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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: 5 StR 373/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 21
StGB § 57a
StGB § 212 Abs. 1
StGB § 213
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 373/03

vom 10. September 2003

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2003 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Teilerfolg.

1. Das Opfer der im November 2001 begangenen Tat war die Lebensgefährtin und Mutter der Kinder des Angeklagten. Das aus China stammende Paar war 1996 nach Deutschland ausgereist, um der repressiven chinesischen Familienpolitik zu entfliehen und ein besseres wirtschaftliches Leben führen zu können. Der Angeklagte tötete die Frau nach einem Streit in ihrer Wohnung durch eine Vielzahl gegen Kopf und Hals des Opfers geführter heftiger Schläge mit einem Hackmesser und durch einen Messerstich in den Hals in Gegenwart der fünfjährigen Tochter nach zwischenzeitlicher Abwehr hilfsbereiter Nachbarn. Anders als der Angeklagte hatte sich die Frau in Deutschland gut eingelebt, hatte sich indes von dem zwischenzeitlich wiederholt inhaftierten Angeklagten entfremdet und einem Deutschen zugewandt, den sie heiraten wollte. Da der Angeklagte der Frau die Schuld für sein erfolgloses Leben gab, wollte er sie, nachdem sie es bei dem vorangegangenen Streit auch noch gewagt hatte, sich gegen ihn aufzulehnen, mit dem Tode bestrafen.

Der Angeklagte war bei Begehung der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit nicht erheblich beeinträchtigt. Nach der Begutachtung durch den psychiatrischen Sachverständigen begründeten seine geringe geistige Mobilität und seine dissozial-narzißtische Persönlichkeitsstruktur noch keine schwere seelische Abartigkeit; eine affektive Erregung vom Grade einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, welche die Hemmungsfähigkeit erheblich herabgesetzt hätte, hat das Schwurgericht ebenfalls verneint.

2. Die Sachverhaltsfeststellungen des Schwurgerichts und seine Wertung, daß der Angeklagte seine Partnerin rechtswidrig und uneingeschränkt schuldfähig vorsätzlich getötet hat, sind sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Verfahrensrüge, mit der die Vernehmung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen erstrebt wird, ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Indes hat die Annahme eines Mordes aus niedrigen Beweggründen keinen Bestand.

Wut und Haß des Angeklagten, die sich besonders augenfällig darin niederschlugen, daß er seine Tat, mit der er sich "in maßloser Selbsterhöhung" zum Richter über sein Opfer erhob, bis in die Hauptverhandlung guthieß, enthielten jedenfalls auch eine Komponente der Verzweiflung des Angeklagten über seine Lebenssituation. Der seinerseits integrationsunfähige Angeklagte fühlte sich von der Frau im Stich gelassen, nachdem seine Familie ihnen beiden mit finanzieller Hilfe die Flucht nach Deutschland ermöglicht hatte, wo die Frau nun mit der gemeinsamen Tochter ohne den Angeklagten mit einem deutschen Partner dauerhaft bleiben wollte. Bei der gegebenen Sachlage fehlt es jedenfalls an der erforderlichen subjektiven Komponente des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe, wonach unerläßlich ist, daß dem Täter die Einsicht in die Niedrigkeit seiner Beweggründe aufgrund seiner geistig-seelischen Verfassung nicht versperrt ist (vgl. zum Vorstehenden nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 32; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 10b, 11 bis 12 m. w. N.).

Hierzu verhält sich das Landgericht, das lediglich - zutreffend - eine Einschränkung des angenommenen Mordmerkmals mit Rücksicht auf den anderen Kulturkreis, aus dem der Angeklagte stammt, ablehnt, nicht näher. Dies wäre indes angesichts der Feststellungen zur geistig-seelischen Befindlichkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat unerläßlich gewesen. Wenngleich hierdurch die Voraussetzungen des § 21 StGB noch nicht begründet waren, schließt dies die Möglichkeit einer Einschränkung der subjektiven Komponente der niedrigen Beweggründe nicht aus.

Deutliche Anhaltspunkte für Zweifel an den erforderlichen subjektiven Voraussetzungen des angenommenen Mordmerkmals ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil selbst nicht allein im Zusammenhang mit der Erörterung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen über die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und seinen Geisteszustand bei Begehung der Tat. Das Landgericht hat auch das Mordmerkmal der Grausamkeit mit Rücksicht auf die "emotional aufgewühlte Gemütsverfassung" des Angeklagten bei Tatbegehung verneint, die an seinem Bewußtsein über das Ausmaß der dem Opfer zugefügten Schmerzen und an der dieses Mordmerkmal prägenden unbarmherzigen Gesinnung zweifeln lasse. Zudem verneint das Landgericht die Voraussetzungen besonders schwerer Schuld des Angeklagten gemäß § 57a StGB ungeachtet der Tatintensität mit Rücksicht auf die spontane Auslösung der Tat durch einen Streit und die begleitende "emotional aufgewühlte Stimmung" des Angeklagten.

4. Bei der gegebenen Sachlage schließt der Senat aus, daß ein neuer Tatrichter unter gebührender Beachtung der subjektiven Anforderungen noch zur Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe gelangen könnte. Da auch kein anderes Mordmerkmal in Betracht kommt, kann der Senat zum Schuldspruch auf Totschlag durchentscheiden. Ein entsprechend unterbliebener rechtlicher Hinweis hindert daran nicht; die Verteidigung ist bislang durchgehend auch mit dem Ziel geführt worden, eine Verurteilung nur wegen Totschlags zu erreichen.

Sämtliche Feststellungen des Schwurgerichts sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen; ihrer Aufhebung bedarf es nicht. Das neue Tatgericht hat danach lediglich die Strafe auf der Grundlage aller bislang getroffenen Feststellungen, auch zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, neu zuzumessen. Es darf dafür allenfalls noch ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Es hat insbesondere von der uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung auszugehen und wird die neue Strafe dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu entnehmen haben. Denn ungeachtet der Feststellungen zu der die Tat auslösenden Streitigkeit liegen die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 213 StGB jedenfalls deshalb nicht vor, weil der Angeklagte, wie die Urteilsfeststellungen in ihrem Zusammenhang eindeutig ergeben, nicht frei von eigener Schuld an dieser Streitigkeit war.

Ende der Entscheidung

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