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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.01.2005
Aktenzeichen: 4 StR 520/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 349 Abs. 1
StPO § 346 Abs. 1
StPO § 273 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 520/04

vom 5. Januar 2005

in der Strafsache

gegen

wegen Vorteilsannahme

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Januar 2005 gemäß §§ 44, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Landgerichts Bochum vom 11. Oktober 2004, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. August 2004 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben.

Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil und sein Antrag, ihm nach Versäumung der Frist zur Einlegung dieses Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, werden als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten der Revision zu tragen.

Gründe:

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift folgendes ausgeführt:

"Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorteilsannahme in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das am 12. August 2004 verkündete Urteil hat der Angeklagte, der im Anschluss an die Urteilsverkündung nach Rücksprache mit seinen Verteidigern auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet hat, mit Schreiben vom 27. August 2004, beim Landgericht eingegangen am 31. August 2004, über seinen Verteidiger Revision eingelegt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit Beschluss vom 11. Oktober 2001 (richtig: 2004), bei dem Verteidiger eingegangen am 13. Oktober 2004, hat das Landgericht die Revision unter Hinweis auf die Versäumung der Einlegungsfrist und den Rechtsmittelverzicht nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2004, eingegangen beim Landgericht am 20. Oktober 2004, hat der Angeklagte über seinen Verteidiger die Herbeiführung der Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt. Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Die Revision ist wegen des vom Angeklagten wirksam erklärten Rechtsmittelverzichts als unzulässig zu verwerfen (§ 302 Abs. 1 Satz 1, § 349 Abs. 1 StPO).

Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls hat der Angeklagte nach Rechtsmittelbelehrung und Rücksprache mit seinen Verteidigern auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet (Bl. 17R Protokollband). Diese Verzichtserklärung wurde anschließend gemäß § 273 Abs. 3 StPO vorgelesen und von dem Angeklagten genehmigt (Bl. 17R Protokollband).

Es bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Verzichtserklärung. Insbesondere ist trotz der Ausführungen des Angeklagten, er sei durch eine akute Belastungsreaktion in seiner natürlichen Einsichtsfähigkeit und freien Willensentscheidung derart eingeschränkt gewesen, nicht davon auszugehen, dass er bei Abgabe der Verzichtserklärung nicht verhandlungsfähig gewesen oder dass ihm deren Tragweite nicht bewusst gewesen sein könnte (vgl. BGHSt 17, 14, 18f.; BGH NJW 1999, 2449, 2451; NStZ-RR 1997, 173). Ob der Angeklagte zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung verhandlungsfähig war, ist durch das Revisionsgericht im Freibeweisverfahren zu beurteilen (BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 16). Zwar wurde der Angeklagte ausweislich der fachärztlichen psychiatrischen Bescheinigung von Dr. med. Thomas F. vom 30. August 2004 am 12. August 2004 nach der Urteilsverkündung, nachdem er seinem Vorgesetzten Bericht erstattet und zwei Flaschen Wein getrunken hatte, in intoxiertem Zustand in die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des evangelischen Krankenhauses L. stationär eingewiesen, wo ein intoxiertes und akutes suizidales Zustandsbild diagnostiziert wurde. Dies lässt jedoch nicht den zwingenden Schluss zu, dass ihm bereits während der Hauptverhandlung die genügende Einsichtsfähigkeit fehlte. Nach den Ausführungen der Kammer im Rahmen ihres Beschlusses vom 11. Oktober 2004 hatte sich der Angeklagte zu Beginn des Strafverfahrens zwar nervlich stark belastet gezeigt, diese Nervosität, die sich in der Bitte nach einem Schluck Wasser geäußert habe, jedoch zunehmend abgelegt. Er zeigte sich in der Lage, sich sachgerecht zu verteidigen und äußerte sich umfänglich zu den Tatvorwürfen. Die Art seines Einlassungsverhaltens und die Einlassungsinhalte gaben weder der Kammer noch den Verteidigern Anlass, an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten zu zweifeln. Selbst am letzten Verhandlungstag - im Bewusstsein einer Verurteilung von über einem Jahr - sei weder ein lethargisches noch ein apathisches Verhalten aufgefallen. Vielmehr habe er sich aktiv an diesem Sitzungstag am Prozessgeschehen beteiligt. Im Rahmen seines letzten Wortes habe er sich nochmals zum Unrecht seines Verhaltens geäußert und sein Bedauern bekundet. Angesichts dieser Umstände muss von einer Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten ausgegangen werden. Ein erst nach der Verhandlung, dem Bericht gegenüber seinem Vorgesetzten sowie dem Genuss von zwei Flaschen Wein eingetretener Zusammenbruch des Angeklagten, der zu seiner Einweisung in die Psychiatrie führte, ist nicht auszuschließen.

Der nach alledem wirksame Verzicht auf Rechtsmittel kann nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (ständ. Rspr.; vgl. BGH NStZ 1984, 181; 1999, 258, 259; 1999, 526). Er hat somit die Unzulässigkeit der Revision zur Folge. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist insofern kein Raum (vgl. BGH NStZ 1997, 611, 612; 1999, 526), sodass auch der hierauf gerichtete Antrag des Angeklagten zu verwerfen ist.

Der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 11. Oktober 2004 nach § 346 Abs. 1 StPO ist demzufolge aufzuheben. Da der Angeklagte nach Urteilsverkündung wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat, fehlt es an der Zuständigkeit des Tatgerichts für die Verwerfung der Revision (BGH NJW 1984, 1974, 1975; NStZ 1999, 526; NStZ-RR 1997, 173; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 346 Rdnr. 2)."

Dem schließt sich der Senat an.



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