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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.06.2002
Aktenzeichen: 3 StR 146/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
Zur Gewährung rechtlichen Gehörs im Beschlußverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO, wenn der Beschwerdeführer die Sachrüge nachträglich, etwa in der Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO, erläutert oder im Falle einer zunächst nur allgemein erhobenen Sachrüge erstmalig detailliert begründet.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 146/02

vom

4. Juni 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juni 2002 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 2. Januar 2002 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat den Angeklagten, der im Auftrag der PKK-Führung einen politischen Gegner erschossen hatte, wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist zunächst nur auf die allgemeine Sachrüge gestützt worden. Der Generalbundesanwalt hat mitgeteilt, daß die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben habe, und die Verwerfung des Rechtsmittels nach § 349 Abs. 2 StPO beantragt. Nach Zustellung der Antragsschrift hat der Verteidiger des Angeklagten die Sachrüge näher ausgeführt und die Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung gefordert. Er meint: Zum einen sei das Rechtsmittel nicht offensichtlich unbegründet, zum anderen würde mangels einer auf die nachgeschobene Begründung eingehenden Stellungnahme des Generalbundesanwalts das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verkürzt; im übrigen eröffne der Antrag des Generalbundesanwalts hier die Möglichkeit der Entscheidung durch Beschluß auch deswegen nicht, weil dieser in der Tatsacheninstanz die Anklage mit übereinstimmender Rechtsauffassung vertreten habe.

Das Rechtsmittel ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat ist auch nicht gehindert, das Rechtsmittel durch Beschluß nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

1. Die Gründe, auf die sich die Revision stützt, erfordern nicht die Entscheidung durch Urteil. Das Rechtsmittel ist vielmehr offensichtlich unbegründet, da das Oberlandesgericht ohne Rechtsfehler die Motivation des Angeklagten bei der Liquidation des politischen Gegners im Auftrag der PKK festgestellt und eingehend sowie in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung die Mordmerkmale der niedrigen Beweggründe (vgl. BGHSt 2, 251, 254) und der Heimtücke (vgl. BGHSt 18, 87, 88; 39, 353, 368 f.; 41, 72, 79) begründet hat. Es ist für jeden Sachkundigen ohne längere Prüfung erkennbar, daß das Urteil in sachlich-rechtlicher Hinsicht keine Fehler aufweist und die Revisionsrügen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen können (vgl. zum Maßstab BVerfG NJW 2002, 814, 815).

2. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer detaillierte Gründe erst in der Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO vorgebracht hat, steht der Zulässigkeit des Beschlußverfahrens ebenfalls nicht entgegen. Denn auch bei dieser Verfahrenssituation ist zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG die Durchführung einer Hauptverhandlung nicht geboten.

a) Diesem Anspruch wird im Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO dadurch Rechnung getragen, daß eine Verwerfung nur auf einen zu begründenden und dem Revisionsführer zuzustellenden Antrag der Staatsanwaltschaft ergehen darf, auf den dieser gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO erwidern kann, um so seine gegenteilige Auffassung dem Revisionsgericht näher zu erläutern, damit es diese bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann; eine weitergehende Beteiligung des Revisionsführers verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 10. Mai 2001 - 2 BvR 1225/01). Ebensowenig erfordern verfassungsrechtliche Gründe, daß das Revisionsgericht seinen verwerfenden Beschluß ausführlich begründet, da sich die für die Zurückweisung des Rechtsmittels maßgeblichen Gründe bei diesem Verfahrensgang aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und dem Inhalt des Verwerfungsantrags im Zusammenhang mit dem Merkmal der offensichtlichen Unbegründetheit mit ausreichender Klarheit ergeben (Kuckein in KK 4. Aufl. § 349 Rdn. 16 m. w. N.).

b) Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Beschwerdeführer die Sachrüge nach der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, etwa im Rahmen einer Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO, näher erläutert oder - im Falle einer zunächst erhobenen allgemeinen Sachrüge - erstmals detailliert begründet. Bei dieser Sachlage kann sich die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft naturgemäß nur auf solche Aspekte beschränken, die ihr in der Revisionsbegründungsschrift unterbreitet worden sind oder ihr auf Grund eigener Nachprüfung Anlaß zur Erörterung geben. Das Revisionsgericht ist dann regelmäßig nicht verpflichtet, den später eingereichten Begründungsschriftsatz des Beschwerdeführers der Staatsanwaltschaft erneut zur Stellungnahme zuzuleiten (BGHR StPO § 349 Abs. 3 Gegenerklärung 1; Kuckein in KK 4. Aufl. § 349 Rdn. 21). Auch wird es, wie es der Praxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entspricht, in solchen Fällen im Verwerfungsbeschluß nur ausnahmsweise, etwa wenn Revisionsangriffe von Gewicht vorgebracht werden oder triftige Gründe für ein Nachschieben ersichtlich sind, auf die nachgereichten Ausführungen näher eingehen. Daher kann ein Beschwerdeführer mit einer allgemeinen Sachrüge zwar eine umfassende materiell-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils, regelmäßig aber nicht eine begründete Stellungnahme zu konkreten materiell-rechtlichen Beanstandungen erreichen, die er erst nach der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nachschiebt.

Dabei ist zu beachten, daß durch die zunehmend zu beobachtende Übung, sich zunächst auf die Erhebung der allgemeinen Sachrüge zu beschränken und detaillierte Anfechtungsgründe zurückzuhalten, um diese erst im Rahmen der Gegenerklärung vorzubringen, so daß die Staatsanwaltschaft keine Möglichkeit zur begründeten Stellungnahme hat, faktisch die gesetzliche Regelung des Beschlußverfahrens nach § 349 Abs. 2 StPO unterlaufen wird; diese baut nach dem im Gesetz vorgesehenen System des Revisionsverfahrens darauf auf, daß der Beschwerdeführer die Gründe für die Anfechtung eines Urteils bereits in der Revisionsbegründung gemäß § 344 Abs. 1 StPO anführt. Maßgeblich ist dabei, daß das Beschlußverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO dem Revisionsführer die Möglichkeit der Erlangung rechtlichen Gehörs in der oben unter 2 a) aufgezeigten Weise einräumt. Macht er davon keinen Gebrauch, indem er seine Gründe zurückhält und so der Staatsanwaltschaft die im Gesetz vorgesehene begründete Stellungnahme unmöglich macht, wird sein Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt. Er kann insbesondere durch sein Vorgehen nicht erzwingen, daß ihm anstatt der im Gesetz vorgesehenen Anhörungsmöglichkeit eine andere Art der Anhörung, etwa durch Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung oder durch weitere nachträgliche Anhörungsverfahren eingeräumt wird. Denn dadurch würde ohne ausreichende sachliche Gründe die vom Gesetzgeber durch die Einführung des Beschlußverfahrens nach § 349 StPO erstrebte Entlastung der Revisionsgerichte (vgl. Hanack in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 349 Rdn. 5) vereitelt werden.

3. Auch der weitere Umstand, daß hier der Generalbundesanwalt die Strafverfolgung gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 2 und 3 a GVG übernommen und dementsprechend die Anklage in erster Instanz vertreten hatte, erfordert nicht die Entscheidung durch Urteil. Die abweichende Auffassung des Beschwerdeführers hätte zur Folge, daß in Strafsachen, für die nach § 120 GVG die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründet ist, das Beschlußverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO generell ausgeschlossen wäre. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift findet weder in ihrem Wortlaut eine Stütze, noch sind sonst Gründe für sie ersichtlich. Sie widerspräche der langjährigen Praxis des Strafsenats und wird auch im strafprozessualen Schrifttum nicht in Erwägung gezogen. Im übrigen erfolgt die Bearbeitung einer solchen Sache im Revisionsverfahren nicht durch das erstinstanzlich zuständige Staatsschutzreferat des Generalbundesanwalts, sondern durch dessen allgemeine Revisionsabteilung. Auch kommt es dabei durchaus zu Stellungnahmen, die von den in erster Instanz vertretenen Auffassungen des Staatsschutzreferats abweichen, wie der Senat bei seiner langjährigen Befassung mit Staatsschutzstrafsachen beobachten konnte.

Ende der Entscheidung

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