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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: 5 StR 253/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB, AO


Vorschriften:

StPO § 154a
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 267
AO § 30
AO § 90 Abs. 1
AO § 150 Abs. 2
AO § 370 Abs. 1
AO § 393 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 253/03

vom 11. September 2003

in der Strafsache

gegen

wegen Steuerhinterziehung u.a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2003 beschlossen:

Tenor:

1. Das Verfahren wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a StPO hinsichtlich der Fälle I.1 und I.2 der Urteilsgründe zu II auf den Vorwurf der Steuerhinterziehung beschränkt.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. Januar 2003 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), daß der Angeklagte der Steuerhinterziehung in 17 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig ist.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten R wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt abgesehen von einer geringfügigen Schuldspruchänderung ohne Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hinterzog der Angeklagte im Zeitraum von Juli 1995 bis April 2000 Steuern in Höhe von mindestens 1,6 Mio. DM, indem er für insgesamt vier Unternehmen ungerechtfertigte Umsatzsteuererstattungen geltend machte. Den Anmeldungen lagen angebliche, tatsächlich jedoch nicht durchgeführte Ankäufe von gebrauchten Kraftfahrzeugen im Inland mit Umsatzsteuerausweis zugrunde, deren anschließender umsatzsteuerfreier Export nach Spanien oder in die Niederlande behauptet wurde. Zum Nachweis seiner angeblichen Vorsteuererstattungsansprüche ließ er im Rahmen von Umsatzsteuersonderprüfungen die zuvor von ihm selbst gefälschten Einkaufsrechnungen, Lieferscheine und Verkaufsrechnungen vorlegen oder dem Finanzamt auf dessen Anforderung übersenden.

2. Rechtlich zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß in den Fällen, in denen der Täter zum Nachweis seiner unrichtigen Angaben gegenüber dem Finanzamt diesem gefälschte Urkunden vorlegt, eine tateinheitliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO und Urkundenfälschung nach § 267 StGB in Betracht kommt. Insoweit steht auch das Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung nicht entgegen.

Das Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO soll als prozessuale Ausgestaltung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO dem Steuerpflichtigen ermöglichen, seiner Verpflichtung nachzukommen, alle steuerlich relevanten Tatsachen zu offenbaren, auch soweit sie auf strafbarem Verhalten beruhen.

Ein Verwertungsverbot ergibt sich indes nicht in den Fällen, in denen der Täter zum Nachweis seiner falschen Angaben dem Finanzamt unechte Urkunden im Sinne des § 267 StGB vorlegt (vgl. BGH wistra 1999, 341; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung § 393 Rdn. 138, 160 ff.; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 5. Auflage § 393 AO Rdn. 54 b; Klein, Abgabenordnung 8. Auflage § 393 Rdn. 28; a.A. BayObLG wistra 1996 353; 1998, 117 und 197; Kohlmann Steuerstrafrecht 30. Lfg. § 393 AO Rdn. 76 ff.). Gemäß § 90 Abs. 1 AO sind die Steuerpflichtigen zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen verpflichtet. Weiterhin sieht § 150 Abs. 2 AO vor, daß die Angaben in den Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind. Danach erfüllt ein Steuerpflichtiger, der vorsätzlich falsche Angaben gegenüber den Finanzbehörden macht, seine Erklärungs- und Mitwirkungspflichten nicht; die Vorlage von unechten Urkunden erfolgt damit gerade nicht in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare. Der Angeklagte befand sich zwar in einer Konfliktlage: Entweder bekräftigte er die bisher gemachten falschen Angaben durch das Gebrauchmachen der vorher durch ihn hergestellten unechten Urkunden, indem er sie dem Finanzamt (auf Anforderung) vorlegte, oder er lief Gefahr, sich durch eigene - wahrheitsgemäße - Angaben oder Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Sonderprüfer einem Steuerstrafverfahren auszusetzen. Dies löst jedoch nicht das Eingreifen des nemo tenetur - Grundsatzes aus. Dieser findet seine Grenze dort, wo es nicht mehr um ein bereits begangenes Fehlverhalten, sondern um die Schaffung neuen Unrechts geht (vgl. BGHSt 47, 8; BGH NJW 2002, 1134). Der Steuerpflichtige muß die durch seine Verweigerung der Mitwirkung möglicherweise einsetzende Strafverfolgung wegen der begangenen Steuerhinterziehung hinnehmen (vgl. Hellmann aaO § 393 Rdn. 170).

3. Jedoch hat das Landgericht nicht bedacht, daß zwischen den ausgeurteilten Steuerhinterziehungen durch Abgabe falscher Umsatzsteuerjahreserklärungen und den Urkundenfälschungen keine Tateinheit vorliegt, wenn die unechten Urkunden nicht mit der Umsatzsteuerjahreserklärung, sondern bereits zuvor ausschließlich zum Nachweis der mit den Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge beim Finanzamt vorgelegt werden.

Der Senat hat aus diesem Grund das Verfahren mit Zustimmung des Generalbundesanwalts in den Fällen I.1 und I.2 auf den Vorwurf der Steuerhinterziehung beschränkt, zumal auch die Anklage in diesen Fällen nicht von einer tateinheitlich verwirklichten Urkundenfälschung ausgegangen ist. Dagegen ist der Angeklagte im Fall II.1 durch die Annahme von Tateinheit zwischen der Steuerhinterziehung und der (angeklagten) Urkundenfälschung nicht beschwert.

Die Beschränkung der Strafverfolgung hat keine Auswirkungen auf den Strafausspruch. Der Senat kann ausschließen, daß das Landgericht das Unrecht der Tat oder die Schuld des Täters bei zutreffender rechtlicher Würdigung geringer bewertet hätte, da es sich bei der Verhängung der Einzelstrafen erkennbar maßgeblich an der Summe der hinterzogenen Steuern orientiert hat.

Ende der Entscheidung

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