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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.04.2004
Aktenzeichen: 4 StR 100/04
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 69
StGB § 69 a
StGB § 69 Abs. 1
StGB § 69 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 100/04

vom

6. April 2004

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. April 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 3. November 2003 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwei Jahren und sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

2. Der auf §§ 69, 69 a StGB gestützte Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand.

Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte durch "das fortlaufende Transportieren großer Rauschgiftmengen in seinen Fahrzeugen" als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Diese Erwägung vermag die Maßregelanordnung nicht zu tragen.

Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, daß § 69 Abs. 1 StGB nicht nur bei Verkehrsverstößen im engeren Sinne, sondern auch bei sonstigen strafbaren Handlungen anwendbar ist, sofern sie im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen werden und sich daraus die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt. Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Rechtsprechung verlangt deshalb in diesen Fällen regelmäßig eine nähere Begründung der Entscheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5 und 8; Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2002 - 4 StR 339/02 = NZV 2003, 46 und vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02 = NZV 2003, 199). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, und zwar ungeachtet der weiteren (streitigen) Frage, ob zwischen den einzelnen Taten und der Verkehrssicherheit ein (verkehrsspezifischer) Zusammenhang zu fordern ist (vgl. hierzu den Anfragebeschluß des Senats vom 16. September 2003 - 4 StR 85/03 = DAR 2003, 563 = StV 2004, 128 sowie BGH, Beschluß vom 26. September 2003 - 2 StR 161/03 = NStZ 2004, 144).

Dem steht die vom 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Beschluß vom 14. Mai 2003 - 1 StR 113/03 = NStZ 2003, 658 vertretene Auffassung nicht entgegen, daß bei bestimmten schweren Straftaten, die unter Benutzung eines Kraftfahrzeugs begangen werden, in aller Regel die charakterliche Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen verneint werden müsse. Der 1. Strafsenat hat nämlich weiterhin ausgeführt, daß auch in derartigen Fällen der Umfang der tatrichterlichen Begründungspflicht von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Täterpersönlichkeit und vom Gewicht der Tat abhänge. Danach hätte im vorliegenden Fall die Annahme der Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen einer näheren Begründung bedurft. Der Generalbundesanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt:

"Auch die Gesamtbetrachtung der Urteilsgründe läßt keine Gründe für die Annahme charakterlicher Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen erkennen. Zwar hätte die häufige Verwendung des Kraftfahrzeugs für den Transport von Rauschgift Anlaß zu der Prüfung gegeben, ob aus der Gesamtwürdigung geschlossen werden kann, der Angeklagte werde sich bei einer Polizeikontrolle dieser in riskanter Fahrweise durch Flucht entziehen. Anhaltspunkte für eine solche Annahme lassen sich (aus) den Urteilsgründen jedoch nicht ersehen. So ist den Feststellungen zu einer früheren Polizeikontrolle des Angeklagten am 6. September 2001 (UA S. 5), bei der in seinem Fahrzeug u.a. drei Gramm Kokaingemisch, eine Feinwaage und Folienmaterial aufgefunden wurden, nicht zu entnehmen, daß der Angeklagte Anstalten gemacht hätte, mit seinem Fahrzeug zu fliehen. Auch die von der Kammer festgestellten Vorkehrungen des Angeklagten für den Fall von Polizeikontrollen (UA S. 8), indem er sich von weiblichen Personen begleiten ließ, um unauffälliger zu erscheinen, deuten vielmehr darauf hin, daß er sich einer Kontrolle stellen werde. Den Aussagen der Zeugen Z. und P. , die den Angeklagten bei den Transportfahrten begleitet hatten (UA S. 8), lassen sich darüber hinaus keine Hinweise auf ein riskantes Fahrverhalten des Angeklagten anläßlich dieser Fahrten entnehmen. Zudem stellt die Kammer fest, der Angeklagte sei weder Drogen- noch Alkoholkonsument (UA S. 5), so daß auch insoweit keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, der Angeklagte werde zukünftig unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug führen und so eine erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen".

Dem schließt sich der Senat an. Die Entziehung der Fahrerlaubnis bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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