Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.11.2001
Aktenzeichen: 3 StR 216/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 24 Abs. 1
StGB § 21
StGB § 49 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 216/01

vom

9. November 2001

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer Brandstiftung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. November 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 26. September 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1. Die geltend gemachte Verletzung von § 74 Abs. 1, § 24 Abs. 1 StPO führt zur Aufhebung des Urteils. Das Landgericht hat das gegen den Sachverständigen F. gerichtete Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

Der Sachverständige F. war von der Versicherungsgesellschaft, bei der das Gebäude mit dem Hotel- und Gaststättenbetrieb "Butjadinger Hof" gegen Brand versichert war, in Absprache mit dem ermittelnden Kriminalbeamten als Sachverständiger eingeschaltet worden und hatte am 30. November 1999 der Brandversicherung für die Besichtigung des Brandorts und die Ausarbeitung eines Gutachtens ca. 2.400 DM in Rechnung gestellt. Sein Gutachten und eine von ihm gefertigte Bildmappe übersandte er jeweils an die Brandversicherung und an die ermittelnde Polizeidienststelle. Das der ermittelnden Polizeidienststelle übersandte Gutachten wird mit dem Hinweis eingeleitet, der Sachverständige sei auf deren Aufforderung tätig geworden. Die Brandversicherung hat das Gutachten bezahlt.

Zu Recht hat deshalb der Angeklagte den Sachverständigen, der in der Hauptverhandlung sein Gutachten zu Ursache und Verlauf des Brandes erstattet hat, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Tatsache, daß der Sachverständige vor der Hauptverhandlung (auch) für die Brandversicherung beruflich tätig geworden und bezahlt worden war, rechtfertigt aus der Sicht des Angeklagten die Besorgnis, daß er bei Erstattung seines Gutachtens in dem Strafverfahren gegen ihn nicht unbefangen sein würde; unabhängig davon, ob sich der Sachverständige in seinem für die Versicherungsgesellschaft erstatteten Gutachten bereits festgelegt hatte, war allein sein berufliches Tätigwerden (auch) für fremde Interessen vom Standpunkt des Angeklagten aus geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (vgl. RGSt 72, 250, 251; BGHSt 20, 245, 246). Davon, daß zwischen den Interessen der Brandversicherung und denen des Angeklagten kein Gegensatz bestand, konnte der Senat nicht ausgehen.

Auf dem Gutachten des abgelehnten Sachverständigen beruhen die Überzeugung der Kammer vom Ablauf des Brandgeschehens und die aus diesem gezogenen Schlüsse auf die Täterschaft des Angeklagten.

2. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Die erfolgreiche Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit hindert nicht, ihn als Zeugen oder sachverständigen Zeugen über Tatsachen zu vernehmen, die ihm bei Durchführung des erteilten Auftrags bekannt geworden sind (BGHSt 20, 222, 224; BGH, Beschl. vom 15. August 2001 - 3 StR 225/01; Senge in KK 4. Aufl. § 74 Rdn. 15; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 74 Rdn. 19).

b) Sollte das Landgericht sich erneut von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen und eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht ausschließen können, so müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß das Landgericht die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB erwogen hat.



Ende der Entscheidung

Zurück