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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.10.1999
Aktenzeichen: 4 StR 391/99
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 229 Abs. 1
StPO § 254
BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichungen bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 391/99

vom

12. Oktober 1999

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. Oktober 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 19. Februar 1999 mit den Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 7 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; insoweit bleiben die zur Schuldfähigkeit und zum äußeren Sachverhalt getroffenen Feststellungen bestehen;

b) im Gesamtstrafenausspruch sowie

c) im Ausspruch über die Einziehung.

1. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und bestimmt, daß "die in seiner Wohnung aufgefundenen Betäubungsmittel ... der Einziehung (unterliegen)". Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestütze Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er in den Fällen II. 1 bis 6 der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Lediglich ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. August 1999 bemerkt der Senat:

Die Rüge, die Bestellung von Rechtsanwalt E. als "Sicherungsverteidiger" sei zu Unrecht nicht zurückgenommen worden, dringt schon deshalb nicht durch, weil es insoweit an dem notwendigen vollständigen Sachvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) fehlt. Die Revision versäumt nämlich, die Beschwerden des Angeklagten gegen die Bestellung und gegen die Ablehnung einer Entpflichtung von Rechtsanwalt E. und die hierauf ergangenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts vorzutragen. Dessen hätte es aber schon deshalb bedurft, weil sich daraus fortbestehende Gründe für die "zur Sicherung eines reibungslosen Fortgangs des Verfahrens erfolgte Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers" ergeben (vgl. Beschluß des Oberlandesgerichts Rostock vom 20. Januar 1999, SA Bd. XI Bl. 31 f.).

Zur Rüge, die Hauptverhandlung sei am 19. Februar 1999 trotz krankheitsbedingter Abwesenheit des "Wahlpflichtverteidigers", Rechtsanwalt M. , und entgegen einem an diesem Hautpverhandlungstag von dem Angeklagten selbst gestellten Aussetzungsantrag zu Ende geführt worden, trifft der Vortrag der Revision, als "regulärer" Hauptverhandlungstermin sei noch der 26. Februar 1999 vorgesehen gewesen, nicht zu. Der 26. Februar 1999 war nur "vorsorglich" als Verhandlungstag in Aussicht genommen (SA Bd. XI Bl. 2). Die Vorsitzende der Strafkammer hatte die Beteiligten - was die Revision vorzutragen unterläßt - am vorletzten Verhandlungstag darauf hingewiesen, sie sollten sich "auf einen langen Freitag einrichten, da Plädoyers und Urteilsverkündung auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen" (Protokoll vom 15. Februar 1999, SA Bd. XII Bl. 24). Dies bestätigt, daß der "Verhandlungsabschluß" für Freitag, den 19. Februar 1999 "mit allen Beteiligten besprochen" war (Protokoll vom 19. Februar 1999, SA aaO Bl. 25). Unter diesen Umständen ist es unbeschadet der Krankmeldung von Rechtsanwalt M. im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß das Landgericht die Hauptverhandlung nicht noch einmal unterbrochen hat, nachdem der zweite Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt E. , erklärt hatte, "daß er heute plädieren könne" (Protokoll aaO Bl. 24). Daß Rechtsanwalt E. hierfür nicht ausreichend vorbereitet oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Verteidigung sachgerecht wahrzunehmen (vgl. BGHR StPO § 145 Abs. 1 Weigerung 1 und 2, § 265 Abs. 4 Verteidigung, angemessene 5), behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Das Landgericht brauchte in dem Verfahrensstadium, in dem sich die Sache nach siebentägiger Hauptverhandlung befand, das Risiko einer Aussetzung des Verfahrens wegen Verhinderung von Rechtsanwalt M. nicht einzugehen (vgl. BGH StV 1992, 53), zumal die ursprünglich für November 1997 terminierte Hauptverhandlung - was die Revision in anderem Zusammenhang mit Blick auf das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ausdrücklich beanstandet - bereits zweimal vertagt worden war. Im übrigen ergibt sich weder aus dem mitgeteilten Protokoll noch trägt die Revision sonst vor, daß die - zudem nur fernmündlich erklärte - Krankmeldung von Rechtsanwalt M. mit einem Hinweis über Art und voraussichtliche Dauer der Erkrankung verbunden war. Das wäre aber erforderlich gewesen, um abschätzen zu können, ob die Hauptverhandlung innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO mit Rechtsanwalt M. fortgesetzt werden konnte. Ob sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Ärzte Dres. A. und H. vom 18. Februar 1999 ergibt, daß Rechtsanwalt M. jedenfalls am 26. Februar 1999 zur Wahrnehmung der Verteidigung imstande gewesen wäre, kann dahinstehen. Der Beschwerdeführer hat diese für "M. -K. " ausgestellte Bescheinigung, wonach der Patient "voraussichtlich bis einschließlich 22.02.99" arbeitsunfähig sei, erst mit der Revisionseinlegungsschrift vorgelegt. Er hat diese Bescheinigung aber nicht auch - wie erforderlich (Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 39 m.N.) - zum Inhalt seiner Revisonsbegründung gemacht. Deshalb fehlt es insoweit auch an einem vollständigen Sachvortrag zu der Verfahrensbeschwerde (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Ohne Erfolg beanstandet die Revision die Ablehnung der beiden am letzten Hauptverhandlungstag gestellten, die Verurteilung im Fall II. 7 der Urteilsgründe betreffenden Beweisanträge durch die Strafkammer, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher ausgeführt hat. Auf die weiteren Verfahrensrügen kommt es dagegen nicht an, weil ein durchgreifender sachlichrechtlicher Mangel zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 7 und des Gesamtstrafenausspruchs führt.

