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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.04.2003
Aktenzeichen: 4 StR 78/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 154 Abs. 2
StPO § 206 a Abs. 1
StPO § 264 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 78/03

vom

10. April 2003

in der Strafsache

gegen

wegen sexuellen Mißbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. April 2003 gemäß § 206 a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 3. September 2002 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren in zwei Fällen (Fälle II 1 und 3 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil, soweit der Angeklagte verurteilt ist, dahin geändert, daß der Angeklagte wegen sexuellen Mißbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im übrigen wegen sexuellen Mißbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Für die Verurteilung wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren in zwei Fällen fehlt es - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - an der Verfahrensvoraussetzung einer zugelassenen Anklage.

In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift waren dem Angeklagten sexueller Mißbrauch eines Kindes sowie zwei Fälle der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Jugendlichen zur Last gelegt worden. Ihm wurde vorgeworfen, im Frühjahr/Sommer 1998 gelegentlich der Übernachtung von Kindern und Jugendlichen in seiner Wohnung an dem damals 13jährigen Manos S. sexuelle Handlungen vorgenommen (Fall 1) und zweimal die damals 15jährige Ruth V. sexuell genötigt zu haben (Fälle 2 und 3). Das Landgericht hat den Fall 2 der Anklage in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Vom Vorwurf im Fall 1 hat es den Angeklagten freigesprochen, wegen der zweiten Tat zum Nachteil der Jugendlichen Ruth V. (Fall 3) hat es ihn verurteilt. Außerdem hat es den Angeklagten schuldig gesprochen, jeweils vor den in der Anklageschrift zu 1 und 3 geschilderten Vorfällen mit mehreren in seiner Wohnung anwesenden Kindern und Jugendlichen Haschisch, das überwiegend von ihm stammte, konsumiert und damit Personen unter 18 Jahren unerlaubt Betäubungsmittel überlassen zu haben.

Diese Sachverhalte sind in der Anklageschrift nicht geschildert. Anklage und Urteil betreffen insoweit auch nicht dieselben Taten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Zu ihr gehört nicht nur das tatsächliche Geschehen, wie es Anklage und Eröffnungsbeschluß beschreiben, sondern auch das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet.

Im Anklagesatz werden hinsichtlich der Fälle 1 und 3 ausschließlich sexualbezogene Übergriffe geschildert. Es handelt sich mithin um geschichtliche Vorgänge, die sich von dem abgeurteilten unerlaubten Überlassen von Betäubungsmitteln an Manos S. , Diana A. und Vahdettin B. (Fall II 1 der Urteilsgründe) bzw. an Konstantin J. und Rainer R. (Fall II 3 der Urteilsgründe) unterschieden und die auch in keiner weiteren Verbindung zu den sexuellen Handlungen stehen.

Das Verfahren ist daher, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren in zwei Fällen verurteilt ist, einzustellen (§ 206 a Abs. 1 StPO). Dies hat die Änderung des Schuldspruchs sowie den Wegfall zweier Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Die wegen der ausgeurteilten Mißbrauchstat verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten wird von dem Rechtsfehler nicht berührt; sie kann deshalb bestehenbleiben.

Ende der Entscheidung

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