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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.03.2005
Aktenzeichen: 4 StR 19/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 63
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 19/05

vom 15. März 2005

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. März 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum - Auswärtige Strafkammer Recklinghausen - vom 13. Oktober 2004 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten des Angeklagten bestehen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und der Körperverletzung wegen Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die die Maßregelanordnung betreffende Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im wesentlichen Erfolg.

Der Angeklagte hat die ihm vorgeworfenen Taten im April 2003 und im September 2003 begangen, wobei er jeweils aufgrund einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat.

Die Feststellungen zu den Körperverletzungsdelikten weisen keine Rechtsfehler auf und können deshalb bestehen bleiben. Die Annahme von Schuldunfähigkeit auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht ferner davon ausgegangen, daß die für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB weitere Voraussetzung eines fortdauernden Zustandes beim Angeklagten gegeben ist.

Gleichwohl hat der Maßregelausspruch keinen Bestand, weil die Strafkammer die für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, daß der Beschuldigte infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11 und 26). Diese Voraussetzung hat das Landgericht, dem Sachverständigen folgend, für gegeben angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es müsse seitens des Angeklagten mit weiteren Körperverletzungshandlungen "gerechnet" werden, da er sich von "Menschenhändlern" provoziert fühle. "Nicht ausgeschlossen werden" könne überdies, daß er sich mit Gegenständen oder "möglicherweise" auch mit Waffen gegen vermeintliche Verfolger zur Wehr setze. Abgesehen davon, daß letztere Erwägung nur eine Vermutung darstellt, belegt die Begründung des Landgerichts auch im übrigen lediglich die bloße Möglichkeit, nicht jedoch die vom Gesetz geforderte Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten. Denn der Angeklagte ist weder vor den Anlaßtaten noch danach bis zu seiner vorläufigen Unterbringung im Zentrum für Psychiatrie in Herten am 10. August 2004 strafrechtlich in Erscheinung getreten, obwohl seine Erkrankung seit Jahren, spätestens seit 1996, besteht und die aus ihr folgenden, das Handeln des Angeklagten beeinflussenden Wahnvorstellungen nicht nur bei den Anlaßtaten aufgetreten sind. Bei dieser Sachlage durfte sich die Strafkammer nicht darauf beschränken, die Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Taten allein aus der aktuellen Beurteilung des Krankheitszustandes durch den Sachverständigen herzuleiten. Vielmehr hätte die Entwicklung des Angeklagten unter dem Einfluß seiner Erkrankung eingehender als geschehen, insbesondere in Bezug auf sein Aggressionsverhalten, dargestellt werden müssen. Ob und in welcher Weise der Angeklagte über die Anlaßtaten hinaus insoweit Auffälligkeiten zeigte, ergeben die Urteilsgründe nicht.

Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher umfassender neuer Prüfung. Im Hinblick auf den für die Gefährlichkeitsprognose maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung wird der neue Tatrichter auch die weitere Entwicklung des Angeklagten im Rahmen der einstweiligen Unterbringung zu berücksichtigen haben.

Ende der Entscheidung

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