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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.05.2002
Aktenzeichen: 3 StR 35/02 (1)
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 300
StPO § 397 a Abs. 1
StPO § 397 a Abs. 2
StPO § 397 a Abs. 1 Satz 1
StPO § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
StGB § 177
StGB § 223
StGB § 223 a
StGB § 2 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 35/02

vom

14. Mai 2002

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Nebenklägerin U. wird für die Revisionsinstanz Rechtsanwältin R. aus M. beigeordnet.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung und in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen des Urteils schlug der Angeklagte in den Jahren 1995 und 1996 die Nebenklägerin und nötigte sie zum Geschlechtsverkehr und anderen sexuellen Handlungen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Die Nebenklägerin ist dem Aufhebungsbegehren des Angeklagten entgegengetreten.

Das Landgericht hatte der Nebenklägerin auf deren Antrag für das erstinstanzliche Verfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwältin R. beigeordnet. Die Nebenklägerin hat nunmehr die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Revisionsinstanz unter erneuter Beiordnung von Rechtsanwältin R. beantragt. Dieser Antrag ist dem in § 300 StPO zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Rechtsgedanken zufolge als Antrag auf Bestellung eines Beistandes nach § 397 a Abs. 1 StPO auszulegen. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gemäß § 397 a Abs. 2 StPO, die u. a. eine zusätzliche Bedürftigkeitsprüfung voraussetzt und auch daher für die Nebenklägerin ungünstiger ist, kommt nämlich nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Beistands nicht vorliegen (BGH NJW 1999, 2380). Der Antrag ist in dieser Auslegung auch begründet.

Der Nebenklägerin ist auf ihren Antrag gemäß § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO für die Revisionsinstanz ein Beistand zu bestellen. Die Taten erfüllen die Voraussetzungen des § 177 StGB in der Fassung des 33. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 1. Juli 1997 bzw. des 6. Strafrechtsreformgesetzes vom 26. Januar 1998 und stellen ein Verbrechen dar. Damit ist die Nebenklägerin, die sich bislang dem Verfahren nur unter dem Gesichtspunkt der vom Angeklagten begangenen Körperverletzungen angeschlossen hatte (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StPO), auch gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO zum Anschluß berechtigt.

Der Bestellung eines Beistands steht nicht entgegen, daß das Landgericht gemäß § 2 Abs. 3 StGB zu Recht auf die in den Jahren 1995 und 1996, also vor dem Inkrafttreten des 33. Strafrechtsänderungsgesetzes, begangenen Taten nicht § 177 StGB, sondern § 240 und §§ 223, 223 a StGB angewandt hat.

Ist eine rechtswidrige Tat zur Zeit der Urteilsverkündung und des Revisionsverfahrens eine Katalogtat nach § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO, so ist dies für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand des Nebenklägers in der Revisionsinstanz maßgebend, auch wenn die Tat zum Zeitpunkt ihrer Begehung noch nicht nach einer der im Katalog aufgeführten Vorschriften strafbar war. § 2 Abs. 3 StGB gilt für diese Bewertung nicht. Der dort geregelte Vorrang der Anwendbarkeit des mildesten materiellen Strafgesetzes soll den Täter begünstigen (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 2 Rdn. 16). Demgegenüber dient § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO als verfahrensrechtliche Vorschrift dem Schutz und der Stärkung der Rechte bestimmter Nebenkläger. Durch die Anordnung anwaltlichen Beistandes für Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und bei versuchten Tötungsdelikten soll den berechtigten Interessen dieser vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig angesehenen Opfer entsprochen werden (vgl. BTDrucks. 13/9542). Dieser Gesetzesintention liefe eine Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO zuwider, die ausschließlich auf die der Verurteilung zugrunde liegende Straftatqualifikation (hier: Vergehen der gefährlichen Körperverletzung und der Nötigung) abstellt. Im übrigen gilt der Grundsatz der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für verfahrensrechtliche Vorschriften in besonderer Weise. Mit diesem Gedanken wäre es nur schwerlich zu vereinbaren, wollte man bei der Auslegung einer Verfahrensnorm, die auf das materielle Strafrecht Bezug nimmt, von dem gegenwärtigen Rechtszustand abweichen und auf eine frühere Gesetzeslage abstellen (vgl. BGHR StPO § 397 a Abs. 1 Verbrechen 1).

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