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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: 4 StR 49/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StGB § 258
StGB § 258 a
StGB § 332
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 49/04

vom 4. Mai 2004

in der Strafsache

gegen

wegen Bestechlichkeit

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Mai 2004 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 8. Juli 2003 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 52.519,90 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat weder zum Schuldspruch noch zum Rechtsfolgenausspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. März 2004, die durch die Gegenerklärung im Schriftsatz der Verteidigung vom 1. April 2004 nicht entkräftet werden.

Lediglich ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

1. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten zu Recht der Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB) in zwei Fällen für schuldig befunden.

a) Der Angeklagte war Sachgebietsleiter für den Bereich Elektrotechnik im F. D. bzw. - nach der zum 1. Januar 1993 vollzogenen Zusammenlegung der Behörden - im S. B. D. . Neben der Erstellung der Leistungsverzeichnisse bei der Vergabe von Arbeiten gehörte zu den Aufgaben des Sachgebietsleiters, die von dem ihm nachgeordneten Sachbearbeiter seines jeweiligen Fachbereichs bei beschränkten Ausschreibungen, Einzelaufträgen und auch Rahmenzeitverträgen erstellten Firmenvorschlagslisten zu prüfen und dem Sachgebietsleiter der "Bautechnischen Verwaltung" zur Prüfung vorzulegen. Letzterer - im Tatzeitraum der bereits rechtskräftig verurteilte K. - war in der Lage, auf alle Ausschreibungen und Vergaben Einfluß zu nehmen; er war insbesondere berechtigt, von den Firmenvorschlagslisten Namen von Unternehmen zu streichen oder zusätzliche hinzuzufügen. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich im Laufe der Zeit innerhalb der Bauverwaltung ein "System von Vorteilsannahmen und -gewährungen und die damit verbundene Bevorzugung diverser Unternehmen" bei der Vergabe von Aufträgen.

Zu dem "Korruptionsgeflecht" gehörte auf seiten der Unternehmer auch der im Bereich "Schlosserarbeiten/Metallbau" tätige Unternehmer und frühere Mitangeklagte R. , den der Angeklagte bereits Mitte der achtziger Jahre für den Kegelverein geworben hatte, der zum einen aus Beamten und Angestellten des B. und zum anderen aus Unternehmern bestand, die für das B. tätig waren. Auch R. beteiligte sich über Jahre hinweg an dem "System", in dem Ausschreibungen bzw. Submissionen so gesteuert wurden, daß seine Firma "am Ende als günstigste Bieterin galt und den Auftrag bekam". Von dieser "manipulativen Vergabe" an R. hatte auch der Angeklagte Kenntnis. Diesen Umstand nutzte er für sich aus, "um seinerseits von dem im Amt alteingesessenen Korruptions- und Manipulationssystem zu profitieren", indem er von R. die kostenlose Erstellung eines Wintergartens für sein Haus und in dem weiteren Fall die Übernahme der Kosten für den Einbau von zwei Giebelfenstern in seinem Haus verlangte. Tatsächlich kam es zur Ausführung dieser Baumaßnahmen, die ein Gesamtauftragsvolumen von 93.720 DM zuzüglich der von der Firma des R. selbst erstellten Stahlkonstruktion für den Wintergarten im Wert von 9.000 DM hatten. Die Kosten wurden von R. getragen.

b) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht bei dieser Sachlage eine auf eine pflichtwidrige Diensthandlung bezogene Unrechtsvereinbarung zwischen dem Angeklagten und R. angenommen. Hierzu heißt es im angefochtenen Urteil:

