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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 5 StR 156/06
Rechtsgebiete: StGB, MRK


Vorschriften:

StGB § 246 Abs. 2
StGB § 46 Abs. 2
MRK Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

5 StR 156/06

vom 6. September 2006

in der Strafsache

gegen

wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 5. und 6. September 2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter Basdorf,

Richter Dr. Raum, Richter Dr. Brause, Richterin Elf, Richter Dr. Jäger als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

am 6. September 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Januar 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Unterschlagung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung in sechs Fällen freigesprochen. Die von der Bundesanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die Freisprechung des Angeklagten und dagegen, dass das Landgericht die Unterschlagungen nicht als veruntreuende im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB gewürdigt hat. Der Angeklagte erstrebt mit seiner Revision die Aufhebung der Verurteilung. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

a) Der jetzt 28 Jahre alte Angeklagte ist gelernter Wasserbautechniker. Nach Tätigkeiten als Kurierfahrer und Versicherungsmakler wurde er am 26. November 2001 Gesellschafter und Geschäftsführer der NAGS (NAGS) in Berlin. Dieses Handelsunternehmen hatte der gesondert verfolgte, einschlägig wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte S. zu dem Zweck gegründet, durch einen fingierten Handel mit Computerprozessoren Umsatzsteuer zu hinterziehen.

b) S. verschaffte der NAGS zwischen Februar und Juli 2002 135 total gefälschte, auf die Firma H. AG in Berlin als Ausstellerin lautende Eingangsrechnungen über gelieferte Computerprozessoren mit einer Rechnungssumme von insgesamt fast 33,4 Mio. Euro zuzüglich eines Umsatzsteuerausweises in Höhe von rund 5,3 Mio. Euro. Die beiden ersten Rechnungen vom 19. und 25. Februar 2002 lauteten jeweils über 487.470 Euro zuzüglich 77.995,20 Euro Umsatzsteuer. Die übrigen 133 Rechnungen wiesen jeweils 243.735 Euro zuzüglich 38.997,60 Euro Umsatzsteuer aus. Alle Rechnungen ab dem 25. Februar 2002 trugen der Wahrheit widersprechende Scheck- und Barzahlungsvermerke. Auch die Rechnung vom 19. Februar 2002 war mit einer Quittung versehen. Auf keinem der Geschäftskonten der NAGS wurden den Schecksummen entsprechende Belastungen festgestellt. Es fanden auch keine Barzahlungen an die H. AG statt.

S. organisierte tatsächlich auch 135 Lieferungen elektronischer Bauteile unbekannter, aber jedenfalls minderwertiger Art durch einen angeblichen Mitarbeiter Sc. der Firma H. AG. Er verkaufte die Bauteile als Computerprozessoren des Typs PT 4 - E 2 des Herstellers AMD an die deutschen Exportunternehmen ACG AG (ACG; 101 Lieferungen) und WIN KG (WIN; 34 Lieferungen) mit Ausgangsrechnungen der NAGS über fast 34,4 Mio. Euro zuzüglich ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,5 Mio. Euro zum umsatzsteuerfreien Export an die Firma EM. in Malaysia. In jenem Unternehmen saßen Vertrauensleute des S. , die zunächst das Interesse der deutschen Exportunternehmen an der Abwicklung des angeblichen Großauftrags der nicht selbst exportierenden NAGS geweckt hatten; naheliegend entfernten sie die Warenlieferungen und die Rechnungen der Exporteure im Interesse S. s aus dem Geschäftsgang des Unternehmens. Die Rechnungen der ACG und WIN wurden jedenfalls nicht von der EM. bezahlt.

