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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.07.2004
Aktenzeichen: 5 StR 257/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB, BtMG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 64
BtMG § 35
BtMG § 36
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 257/04

vom 20. Juli 2004

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Januar 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Das Urteil hat jedoch keinen Bestand, soweit das Landgericht die Prüfung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat, obwohl sich dies aufdrängte.

Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der Angeklagte bereits bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1995 Kokain. Nachdem er in sein Heimatland abgeschoben worden war, gelang es ihm nach eigenen Angaben, dort von Drogen abstinent zu leben. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland und der Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 2001 begann der Angeklagte erneut, erhebliche Mengen Kokain zu konsumieren; insbesondere fing er auch an, das Rauschgift zu schlucken, was eine besonders intensive Form des Konsums darstellt. Erst durch den Einfluß seiner neuen Lebensgefährtin gelang es ihm, diese Art des Konsums aufzugeben und seinen Verbrauch einzuschränken. Gleichwohl konsumierte er bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache regelmäßig Kokain. Die Tat, bei deren Begehung er nach eigenen Angaben unter Kokaineinfluß stand, beging er, um den eigenen Drogenkonsum finanzieren zu können. Feststellungen zur Menge des vom Angeklagten konsumierten Rauschgifts hat das Landgericht allerdings nicht getroffen. Der Angeklagte, der sich bereits an die Suchtberatungsstelle des Caritasverbandes für Berlin gewandt hatte und zweimal an einer Orientierungsgruppe sowie dreimal an Einzelgesprächen teilgenommen hatte, beabsichtigte, sich einer ambulanten Drogenentwöhnungsbehandlung zu unterziehen.

Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob die Taten auf einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von berauschenden Mitteln zurückzuführen sind und deshalb die Gefahr besteht, daß er infolge des Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Beim Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen darf die Anordnung nach § 64 StGB nur unterbleiben, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.), was hier allerdings angesichts der getroffenen Feststellungen eher fernliegt. Die Unterbringung nach § 64 StGB hat auch Vorrang vor der Sonderregelung der §§ 35, 36 BtMG, da letztere erst im Vollstreckungsverfahren Platz greifen und nicht auf das Erkenntnisverfahren Einfluß haben können (BGHR StGB § 64 Ablehnung 7, 8).

Einer Unterbringung durch den neuen Tatrichter steht nicht entgegen, daß allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGHSt 37, 5). Die Nichtanwendung des § 64 StGB wurde - auch auf ausdrückliche Nachfrage - nicht vom Revisionsangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).

Der Senat schließt aus, daß das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann daher bestehen bleiben.

Ende der Entscheidung

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