"Selbstverständlich wäre es schon aufgrund seiner Position seine Dienstpflicht gewesen, solche Manipulationen zu verhindern und sie zu diesem Zweck an höherer Stelle bekanntzumachen. Dies tat er aber bewußt und in - zumindest stillschweigender - Abstimmung mit dem früheren Mitangeklagten R. nicht. (...) Ohne daß dies zwischen R. und dem Angeklagten ausdrücklich besprochen werden mußte, war R. klar, daß der Angeklagte innerhalb des B. D. über erhebliche Einflußmöglichkeiten verfügte. Von daher ging der frühere Mitangeklagte R. davon aus, daß für den Fall, daß er das Ansinnen des Angeklagten ablehnen würde, dieser auf irgendeine Weise dafür Sorge tragen werde, daß sein - R. s - Unternehmen in Zukunft die Zeitverträge nicht mehr erhalten werden. Dies konnte der Angeklagte z.B. dadurch verhindern, daß er seiner Dienstpflicht entsprechend die ihm bezüglich der Manipulationen bekanntgewordenen Tatsachen zur Anzeige brachte. (...) Zugleich nahm R. an, daß seine Zustimmung zu dem Ansinnen des Angeklagten die sichere Gewähr dafür bieten würde, daß 'alles beim alten' bleiben und sein Unternehmen auch weiterhin auf dieselbe Art und Weise wie in der Vergangenheit regelmäßig die Zeitverträge ... erhalten werde" (UA 37).

Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken, die der Revision zum Erfolg verhelfen können. Zwar wendet der Beschwerdeführer zu Recht ein, daß die Vergabe von Aufträgen im Bereich Metallbau, in dem R. für die Bauverwaltung tätig wurde, nicht zu dem engeren Aufgabenkreis des Angeklagten gehörte. Die Feststellungen belegen aber, daß der Angeklagte auch in seinem engeren Aufgabengebiet im Bereich Elektrotechnik seine Position zum eigenen Vorteil ausnutzte. Denn im Zusammenhang mit der Erstellung des Wintergartens veranlaßte er den mit ihm befreundeten Inhaber der Elektrofirma Sch. , K. , im Gegenzuge Elektroartikel im Wert von 10.000 DM unentgeltlich an R. zu liefern, eine Forderung, die K. nur deshalb erfüllte, "da er seinerseits als Unternehmer im Bereich Elektro, der viele Aufträge des B. erhielt, den Sachgebietsleiter Elektro [d.h. den Angeklagten] nicht verärgern wollte" (UA 41).

Davon unabhängig hat das Landgericht nach Auffassung des Senats rechtlich zutreffend eine Dienstpflicht des Angeklagten bejaht, das ihm bekannte Korruptionssystem bei der vorgesetzten Behörde anzuzeigen oder auf sonstige geeignete Weise den stattfindenden Manipulationen entgegenzutreten, wie es der Bundesgerichtshof bislang jedenfalls für den Vorgesetzten im Rahmen seiner Dienstaufsicht angenommen hat (BGH NStZ 1999, 560). Allgemein verletzt der Beamte seine Treue-, Beratungs- und Unterstützungspflicht (§§ 52, 55 BBG), wenn er es unterläßt, korruptionsverdächtige Umstände oder sogar klar erkennbares Korruptionsgeschehen seinen Vorgesetzten zu melden (Weiß in Fürst GKÖD Bd. II Teil 2 J 688 Rdn. 77). Dies gilt in erster Linie für den Bereich, in dem dem Beamten Aufgaben zur Erledigung in eigener Zuständigkeit übertragen sind. Im beamtenrechtlichen Schrifttum wird die Unterstützungspflicht des Beamten aber weiter gezogen mit der Folge, daß auch der Beamte, der außerhalb seines eigentlichen Aufgabenkreises von einem Fehlverhalten eines Kollegen erfährt, verpflichtet sein kann, den Vorgesetzten hierauf aufmerksam zu machen (Claussen/Janzen Bundesdiziplinarordnung 8. Aufl. Einleitung C Rdn. 37 b). Allerdings wird dies nur bei schweren Verfehlungen, die die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gefährden, angenommen werden können (Claussen/Janzen aaO). Doch hätte der Senat keine Bedenken, dies im Fall eines Korruptionsgeflechts von dem hier festgestellten Ausmaß auch schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) zu bejahen. Diese Auffassung steht auch nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung, derzufolge außerhalb des Bereichs, der Amtsträgern der Strafverfolgung zugewiesen ist, für Beamte keine allgemeine Pflicht besteht, ihnen bekannt gewordene Straftaten bei den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen (vgl. BGHSt 43, 82, 85). Denn dies schließt lediglich eine nach §§ 258, 258 a StGB strafbewehrte Pflicht zur Mitwirkung an der Strafverfolgung aus, berührt aber die beamtenrechtliche Pflicht zur innerbehördlichen Abwehr von gravierendem Fehlverhalten nicht.