Ohne Rechtsfehler hat sich das Landgericht im Fall II. 7 allerdings die Überzeugung verschafft, daß die "28,104 Gramm Kokaingemisch" (UA 8), und damit "alles in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Kokain am 18.4.1997 aus der unmittelbar zuvor erfolgten Lieferung durch S. und B. stammte" (UA 15). Dennoch kann die Verurteilung in diesem Fall wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht - wie die Revision zu Recht beanstandet - keine Feststellungen darüber getroffen hat, welcher Anteil der von dem Angeklagten in der Tatnacht erworbenen Kokainmenge für den Eigenkonsum und welcher zur Weiterveräußerung bestimmt war. Dahingehende Feststellungen zu treffen, bestand deshalb Anlaß, weil der Angeklagte "in allen Fällen des Erwerbes von Kokain dieses auch - zumindest teilweise - weiterverkaufen wollte" (UA 20). Als Handelsmenge durfte ihm schon im Hinblick auf den vom Landgericht als erfüllt angesehenen Tatbestand nur der Anteil des Kokains angelastet werden, den der Angeklagte zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen hatte (BGH StV 1996, 214, 215). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist es auch nicht ohne rechtliche Bedeutung, ob und inwieweit die Lieferung des Kokains auf einem "Sammelkauf .. unter .. Gleichgesinnten" beruhte, wie dies der Angeklagte in seinem - gemäß § 254 StPO verlesenen (UA 11) - Geständnis beim Ermittlungsrichter behauptet hat, das die Revision im Rahmen einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge vollständig vorträgt. Denn ein eigennütziges, auf Betäubungsmittelumsatz gerichtetes Handeln ist nicht im bloßen gemeinsamen Einkauf größerer Mengen für den Eigenbedarf mehrerer Drogenkonsumenten zu sehen, auch wenn dadurch ein günstigerer Einkaufspreis erzielt wird (BGHR BtMG § 29 Abs.1 Nr. 1 Handeltreiben 33). Schon deshalb waren Festststellungen zum Verkaufsanteil in diesem Fall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, denn es versteht sich nicht von selbst, daß die Handelsmenge die nicht geringe Menge erreichte oder überschritt, zumal die in der Jackentasche befindlichen, verkaufsfertig abgepackten Portionen zusammen nur ein Nettogewicht von 4,5 g mit einem Kokainhydrochloridanteil von 3,05 g aufwiesen (UA 10), mithin deutlich unterhalb der Grenze der nicht geringen Menge von 5 g des Wirkstoffs (BGHSt 33, 133) lagen. In diesem Fall käme ein Schuldspruch nur wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Betracht (vgl. BGH NStZ 1994, 548; BGH, Beschluß vom 28. Januar 1998 - 2 StR 641/97 - und Urteil vom 16. Juli 1998 - 4 StR 174/98; Weber BtMG § 29 a Rdn. 144).

4. Von dem aufgezeigten Rechtsfehler sind die zur Schuldfähigkeit des Angeklagten und die zum äußeren Sachverhalt im Fall II. 7 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen unberührt, die deshalb bestehen bleiben können. Im übrigen zieht die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 7 die Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelstrafe von einem Jahr sechs Monaten Freiheitsstrafe, die zugleich die Einsatzstrafe ist, und der Gesamtstrafe nach sich.

5. Auch die Einziehungsanordnung hat keinen Bestand. Die einzuziehenden Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, daß für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (BGHR StGB § 74 Abs. 1 Urteilsformel 1; BGH, Beschluß vom 22. Januar 1993 - 3 StR 536/92). Handelt es sich um Betäubungsmittel, so bedarf es grundsätzlich der Angabe von deren Art und Menge, weil nur dann ersichtlich ist, um welche Gegenstände es sich handelt. Dem wird die Kennzeichnung als "die in seiner Wohnung aufgefundenen Betäubungsmittel" nicht gerecht. Die Einziehungsanordnung ist deshalb neu zu treffen.

Ende der Entscheidung

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