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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 4 StR 133/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil

4 StR 133/05

vom 28. Juni 2005

in dem Sicherungsverfahren

gegen

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juni 2005, an der teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof Maatz, als Vorsitzender, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein, Athing, Dr. Ernemann, Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible als beisitzende Richter,

Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 21. Dezember 2004 wird verworfen.

2. Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung sachlichen Rechts.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Urteil weist entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten auf.

1. Nach den Feststellungen leidet der Beschuldigte an einer paranoiden Schizophrenie und einem schizophrenen Residuum. Die Erkrankung geht einher mit einem sekundären Alkoholmißbrauch. Erste Krankheitsanzeichen traten bereits im Jahre 1984 auf. Der Beschuldigte, der sich seither häufig in stationärer psychiatrischer Behandlung befand, steht seit 1991 unter Betreuung. Seit 1989 trat er vielfach strafrechtlich in Erscheinung, wobei er insbesondere Anfang der 90er Jahre wegen mehrerer, auch körperlicher, stets unter Alkoholeinfluß begangener Aggressionshandlungen zum Nachteil seiner früheren Lebensgefährtin auffiel. Sämtliche Verfahren wurden wegen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt. Dem vorliegenden Verfahren liegen Vorfälle aus dem Jahre 2002 zugrunde. Im Juni 2002 drohte der Beschuldigte Mitarbeitern des Sozialamtes an, sie mit einer von ihm zu Hause verwahrten Axt zu erschlagen. Im Dezember 2002 schlug er nach dem Genuß alkoholischer Getränke eine Bekannte mit der Faust ins Gesicht und zertrümmerte anschließend deren Wohnungseinrichtung. Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschuldigte auch diese Taten infolge seiner schizophrenen Erkrankung im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen hat und von ihm auch künftig, insbesondere im Zusammenhang mit dem bestehenden sekundären Alkoholmißbrauch, vergleichbare Straftaten vor allem gegen Personen aus seinem unmittelbaren Umfeld zu erwarten sind.

2. Dem Inhalt des Urteils ist, anders als der Generalbundesanwalt meint, mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Strafkammer bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit von einer fehlenden Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten ausgegangen ist und die Anwendung des § 20 StGB nicht etwa rechtsfehlerhaft auf beide Alternativen, nämlich sowohl auf das Fehlen der Einsichtsfähigkeit als auch auf das Fehlen der Steuerungsfähigkeit gestützt hat (vgl. BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Das Landgericht hat sich mit den Ausführungen des Sachverständigen zum Krankheitsbild des Beschuldigten auseinandergesetzt und sich dessen Bewertung, - allein - die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei aufgrund einer paranoiden Schizophrenie und eines damit einhergehenden sekundären Alkoholmißbrauchs bei den Taten aufgehoben gewesen, angeschlossen (UA 12). Die Strafkammer hat bei Begründung des Schuldausschlusses, worauf der Generalbundesanwalt selbst zutreffend hinweist, wiederholt auf die fehlende Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten abgestellt. Es kann deshalb auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Formulierung im Rahmen der Darstellung des Sachverhalts, die "Einsichtsfähigkeit" des Beschuldigten sei infolge einer krankhaften seelischen Störung bei den verfahrensgegenständlichen Taten ausgeschlossen gewesen (UA 11), um ein offensichtliches Vergreifen im Ausdruck handelt.

Den Urteilsgründen können darüber hinaus sowohl die erforderlichen Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 20; BGH NStZ-RR 2003, 232) als auch die tatkausale Bedeutung der Erkrankung des Beschuldigten entnommen werden. Auch die Erwägungen des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Es ist vielmehr unter Würdigung des Werdegangs und der Erkrankung des Beschuldigten sowie der von ihm in zurückliegender Zeit begangenen rechtswidrigen Taten ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß von ihm infolge seines Zustandes auch künftig nicht nur Taten im untersten Bereich der Kriminalität, sondern auch gewichtigere Straftaten, insbesondere Aggressionsdelikte gegen Personen aus seinem näheren Umfeld, zu erwarten sind (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 9).

Ende der Entscheidung

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