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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.11.2001
Aktenzeichen: 3 StR 371/01
Rechtsgebiete: StPO, BtMG, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 31
BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
BtMG § 33 Abs. 2
StGB § 73
StGB § 73 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 371/01

vom

16. November 2001

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 16. November 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 29. August 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) in den Fällen II. 2. bis 4. der Urteilsgründe,

b) im gesamten Strafausspruch,

c) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz, soweit er den Betrag von 900 DM übersteigt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle II. 1. und 4.), davon in einem Fall (Fall II. 1.) in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen versuchten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 2.), wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Fall II. 3.), wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 5.), wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall II. 9.) und wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Fall II. 7.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz angeordnet. Die Revision des Angeklagten, die das Verfahren beanstandet und Verletzungen des sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Darüber hinaus hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Verurteilung wegen (versuchten) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln kann in den Fällen II. 2. bis 4. der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen nicht belegen, daß der Angeklagte jeweils eigennützig gehandelt hat.

Täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfordert das eigennützige Bemühen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Eigennützig ist eine solche Tätigkeit nur, wenn das Handeln des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird. Ein Vorteil immaterieller Art kommt bei der gebotenen zurückhaltenden Auslegung nur in Betracht, wenn er einen objektiv meßbaren Inhalt hat und den Empfänger in irgendeiner Weise tatsächlich besser stellt (st.Rspr.; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 34 m.w.N.). Dies ist nicht ausreichend belegt.

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte in diesen Fällen teils Betäubungsmittel zum Einkaufspreis an Geschäftsfreunde und Bekannte weitergegeben, teils hat er sich um den Ankauf von Betäubungsmitteln bemüht, die er ohne Gewinnaufschlag an diesen Personenkreis weiterverkaufen wollte. Wie sich aus den einleitenden Darlegungen des Landgerichts ergibt, rechnete der Angeklagte dabei damit, daß sich die Empfänger erkenntlich zeigen würden, sei es in Form von unentgeltlichen "Freundschaftsdiensten" oder dem gemeinsamen Konsum von Betäubungsmitteln zu späterer Zeit auf deren Kosten. Bei den einzelnen Taten stellt die Kammer fest, daß der Angeklagte erwartete, zukünftig ebenfalls einmal "preiswertes Opium" oder einen "Freundschaftsdienst" (Fall II. 2. und 3.) bzw. "Opium zum Einkaufspreis oder zu günstigen Konditionen" (Fall II. 4.) zu erhalten.

Soweit das Landgericht auf erwartete Freundschaftsdienste abstellt, ist mangels näherer Darlegung dieser Dienste nicht erkennbar, daß diese einen objektiv meßbaren Inhalt gehabt und den Angeklagten in irgendeiner Weise tatsächlich besser gestellt hätten. Soweit das Landgericht, wie dem Urteilszusammenhang zu entnehmen ist, darauf abstellt, der Angeklagte habe im Bedarfsfall seine Belieferung mit Betäubungsmitteln durch seine Abnehmer unter Verzicht auf den üblichen Weiterverkaufsaufschlag erwartet (vgl. BGH NStZ 1996, 498), ist nicht ausreichend belegt, worauf sich eine solche Erwartung des Angeklagten stützen könnte (vgl. Weber, BtMG § 29 Rdn. 155 f.). Der neue Tatrichter wird klären müssen, ob ihr etwa Zusagen der Abnehmer an den Angeklagten bezüglich solcher günstigen Geschäfte in der Zukunft oder Erfahrungen mit solchen Geschäften in der Vergangenheit zugrunde lagen.

Im Fall II. 2. der Urteilsgründe wird der neue Tatrichter, sofern er eigennütziges Handeln feststellen kann, die von der Revision vorgebrachten Beanstandungen in bezug auf einen Rücktritt vom Versuch zu bedenken haben. Sollte Eigennützigkeit nicht festgestellt werden können, so erscheint es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zweifelhaft, ob der Angeklagte mit der Anfrage bei seinem Händler nach weiteren Betäubungsmitteln bereits unmittelbar zum Erwerb von Betäubungsmitteln angesetzt hat (vgl. Weber, BtMG § 29 Rdn. 519 f.).

2. In den Fällen II. 1. und 5. der Urteilsgründe sind die Schuldsprüche rechtsfehlerfrei getroffen; jedoch sind die Strafaussprüche aufzuheben, weil die Ablehnung von § 31 BtMG durch das Landgericht rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Das Landgericht führt aus, der Angeklagte habe "einen wesentlichen Aufklärungserfolg i.S.d. § 31 BtMG ... durch die Benennung der anderen Tatbeteiligten und deren Tatbeiträge in seinen polizeilichen Geständnissen ... nicht geleistet, da zu diesem Zeitpunkt die Auswertungen der Telefongespräche aus den Telefonüberwachungen bereits vorlagen, aus denen sich die wesentliche Tatbeteiligung der anderen Tatbeteiligten ergab" (UA S. 17). Ob es sich bei den Angaben des Angeklagten um den von § 31 BtMG geforderten wesentlichen Aufklärungsbeitrag gehandelt hat oder nicht, ist diesen knapp gehaltenen Ausführungen nicht zu entnehmen. Diese lassen vielmehr besorgen, das Landgericht habe nicht bedacht, daß auch die Bestätigung von vorhandenem Wissen der Strafverfolgungsbehörden eine sicherere Grundlage für den Nachweis der von diesen Personen begangenen Taten schaffen und damit die Möglichkeit der Strafverfolgung verbessern kann (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 18, 19, 25).

3. Die Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen II. 7. und 9. der Urteilsgründe sind für sich genommen rechtsfehlerfrei. Der Senat hebt die Einzelstrafen von vier bzw. zwei Monaten Freiheitsstrafe auf, da nicht auszuschließen ist, daß sie von den aufgehobenen Schuld- und Strafaussprüchen beeinflußt sind.

4. Die Anordnung von Wertersatzverfall kann nur in Höhe von 900 DM bestehen bleiben. In dieser Höhe hatte der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe aus dem Weiterverkauf eines Teils der erworbenen Gesamtmenge einen Erlös erzielt, der dem Verfall nach § 73 StGB und bei Vermischung des Erlösgeldes dem Wertersatzverfall nach § 73 a StGB unterliegt.

Soweit die Strafkammer jedoch darüber hinaus den Wertersatzverfall auch für die nur erworbenen, aber nicht weiterveräußerten Betäubungsmittel (Restmenge im Fall II. 1. und Gesamtmengen in den Fällen II. 5. und 7.) angeordnet hatte, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn insoweit hatte der Angeklagte aus den Taten nicht einen Erlös, sondern lediglich die Betäubungsmittel selbst erlangt. Diese unterliegen aber als Beziehungsgegenstände nur der Einziehung nach § 33 Abs. 2 BtMG, nicht aber dem Verfall (BGH, Beschl. vom 8. November 2001 - 4 StR 429/01; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 27). Damit scheidet aber auch die ersatzweise Anordnung des Wertersatzverfalls nach § 73 a StGB aus, die nur anstelle des Verfalls in Betracht kommt (vgl. BGH aaO).

In den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe erfaßt die Aufhebung des Schuldspruchs auch die Anordnung des Wertersatzverfalls.



Ende der Entscheidung

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