. August 2002 im Schuldspruch dahin geändert, daß die Angeklagten im Fall 13 der Urteilsgründe der Verabredung zum schweren Raub schuldig sind.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten F. - nach Beschränkung der Strafverfolgung nach § 154 a StPO - wegen schweren Raubes in acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, vorsätzlicher unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über sie und vorsätzlichem Führen dieser Waffe, sowie des weiteren wegen versuchten schweren Raubes in drei Fällen, schwerer räuberischer Erpressung, Verabredung eines Verbrechens und vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über sie unter Auflösung verschiedener Gesamtfreiheitsstrafen und Einbeziehung früherer Urteile zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren, sechs Jahren und acht Jahren verurteilt.

Den Angeklagten S. hat das Landgericht - nach Beschränkung der Strafverfolgung nach § 154 a StPO - wegen schweren Raubes in fünf Fällen, versuchten schweren Raubes in zwei Fällen und schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten F. und S. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen geringen Erfolg, im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Revisionen führen im Fall 13 zu einer Änderung des Schuldspruchs.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die Angeklagten F. und S. die Sparkasse L. in H. am Montag, den 19. März 2001, zu überfallen. Nach ihrem Tatplan wollten sie vor Erscheinen der Bankangestellten in die Bank eindringen, bei deren Eintreffen diese unter Bedrohung mit einer geladenen Schreckschußpistole zum Öffnen des Tresors zwingen und dessen Inhalt an sich nehmen. Zur Vorbereitung des Überfalls öffneten sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Außentür der Sparkasse mit einer bei einem früheren Überfall erbeuteten Kundenkarte und gelangten so in den Vorraum. Der Angeklagte F überklebte die Kameralinsen der Überwachungskameras und brach die Tür zum Schalterraum auf. Beim Verlassen der Bank verdrehte der Angeklagte F. eine Lamelle des sich an der Tür zum Schalterraum befindlichen Lamellenvorhangs. Am Sonntag, den 18. März 2001, betrat der Filialleiter das Gebäude. Er richtete die vom Angeklagten F. verdrehte Lamelle und entdeckte einige der von den Angeklagten getroffenen Vorbereitungen. Die von ihm informierte Polizei postierte sich daraufhin in der Bank, um auf die Täter zu warten. Als die Angeklagten S. und F. am Sonntagabend gemeinsam zur Sparkasse fuhren, bemerkte der Angeklagte F. , daß die von ihm verdrehte Lamelle gerichtet worden war. Daraufhin sahen die Angeklagten von einem Überfall ab, weil sie befürchteten, daß jemand in der Bank gewesen sei und den Einbruch entdeckt habe.

b) Der Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b, 22, 23 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Annahme, das Handeln der Angeklagten habe bereits die Schwelle zum Versuch überschritten, begegnet durchgreifenden Bedenken.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Dafür ist nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind und im Fall des ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden. Das ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren "Willensimpulses" nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt (st. Rspr., BGHSt 26, 201, 202 f.; 48, 34, 35 f. m.w.Nachw.).

Nach diesen Kriterien fehlt es schon an einem engen zeitlichen Zusammenhang mit Tatbestandshandlungen des Raubes, da die Angeklagten mehr als einen Tag vor dem geplanten Überfall in die Bank eindrangen, die Räumlichkeiten "präparierten" und die Bank wieder verließen. Darin liegt nur eine straflose Vorbereitungshandlung. Aber auch durch die Fahrt zur Sparkasse am Sonntagabend haben die Angeklagten nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, weil noch weitere erhebliche Zwischenschritte erforderlich waren. Denn sie hätten zunächst in die "vorbereiteten" Bankräume eindringen und dort auf das Eintreffen der Bankmitarbeiter am nächsten Morgen warten müssen, um sie in ihre Gewalt zu bringen. Ein "Zurück" war für die Täter, die sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb der Bank befanden noch ohne weiteres möglich, eine konkrete Gefährdung der durch § 250 StGB geschützten Rechtsgüter war noch nicht gegeben.

Die Angeklagten haben sich jedoch einer Verabredung zum schweren Raub schuldig gemacht (§§ 30 Abs. 2, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Der geplante Einsatz einer geladenen Schreckschußwaffe stellt die beabsichtigte Verwendung einer Waffe i.S. von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB dar (Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs v. 4. Februar 2003 - GSSt 2/02 (= NJW 2003, 1677)). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, daß sich die geständigen Angeklagten gegen die abweichende rechtliche Würdigung der Tat anders als geschehen hätten verteidigen können.

2. Die im Fall 13 festgesetzten Einzelstrafen von jeweils drei Jahren und die Gesamtstrafen von acht Jahren bei dem Angeklagten F. (weitere einbezogene Einzelstrafen: sieben Jahre drei Monate, fünf Jahre, sieben Jahre sechs Monate, zwei Jahre und ein Jahr) sowie von vierzehn Jahren bei dem Angeklagten S. (weitere Einzelstrafen: sechs Jahre sechs Monate, fünf Jahre sechs Monate, fünf Jahre, vier Jahre neun Monate, sieben Jahre, drei Jahre sechs Monate) können bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, daß bei einer Verurteilung wegen Verabredung zu einem Verbrechen des schweren Raubes statt wegen Versuchs die jeweiligen Einzelstrafen und die Gesamtstrafen milder ausgefallen wären. Der nach § 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB gemilderte Strafrahmen entspricht dem des Versuchsstrafrahmens. Zudem wäre die Strafe nach der Änderung der Rechtsprechung durch den Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2003 (aaO) dem nach § 30 Abs. 2 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (zwei Jahre bis elf Jahre drei Monate) zu entnehmen, der schärfer ist als der von der Strafkammer angewandte, nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB (sechs Monate bis elf Jahre drei Monate).

Die Schuldspruchänderung stellt keinen solchen Erfolg der Revision dar, der eine Belastung des Angeklagten mit den vollen Kosten des Rechtsmittels unbillig erscheinen ließe (§ 473 Abs. 4 StPO).

Ende der Entscheidung

Zurück