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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.11.2009
Aktenzeichen: 3 StR 437/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 358 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag -

am 17. November 2009

gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO

einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision der Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 4. Mai 2009, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch dahin geändert, dass die Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wird.

2. Die weitergehende Revision der Angeklagten D. und die Revision des Angeklagten S. werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten S. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Angeklagte D. wegen Beihilfe zum schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt; die Vollstreckung dieser Strafe hatte es zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revisionen der Angeklagten beschränkte der Senat das Verfahren gemäß § 154 a StPO auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, hob das Urteil des Landgerichts in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück; die weitergehenden Revisionen wurden verworfen.

Nunmehr hat das Landgericht gegen den Angeklagten S. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt und ausgesprochen, dass hiervon zwei Jahre und drei Monate als vollstreckt gelten. Gegen die Angeklagte D. hat es auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und bestimmt, dass von dieser Strafe ein Jahr als bereits vollstreckt gilt. Hiergegen wenden sich die jeweils auf materiell- und verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel der Angeklagten D. führt auf die Sachrüge zur Herabsetzung der gegen sie verhängten Freiheitsstrafe auf ein Jahr und zehn Monate; im Übrigen ist es ebenso wie die Revision des Angeklagten S. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Strafausspruch gegen die Angeklagte D. hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn das Landgericht hat dadurch, dass es auf eine höhere Freiheitsstrafe (zwei Jahre) als diejenige erkannt hat, die es in seinem ersten Urteil verhängt hatte (ein Jahr und zehn Monate), hier gegen das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) verstoßen.

Das Landgericht hatte in dem ersten Urteil eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt und diese nach dem früher angewendeten sog. Strafabschlagsmodell durch eine Minderung der Strafen ausgeglichen. Nunmehr hat es diese Verzögerung entsprechend den in der neueren Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (sog. Vollstreckungsmodell; s. BGHSt 52, 124) dadurch ausgeglichen, dass es einen Teil der verhängten Strafen für bereits vollstreckt erklärt hat. Dabei hat es höhere Strafen gegen die Angeklagten festgesetzt, als sie im Tenor der ersten landgerichtlichen Entscheidung ausgesprochen worden waren. Dies begegnet zwar grundsätzlich auch vor dem Hintergrund des § 358 Abs. 2 StPO keinen Bedenken, wenn die neue Strafe die im früheren Urteil als an sich verwirkt und ohne Kompensationsabschlag als schuldangemessen ausgewiesene Strafe nicht übersteigt und die im Falle vollständiger Vollstreckung aufgrund der Kompensation im Vollstreckungsmodell zu verbüßende Strafe nicht höher ist als die in dem früheren Urteil letztlich ausgesprochene Strafe (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 35; BGH wistra 2008, 341, 342). Jedoch hatte das Landgericht hier in seinem ersten Urteil bei der Angeklagten D. - im Gegensatz zu dem Angeklagten S. - die Höhe derjenigen Strafe nicht angegeben, die nach seiner Auffassung ohne Berücksichtigung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung angemessen gewesen wäre. Somit ist seinem Urteil keine über die letztlich verhängte Sanktion hinausgehende Strafe zu entnehmen, bis zu deren Höhe das neue Tatgericht eine von ihm ohne Berücksichtigung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK als angemessen erachtete Strafe verhängen konnte, ohne gegen § 358 Abs. 2 StPO zu verstoßen. Das Landgericht war deshalb durch das Verschlechterungsverbot daran gehindert, nunmehr auf eine höhere Strafe als diejenige zu erkennen, die es in seinem ersten Urteil unter Berücksichtigung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung letztlich als angemessen befunden hatte.

Der Senat setzt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Strafe gegen die Angeklagte D. selbst auf die in dem ersten landgerichtlichen Urteil verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten fest; denn es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Beachtung des Verschlechterungsverbots auf eine noch niedrigere Strafe erkannt hätte. Bei der Kompensationsentscheidung, die als reine Entschädigung der Angeklagten für die staatlich zu verantwortende Verfahrensverzögerung nicht zum Strafausspruch zählt (BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), hat es sein Bewenden. Von der Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten gilt daher ein Jahr als vollstreckt.

Der nur geringfügige Erfolg der Revision gibt keinen Anlass, die Angeklagte von den Kosten des Verfahrens, ihren Auslagen und den notwendigen Auslagen des Nebenklägers auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Ende der Entscheidung

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