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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.05.2003
Aktenzeichen: 3 StR 123/03
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 1
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2
BtMG § 30 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 123/03

vom

8. Mai 2003

in der Strafsache

gegen

wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Mai 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. September 2002 im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte

- der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Fall 1),

- der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen (Fälle 2 bis 6) und

- der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 7)

schuldig ist.

Der Teilfreispruch entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ergänzend zu der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

1. Wie dort bereits näher dargelegt, kommt in der Entscheidungsformel des Landgerichts nicht zum Ausdruck, daß der Angeklagte auch Verbrechen der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige nach § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG bzw. § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG begangen hat und zwischen diesen und dem Handeltreiben Tateinheit gegeben ist. Bei der Neufassung des Schuldspruchs hat der Senat den Verbrechenstatbestand vorangestellt und nur die Fälle zusammengefaßt, die rechtlich gleich gelagert sind.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten "aus rechtlichen Gründen" im übrigen freigesprochen, weil es die als selbständig angeklagten Taten zu Bewertungseinheiten zusammengefaßt hat. In einem solchen Fall, in dem der gesamte angeklagte Sachverhalt erwiesen ist und nur eine andere konkurrenzrechtliche Bewertung erfährt, kommt ein Teilfreispruch nicht in Betracht (BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 14).

3. Die vom Landgericht vorgenommenen Strafzumessungserwägungen zur Annahme minder schwerer Fälle der Abgabe an Minderjährige nach § 29 a Abs. 2 bzw. § 30 Abs. 2 BtMG in den Fällen 1 bis 6 geben Anlaß zu folgendem Hinweis:

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten die Grundsätze der Bewertungseinheit nicht nur beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sondern auch bei allen Abgabedelikten, selbst wenn die Abgabe an Minderjährige erfolgt; wird dabei aus der gleichen Erwerbsmenge teils an Erwachsene verkauft und teils an Minderjährige abgegeben, führt dies zur Tateinheit zwischen unerlaubtem Handeltreiben und Abgabe an Minderjährige (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 15; BGH bei Winkler NStZ 1999, 232, 233 Fn. 8, 15; Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 a Rdn. 33 m. w. N.; krit. hierzu Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor § 52 Rdn. 29 a). Bei der Strafzumessung ist dann allerdings - wie auch sonst - die gesamte Tat zu bewerten. Dies ist zunächst der Einkauf der jeweiligen zum Weiterverkauf bestimmten Menge, der bereits den Tatbestand des Handeltreibens mit diesen Drogen erfüllt. Sodann ist zu berücksichtigen, welcher Teil hiervon insgesamt an Minderjährige abgegeben und welcher an Erwachsene verkauft worden ist.

Die zur Annahme eines minder schweren Falles der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige führende Begründung, diese sei nur in geringen Mengen erfolgt, läßt besorgen, die Strafkammer habe nur die einzelne Abgabe im Blick gehabt. Richtigerweise wäre darauf abzustellen gewesen, daß insgesamt ein erheblicher Teil (etwa 40 %) der gesamten Einkaufsmenge an mehrere Minderjährige abgegeben worden ist.

Bei der Bemessung der grundsätzlich aus dem Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG zu entnehmenden Strafe hätte zusätzlich straferhöhend berücksichtigt werden müssen, daß hinsichtlich der gesamten Menge, die an eine nicht geringe Menge zumindest heranreicht, der Tatbestand des Handeltreibens erfüllt ist. Dabei ist zu bedenken, daß die Bewertung der Abgabe an Minderjährige den Schuldumfang noch nicht erschöpfen würde, weil der überwiegende, an erwachsene Abnehmer verkaufte Teil der Einkaufsmenge außer Acht bliebe.

b) Selbst wenn die Strafkammer, was hier nach Sachlage schwer vorstellbar ist, bei einer solchen vollständigen strafzumessungsrechtlichen Bewertung immer noch einen minder schweren Fall der Abgabe an Minderjährige nach § 29 a Abs. 2 bzw. § 30 Abs. 2 BtMG und damit lediglich einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe angenommen hätte, wäre nach § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen gewesen, ob nicht der höhere Strafrahmen des tateinheitlich begangenen Delikts anzuwenden ist. Denn hierbei kommt es nicht auf den Regelstrafrahmen beider Tatbestände, sondern auf die konkret in Betracht kommenden Strafrahmen unter Berücksichtigung von Ausnahmestrafrahmen wie bei minder oder besonders schweren Fällen an (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 46). Dabei wäre in den Fällen 2 bis 6 ein Strafrahmen von einem bis 15 Jahren Freiheitsstrafe wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens nach § 29 Abs. 3 BtMG gegeben gewesen, sofern nicht die Regelwirkung des besonders schweren Falles nach § 29 Abs. 3 BtMG ausnahmsweise verneint worden wäre. Bei der erforderlichen Abwägung hätte allerdings berücksichtigt werden müssen, daß die Einkaufsmengen von je 150 g an die Grenze zur nicht geringen Menge heranreichen.

c) Zur rechtlichen Würdigung der Strafkammer im Fall 7 (UA S. 34) weist der Senat darauf hin, daß es einen Tatbestand der Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge an Minderjährige nicht gibt.

d) Der Angeklagte ist indes durch diese Rechtsfehler nicht beschwert. Im übrigen hätte die Strafkammer, wie sie zutreffend ausgeführt hat, nach dem Grundsatz des Verschlechterungsverbots die Gesamtstrafe von vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe aus dem aufgehobenen Strafausspruch nicht überschreiten dürfen.

Ende der Entscheidung

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