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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 5 StR 290/03
Rechtsgebiete: AuslG, StGB, StPO


Vorschriften:

AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2
StGB § 267
StPO § 153a Abs. 2
StPO § 154a Abs. 1
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 354 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 290/03

vom 16. Oktober 2003

in der Strafsache

gegen

wegen Einschleusens von Ausländern

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Oktober 2003

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. März 2003 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - Strafrichter - zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob das angefochtene Urteil auch deshalb aufgehoben werden müßte, weil das Landgericht seine erstinstanzliche Zuständigkeit objektiv willkürlich bejaht hat (vgl. BGHSt 40, 120).

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte organisierte von November 1999 bis Dezember 2000 als Geschäftsführer eines Berliner Reisebüros - in der Absicht, Gewinne zu erzielen - Touristenreisen für 47 chinesische Staatsangehörige nach Deutschland und in weitere Vertragsstaaten des Schengener Durchführungsübereinkommens. Da die chinesischen Behörden in dieser Zeit für Reisen nach Europa nur im Fall von Geschäftsreisen Pässe ausstellten, besorgte der Angeklagte für sechs Reisegruppen jeweils unzutreffende bzw. verfälschte Einladungsschreiben. Nach deren Vorlage erlangten die Kunden des Angeklagten die gewünschten Pässe und bei der deutschen Botschaft Visa nach Art. 10 SDÜ zu geschäftlichen Zwecken. Die Botschaft hätte - was das Landgericht zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt hat - in allen Fällen auch ohne Vorlage der Einladungen Touristenvisa erteilt, falls dies für chinesische Staatsangehörige möglich gewesen wäre.

2. Möglicherweise sind die objektiven Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 92a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt (vgl. zu eventuell gebotenen Einschränkungen BGH, Beschl. v. 4. März 2002 - 5 StR 36/02; vgl. auch Lorenz NStZ 2002, 640, 642 jeweils m. w. N.). Die objektiv unrichtigen Angaben der Antragsteller dürften geeignet gewesen sein, ihnen Aufenthaltsbewilligungen für geschäftliche Zwecke zu verschaffen, die sie - so jedenfalls die Urteilsgründe - wegen der von der deutschen Botschaft akzeptierten chinesischen Staatspraxis als Touristenvisa nicht erhalten hätten.

Allerdings hat das Urteil des Landgerichts keinen Bestand, weil die auf das "Geständnis" des Angeklagten gestützten Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht ausreichend belegen, daß der Angeklagte, der angegeben hat, er habe den deutschen Behörden nicht schaden wollen, wußte und wollte, daß die chinesischen Staatsangehörigen als "Haupttäter" (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 2003 - 2 StR 31/03) unrichtige, zur Täuschung geeignete Angaben im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zur Erlangung eines Geschäftsvisums auch bei der deutschen Botschaft machten. Das Landgericht hat es unterlassen, wesentliche Tatumstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11 m. w. N.). Zwar hatte der Angeklagte nicht in Abrede gestellt, daß er wußte, daß seine Kunden die Einladungen auch in der deutschen Botschaft vorlegen würden. Damit wird hier aber ein Vorsatz des Angeklagten noch nicht ausreichend belegt. Dies ergibt eine Würdigung der eigenen Einlassung des Angeklagten vor dem Hintergrund des Inhalts der Einladungen, ihrer Entstehung und weiterer Umstände. Die vom Angeklagten konzipierten und beschafften unzutreffenden Einladungsschreiben waren in erster Linie zur Täuschung der chinesischen Behörden bestimmt und geeignet, deren Mitarbeiter von geschäftlichen Zwecken zu überzeugen. Gegenüber der deutschen Botschaft konnten sie allenfalls einen äußeren Rahmen für geschäftliche Aktivitäten darstellen und lediglich eine formale, nicht näher belegte Begründung für die Erteilung eines Geschäftsvisums abgeben. Sie stammten nämlich nicht von werbenden Unternehmen, mit denen die chinesischen Besucher in geschäftliche Beziehungen hätten treten können. Die Einladungen bezogen sich ausschließlich auf Kommunikation und Fortbildung und legten schon daher touristische Zwecke nahe. Dies liegt für die Einladungen des D -C K e.V. (Fälle 2 und 4), den von der Firma B T und B GmbH zugesagten landwirtschaftlichen Studienaufenthalt (Fall 5), die Einladungen der I A (Fälle 1 und 3) und auch die eines Berliner Filmtheaters (Fall 6) auf der Hand. Ferner stand in den Fällen 2 und 4 die beantragte Gültigkeitsdauer im Widerspruch zur erheblich kürzeren Zeit der jeweiligen Einladung. Für diese beabsichtigten Reisen kamen schon deshalb überwiegend nur touristische Zwecke in Betracht.

3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. Im Hinblick auf die von Besonderheiten geprägten Tatumstände wird eine Anwendung des § 153 Abs. 2 StPO, bei gebotener Einbeziehung der nach § 154a Abs. 1 StPO ausgeschiedenen Verletzung des § 267 StGB (vgl. BGHSt 32, 84, 85) möglicherweise eine solche des § 153a Abs. 2 StPO in Betracht zu ziehen sein. Dies alles gehört hier von vornherein eindeutig allein zur Zuständigkeit des Strafrichters, weshalb der Senat die Sache an ihn nach § 354 Abs. 3 StPO verweist.

Ende der Entscheidung

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