Die Zahlungen an die Exporteure und die NAGS erfolgten tatsächlich entsprechend einem von S ersonnenen Zahlungskreislauf, in den der Angeklagte eingebunden war: Er unterzeichnete für die NAGS einen mit den Zeugen K. , Ko. und N. abgeschlossenen Darlehensvertrag über 260.000 Euro zum Ankauf der Computerprozessoren bei der H. AG zu einem monatlichen Zinssatz von 4,5 %. Die Darlehenssumme wurde auf ein Konto der eine GbR bildenden Zeugen bei der Hypo-Vereinsbank in Berlin eingezahlt, aber nicht bestimmungsgemäß verwendet. Jeweils einer dieser Zeugen überwies vielmehr als angeblicher Treuhänder der EM. an die ACG oder WIN vor jeder Lieferung den jeweiligen Betrag der Rechnungen der Exporteure über fast 259.000 Euro als angebliche Vorauszahlung der EM. . Die Exportunternehmen überwiesen sodann nach Anzeige des Wareneingangs durch ihre Spediteure die in den Rechnungen der NAGS ausgewiesenen Bruttobeträge über jeweils rund 291.000 Euro telegrafisch auf ein Konto der Hypo-Vereinsbank in Berlin, über das die NAGS, vertreten durch den Angeklagten, und der Zeuge K. gemeinsam verfügungsbefugt waren.

Hierdurch erlangte S. Zugriff auf die von der ACG und WIN gezahlten Bruttobeträge einschließlich Umsatzsteuer, während die angeblich für die EM. geleisteten Zahlungen Ausfuhrlieferungen betrafen und keine Umsatzsteuer enthielten (§ 4 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 UStG). Sobald die Bank den Zahlungseingang angezeigt hatte, gab der Angeklagte die noch bei den Speditionen der Exporteure lagernde Ware zur Ausfuhr frei. Der Angeklagte begab sich dann jeweils mit einem Vertreter der Kreditgeber zur Bank. Sie veranlassten gemeinsam zwei Barauszahlungen über jeweils 259.000 Euro und etwa 32.000 Euro. Der Vertreter der Darlehensgeber zahlte sogleich auf das Konto der GbR 259.000 Euro in bar ein. Dieses Geld stand damit für die nächste "Vorauszahlung" an die ACG oder WIN zur Verfügung. Der Angeklagte zahlte auf ein anderes Geschäftskonto der NAGS jeweils 32.000 Euro ein. Von diesem Konto hob der Angeklagte zwischen dem 21. Februar und 17. Juli 2002 - nach jeder Zahlung der Exporteure - insgesamt etwa 2 Mio. Euro in bar ab. Dieses Geld übergab er S. .

Der Steuerberater Kr. erstellte mit den gefälschten Eingangsrechnungen und den an die ACG und WIN gerichteten Ausgangsrechnungen, die ihm der mit der vorbereitenden Buchführung der NAGS betraute Zeuge He. übergab, für die Monate Februar bis Juli 2002 die Umsatzsteuervoranmeldungen für die NAGS. Diese wurden zwischen dem 3. April und 2. Oktober 2002 beim Finanzamt eingereicht. Sie führten zu einer Verkürzung der von der NAGS zu entrichtenden Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,3 Mio. Euro.

c) Der Angeklagte schloss auf Weisung des S. am 23. April und 14. Mai 2002 Leasingverträge über je ein Firmenfahrzeug ab. Ein Pkw Mercedes-Benz CLK Cabrio (Preis 54.000 Euro) wurde für den Angeklagten, ein weiterer S 600 lang (Kaufpreis 112.000 Euro) für S. beschafft. Am 6. Juni 2002 erwarb der Angeklagte für die NAGS einen überwiegend kreditfinanzierten PKW BMW Coupé 330 Ci A für 49.000 Euro, der von T. , einem weiteren Mitarbeiter der NAGS, genutzt wurde. Auch den Zeugen A. , Ha. , He. , Hä. und A. standen vom Angeklagten beschaffte, im Eigentum Dritter stehende Firmenfahrzeuge zur Verfügung.