Bestand aber für den Angeklagten hier eine dienstliche Pflicht, die vorgesetzte Behörde über das Korruptionsgeflecht im B. zu unterrichten, so war das in die Unrechtsvereinbarung einbezogene Unterlassen der Anzeige dienstpflichtwidrig, so daß hinsichtlich des Angeklagten § 332 StGB eingreift (Kuhlen in NK-StGB 11. Lfg. § 336 Rdn. 3).

c) Letztlich kann der Senat jedoch dahingestellt sein lassen, ob den Angeklagten die Dienstpflicht traf, Manipulationen bei der Auftragsvergabe, die nicht den ihm zugewiesenen Bereich Elektrotechnik betrafen, zu verhindern, ob also die pflichtwidrige Diensthandlung als Äquivalent für die dem Angeklagten von R. gewährten Vorteile nur in einem Unterlassen zu sehen ist. Denn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann der Senat entnehmen, daß zwischen dem Angeklagten und R. - zumindest stillschweigend - klar war, daß der Angeklagte innerhalb des B. auf die Berücksichtigung des R. bei der Auftragsvergabe "auf irgendeine Weise" (UA 37) Einfluß nehmen würde. Nach den Feststellungen verhielt es sich innerhalb des Korruptionsgeflechts in der B. so, daß die korruptiven Forderungen "von den Unternehmern erfüllt werden mußten, da jedem klar war, daß er sonst an Ausschreibungen nicht mehr teilzunehmen brauchte, weil er aus vorgeschobenen Gründen nicht berücksichtigt werden würde. Im Gegenzug zeigten sich die involvierten Bediensteten des B. auch von sich aus 'gefällig' "(UA 17). Diese Feststellungen müssen über den Kreis der dort bezeichneten Mitarbeiter der B. hinaus auch auf den Angeklagten bezogen werden, der in das Korruptionsgeflecht eingebunden war. Die damit von dem Angeklagten gegenüber R. in Aussicht gestellte aktive Einflußnahme, die Berücksichtigung von dessen Unternehmen bei der Auftragsvergabe von dessen Bereitschaft abhängig zu machen, auf die korruptiven Forderungen einzugehen, verletzte in jedem Fall die Dienstpflichten des Angeklagten.

2. Auch der Ausspruch über den Verfall hat Bestand. Insoweit hat das Landgericht in bezug auf den Wintergarten, wie die Revision zu Recht vorträgt, nicht nur 83.720 DM zugrundegelegt, sondern auch weitere 9.000 DM für die von R. unmittelbar gelieferte Stahlkonstruktion in Ansatz gebracht. Soweit der Beschwerdeführer darin einen Widerspruch zu den Ausführungen auf UA 71 sieht, wonach "R. über sein Unternehmen dem Angeklagten im Zusammenhang mit dem Wintergarten finanzielle Vorteile in Höhe von 83.720 DM ... hat zukommen lassen", liegt dem ein Mißverständnis zugrunde. Denn das Landgericht hat - wie der nachfolgende Halbsatz belegt - "an dieser Stelle" den Wert der von R. gelieferten Stahlkonstruktion außer Betracht gelassen, weil R. dafür als "Kompensation" auf Veranlassung des Angeklagten kostenlos das Elektromaterial im etwa gleichen Wert von der Firma Sch. erhielt. Damit hat das Landgericht lediglich die effektive Belastung des R. durch die an den Angeklagten gewährten Vorteile berechnet, "an dieser Stelle" aber nicht den Wert des dem Angeklagten zugeflossenen Vorteils. Daß bei diesem der Wert der von R. gelieferten Stahlkonstruktion nicht deshalb außer Betracht bleiben kann, weil der Angeklagte zur Verschleierung und zum "Ausgleich" ersichtlich ebenfalls aufgrund korruptiver Beziehung die kostenlose Lieferung von Elektromaterial durch K. an R. veranlaßte, liegt auf der Hand.

Ende der Entscheidung

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