Ende Juli, spätestens im Laufe des August 2002 stellte die NAGS ihre Geschäftstätigkeit auf Weisung des S. ein. Der Angeklagte übte die ihm kraft Gesetzes zugewiesene Funktion eines Liquidators nicht aus. Er überließ die Firmenfahrzeuge der alleinigen Verfügung durch S. . Der Angeklagte und S. reisten später nach einem Aufenthalt in der Schweiz nach Dubai. Auf Weisung des S. versandte der Zeuge Ha. im September oder Oktober 2002 die von dem Angeklagten, S. und T. in Deutschland genutzten Pkw per Luftfracht nach Dubai. Dort übernahmen der Angeklagte und S. ihre Fahrzeuge wieder. Der Angeklagte nutzte das Cabrio noch einige Zeit, bis es von S. einem Geschäftsfreund geschenkt wurde. Nach Auftreten von Zahlungsrückständen kündigten die Leasinggeber und die finanzierende Bank im Dezember 2002 die mit der NAGS abgeschlossenen Verträge. Die übrigen Firmenfahrzeuge wurden nach Ablauf der den Besitz begründenden Verträge an die Kfz-Händler zurückgegeben.

d) Der Angeklagte wurde am 9. August 2003 in Dubai wegen Drogenbesitzes und Drogenkonsums zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und nach Teilverbüßung dieser Strafe am 23. Dezember 2003 nach Deutschland ausgeliefert.

2. Der Angeklagte hat sich hinsichtlich der Vorwürfe der Unterschlagungen damit verteidigt, er habe Versprechungen S. s vertraut, dieser werde die zwischen der NAGS und den Sicherungsnehmern abgeschlossenen Verträge übernehmen und für eine Weiterzahlung der Raten sorgen. Solches hat das Landgericht als Schutzbehauptung widerlegt, weil der Angeklagte alle Fahrzeuge der von ihm nicht zu kontrollierenden Willkür S. s überantwortet und dadurch die konkrete Gefahr einer dauerhaften Enteignung der Eigentümer bewirkt habe.

Demgegenüber hat das Landgericht hinsichtlich der mittäterschaftlich angelasteten Steuerhinterziehungen die Einlassungen des Angeklagten als nicht mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit widerlegt erachtet. Insoweit hat sich der Angeklagte darauf berufen, er sei zwar von S. gesteuerten, aber realen Handelsgeschäften mit großen Gewinnspannen ausgegangen. Von den an S. bar übergebenen Geldern seien jeweils 25.000 Euro an den Lieferanten, die H. AG, gegangen. Die restlichen 7.000 Euro seien der Profit der NAGS gewesen.

3. Die gegen die Freisprechung des Angeklagten gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Senat kann es deshalb dahingestellt sein lassen, ob die Zurückweisung des Beweisantrags der Staatsanwaltschaft als bedeutungslos schon wegen dem Antrag nicht zu entnehmender Konnexität (vgl. BGHSt 43, 321, 329 f.) oder deshalb nicht gegen § 244 Abs. 6 StPO verstoßen konnte, weil die Staatsanwaltschaft verpflichtet war, auf eine vollständige Behandlung des von ihr gestellten Beweisantrags hinzuwirken (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 37).

Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).

Hier erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl - wie hier - nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es allerdings in seiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH wistra 2002, 430 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil namentlich hinsichtlich der Bewertung der Kenntnis des Angeklagten von der Nichtbezahlung der H. -Rechnungen und der Indizwirkung der Beteiligung des Angeklagten an dem von S. initiierten Zahlungskreislauf nicht gerecht.

a) Zwar hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe darauf vertraut, dass jede Rechnung der Firma H. mit 25.000 Euro aus dem vom Angeklagten an S. übergebenen Bargeld bezahlt worden sei, einer kritischen Prüfung unterzogen. In diese sind aber wesentliche belastende Umstände nicht einbezogen worden, so dass auch die vorgenommene Gesamtwürdigung nicht mehr tragfähig ist.

Das Landgericht hat nicht erwogen, dass der Zeuge Ha. die fingierten Eingangsrechnungen zunächst dem Angeklagten übergeben hat. Zwar hat die Wirtschaftsstrafkammer solches in einer eher distanzierenden Weise ausgedrückt, wonach Sc. dem "Ha. zufolge ihm jeweils Rechnungen für die jeweilige Lieferung überreicht haben, die er dann dem Angeklagten übergeben haben will" (UA S. 23). Gleichwohl handelt es sich insoweit um eine Feststellung. Das Landgericht hält nämlich die Aussage des Zeugen Ha. zur Entgegennahme von Paketen, zum Erhalt der Rechnungen und zur Nichtübergabe von Bargeld bei Lieferung für glaubhaft, ohne eine Einschränkung für die Übergabe der Rechnungen an den Angeklagten vorzunehmen. Der somit festgestellte vorübergehende - bis zur Einstellung in die dem Zeugen He. anvertraute Buchführung - Besitz des Angeklagten an den Rechnungen hätte bei der gegebenen erheblichen Verdachtslage aber jedenfalls erfordert, eine naheliegende Kenntnisnahme des Angeklagten vom Inhalt der Rechnungen zu erörtern und gegebenenfalls unter Einbeziehung der Einzelheiten des dem Angeklagten bekannten Zahlungskreislaufs zu würdigen. Solches hätte den Schluss rechtfertigen können, dass dem Angeklagten klar war, dass die NAGS, die aus jedem Verkauf lediglich 32.000 Euro - die vom Angeklagten bar abgehobenen Beträge - erzielt hat, unter keinen Umständen die auf den Rechnungen der H. AG vermerkten hohen Zahlungen an die H. AG zu leisten in der Lage gewesen wäre.

b) Darüber hinaus begründet die vom Landgericht ausschließlich als entlastend gewürdigte Barzahlung in Höhe von jeweils 25.000 Euro auf die 133 H. -Rechnungen einen Wertungsfehler (vgl. BGH wistra 2002, 260, 262; BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03). Nach den Feststellungen des Landgerichts war dem Angeklagten aufgrund der von ihm eigenhändig mit vorgenommenen Verteilung des Verkaufserlöses jeweils nach Eingang der vollständigen Zahlungen der ACG und WIN auf die Ausgangsrechnungen der NAGS bekannt, dass von dem Erlös in Höhe von jeweils 291.000 Euro, der jeweiligen Gutschrift auf dem Gemeinschaftskonto, für die Geschäftstätigkeit der NAGS lediglich 32.000 Euro zur Verfügung standen. Bei der jeweiligen Zahlung an die H. in Höhe von 25.000 Euro hätte es sich aber aufgedrängt, dass zu diesem Preis keine hochwertigen Prozessoren bezogen worden sein konnten, mit denen allein der nahezu zwölffache Verkaufspreis hätte erzielt werden können. Schließlich hätten auch die weiteren einen Verdacht begründenden Umstände, die Übergabe der wertvollen Prozessoren auf einem Parkplatz vor dem Geschäftshaus der NAGS und die Abwicklung (nur) eines Teils des Kerngeschäfts dieses Unternehmens im Wege der Barzahlung, mit in die Betrachtung einbezogen werden müssen.

c) Schließlich weist die Revision zu Recht darauf hin, dass das Landgericht in dem Indizienkomplex, in welchem es einen von Bankmitarbeitern erhobenen Geldwäscheverdacht als beim Angeklagten nicht vorsatzbegründend würdigt, die für die NAGS wirtschaftlich nachteiligen Umstände des vom Angeklagten mit betriebenen Zahlungskreislaufs nicht beweiswürdigend einbezogen hat. Die jeweiligen "Vorauszahlungen" auf die Ausgangsrechnungen der ACG und der WIN stellen sich angesichts der - in Anwesenheit des Angeklagten den Bankmitarbeitern offenbarten - Treuhänderstellung im Ergebnis als Subventionierung der Endabnehmer in Malaysia dar, gespeist aus den Verkaufserlösen der NAGS in Deutschland. Der angebliche Endabnehmer EM. hat nämlich zu keiner Zeit irgendeine Zahlung an die Exporteure oder die NAGS geleistet, was sich auch dem Angeklagten aufgrund der vorstehend geschilderten, ihm bekannten Umstände erschließen musste. Denn der Angeklagte wusste zugleich, dass die GbR tatsächlich Kreditgeberin der NAGS war. Ein solches Geschäft wäre bei Annahme eines legalen Hintergrundes so offensichtlich ruinös für die NAGS, dass dieser Umstand, wie auch die exorbitante Höhe des Darlehenszinses und der wirtschaftlich unsinnige Zahlungsweg über die Exporteure, in die Gesamtwürdigung hätte einbezogen werden müssen. Naheliegend hätte sich dann der Blick darauf richten können, dass die Geschäftstätigkeit der NAGS allein darauf ausgerichtet war, die von den Exportunternehmen an sie gezahlte Umsatzsteuer für sich abzuzweigen. Denn die NAGS musste die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführen, weil sie diese Beträge mit den Vorsteuerbeträgen aus den Scheinrechnungen der H. AG verrechnete. Den Exportunternehmen drohte aus den für sie umsatzsteuerfreien Ausfuhrlieferungen ebenfalls kein Nachteil, da sie in ihren Steueranmeldungen gemäß § 18 Abs. 1, 3 UStG die Umsatzsteuerbeträge aus den NAGS-Rechnungen als Vorsteuern in Abzug bringen konnten (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a, § 4 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).

Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht kommt, auch wenn wieder festgestellt werden sollte, dass der Angeklagte Einzelheiten der Haupttat nicht gekannt hat (vgl. BGHSt 46, 107, 109). Sollte dagegen dem Angeklagten klar geworden sein, dass die Gründung und Geschäftstätigkeit der NAGS ausschließlich - neben dem Erwerb der fremdfinanzierten Pkws - darauf ausgerichtet war, ihren Gewinn durch Umsatzsteuerhinterziehung zu erreichen, wird die Annahme von Mittäterschaft nahe liegen.

Mit Blick auf die vom Senat gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 370a AO geäußerten Bedenken (BGH wistra 2005, 30, 31 f.; NJW 2004, 2990, 2991 f.) wird es sich für den neuen Tatrichter anbieten, die Strafverfolgung gemäß § 154a StPO auf die Vorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AO zu beschränken.

4. Auch die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht an.

Für eine Zueignung ist es in den hier zu beurteilenden Fällen bestehender Sicherungsübereignung erforderlich, dass der Täter ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das den sicheren Schluss darauf zulässt, dass er den Sicherungsgegenstand unter Ausschluss des Sicherungseigentümers seinem eigenen Vermögen einverleiben will (BGHSt 34, 309, 312). Im Fall der vom Landgericht angenommenen Drittzueignung muss das Verhalten des Täters darauf gerichtet sein, dass das Sicherungsgut dem Vermögen des Dritten zugeführt wird (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 246 Rdn. 5; Kudlich JuS 2001, 767, 771). Die Tathandlung muss zu einer Stellung des Dritten in Bezug auf die Sache führen, wie sie auch bei der Selbstzueignung für die Tatbestandserfüllung notwendig wäre (Tröndle/Fischer aaO Rdn. 11a). Bei der Unterschlagung von Sicherungsgut zum eigenen Vorteil ist dies anerkannt, falls der Sicherungsgeber das Sicherungsgut in einer Art und Weise weiter nutzt, die zum Ausdruck bringt, dass der Täter das Sicherungseigentum nicht mehr achtet, sondern den bisherigen Fremdbesitz an den Gegenständen in Eigenbesitz umwandeln wollte (BGHSt 34, 309, 313). Im Falle der Drittzueignung durch den Sicherungsgeber muss demnach bei der hier zu würdigenden Übertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Dritten zum Ausdruck kommen, dass der bisherige Fremdbesitz durch dem Dritten auf Dauer verschafften Eigenbesitz ersetzt werden soll (vgl. Schenkewitz NStZ 2003, 17, 20; Kudlich aaO). Solches wird für den Angeklagten durch die Feststellung des Landgerichts für die angenommene Tatzeit der Übergabe der Fahrzeuge an S. (August 2002) aber nicht ausreichend belegt.

Das Landgericht stellt zwar das Bewusstsein des Angeklagten fest, dass S. im Zeitpunkt der Übernahme der Fahrzeuge wie ein Eigentümer über diese verfügen würde und dass den Eigentümern hierdurch die Fahrzeuge entzogen werden würden. Diese Feststellung beruht indes auf einer Schlussfolgerung, die von der sie begründenden Beweiswürdigung nicht getragen wird. Für den Tatzeitpunkt werden nämlich keine Umstände benannt, die eine Vorstellung des Angeklagten hinreichend belegen, S. werde das Sicherungseigentum missachten. Das Landgericht hat den Angeklagten als undoloses Werkzeug des S. angesehen; er habe nicht einmal das von S. gesteuerte Umsatzsteuerkarussell durchschaut. Soweit das Landgericht auch auf die wesentlich spätere Inbesitznahme der drei Pkw in Dubai abstellt und in der Nutzung des Fahrzeugs des Angeklagten möglicherweise eine nachträgliche Billigung zur Begründung von Eigenbesitz des S. sieht, wirken diese Umstände auf das Vorstellungsbild des Angeklagten zur angenommenen früheren Tatzeit, der Einstellung der Geschäftstätigkeit in Deutschland, aber nicht zurück. Die Verbringung der Fahrzeuge zum ersichtlich erst später festgelegten Fluchtort beruht ausschließlich auf einer neuen Entschließung S. s, die sogar noch Raum für eine Achtung des Sicherungseigentums hinsichtlich der übrigen Kfz ließ.

Demnach hat der Angeklagte die drei Pkw jedenfalls nicht täterschaftlich einem Dritten zugeeignet, sondern S. durch Besitzverschaffung lediglich die Gelegenheit für die von diesem vollzogene Unterschlagung geboten. Dies hätte bei Vorliegen eines Beihilfevorsatzes bei dem Angeklagten zur Bestrafung wegen Beihilfe zur Unterschlagung führen können (vgl. Maurach/Schröder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil Band 1 9. Aufl. S. 404 f.; Tröndle/Fischer aaO § 246 Rdn. 11a mit Nachweisen der weitergehenden Gegenauffassung; Schenkewitz aaO; Kudlich aaO). Auch dieser ist indes nicht hinreichend belegt.

Auf die festgestellte Inbesitznahme des Pkw Mercedes-Benz CLK in Dubai durch den Angeklagten hat das Landgericht seine Verurteilung nicht gestützt. Gleiches gilt für den weiteren Umgang mit den übrigen Fahrzeugen durch S. in Dubai; insoweit hatte der Angeklagte als Geschäftsführer, beziehungsweise Liquidator der NAGS eine Garantenstellung.

Die Sache bedarf demnach auch insoweit neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass bei der Bewertung des Vorstellungsbildes des Angeklagten die einen Tatkomplex betreffenden belastenden Indizien wegen der hier vorliegenden Verschränkung der Sachverhalte auch für den jeweils anderen Tatkomplex beweiswürdigend heranzuziehen sind (vgl. BGH wistra 2002, 260, 261; 430).

5. Die für die Verurteilungsfälle auf die Nichtannahme der Qualifikation des § 246 Abs. 2 StGB beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg. Die hier vorliegenden Sicherungsübereignungen begründen ein Anvertrautsein (vgl. BGHSt 16, 280, 282; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 246 Rdn. 29). Dies wird es rechtfertigen, im Fall einer erneuten Verurteilung die Strafe dem Qualifikationstatbestand zu entnehmen.

6. Für die eventuell neu vorzunehmende Strafzumessung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Der durch die Unterschlagung begründete Schaden der Eigentümer bestimmt sich nach dem Wiederbeschaffungswert der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Unterschlagungshandlungen. Deshalb darf nicht auf die Höhe der noch offenen Forderungen der Darlehens- bzw. Leasinggeber abgestellt werden, die rückständige Raten oder einen entgangenen Gewinn in Form eines Zinsausfallschadens enthalten werden.

b) Die Verfahrensdauer während des Revisionsverfahrens ist allein durch verzögerte Zustellungen um sechs Monate verlängert worden; seit der Fertigstellung des Urteils hat es über ein Jahr bis zum Eingang der Verfahrensakte bei der Bundesanwaltschaft gedauert. Solches wird Anlass geben, im Rahmen der Strafzumessung eine Art. 6 Abs. 1 MRK verletzende Verfahrensverzögerung im Rechtsmittelverfahren zu prüfen und zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2006 - 5 StR 587/05; vgl. im Übrigen BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13 und 16).



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