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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: 5 StR 391/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 244 Abs. 3 Satz 2
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 391/03

vom 7. Januar 2004

in der Strafsache

gegen

wegen Steuerhehlerei

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. Februar 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhehlerei (bezogen auf geschmuggelte Zigaretten aus Osteuropa) in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderweitigen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

I.

Der Angeklagte hat sich im Verfahren unter anderem auch damit verteidigt, daß er zu der Zeit der angeblichen Übernahme der Zigaretten von einem Vorhehler nicht am Ort der Übergabe in Dorsten-Wulfen, sondern in Freiburg war. Am Hauptverhandlungstag vom 4. Dezember 2002 stellte der Angeklagte unter anderem einen Beweisantrag, mit dem er in das Wissen des Installateurmeisters H stellte, daß dieser am Vormittag des 28. September 1998 - nach den Feststellungen der Kammer erfolgte zu dieser Zeit die Übergabe der zweiten Zigarettenlieferung an den Angeklagten - mit dem Angeklagten in Freiburg telefoniert habe.

Rechtsfehlerfrei hat die Kammer mit am 9. Dezember 2002 verkündetem Beschluß diesen Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, daß H ein völlig ungeeignetes Beweismittel sei, weil die gesicherte Lebenserfahrung dagegen spreche, daß dieser im Hinblick auf den langen Zeitablauf und das Fehlen einer früheren Vernehmung noch eine Erinnerung an die präzise zeitliche Einordnung der in sein Wissen gestellten Tatsachen haben könne.

Im Hauptverhandlungstermin vom 12. Februar 2003 - nach dem Schlußvortrag der Staatsanwaltschaft - ergänzte und präzisierte der Angeklagte - neben weiteren Beweisanträgen - sein auf die Vernehmung des H gerichtetes Beweisvorbringen dahingehend, daß H bekunden werde, daß er während einer Autofahrt des Angeklagten mit dem Zeugen B von Freiburg nach Köln den Angeklagten über das Handy des Zeugen B erreicht habe. Zur Geeignetheit des Zeugen H als Beweismittel führte der Angeklagte eine Vielzahl von Details über eine zu dieser Zeit sich angeblich entwickelnde Geschäftsbeziehung zwischen H und ihm an, von denen der Angeklagte behauptet, diese seien H in Erinnerung geblieben und ermöglichten H eine präzise zeitliche Einordnung des Telefonats.

Vor der am selben Tage erfolgten Urteilsverkündung lehnte die Kammer diesen Beschluß mit der Begründung ab, daß auch die neueren Ausführungen keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung gegenüber den im Beschluß vom 9. Dezember 2002 genannten Gründen ergebe. Im übrigen handele es sich bei dem ergänzenden Beweisantrag um einen Beweisermittlungsantrag, dem nachzugehen die Aufklärungspflicht nicht gebiete.

II.

Die auf die Ablehnung dieses Beweisantrages gestützte Verfahrensrüge ist zulässig erhoben und begründet.

Der ergänzte Beweisantrag des Angeklagten ist zulässig. Er enthält eine hinreichend bestimmte Beweisbehauptung, der es auch nicht an der erforderlichen Konnexität mit dem Beweismittel mangelt.

Den Antrag hätte die Kammer nicht als völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zurückweisen dürfen. Wie sich bereits aus dem Begriff "völlig ungeeignet" ergibt, muß es sich bei der Zurückweisung nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO um ein Beweismittel handeln, dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich nutzlos wäre, so daß die Erhebung des Beweises sich in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen würde. Die völlige Ungeeignetheit muß sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Unge-eignetheit 4). Das sonstige Ergebnis der Beweisaufnahme darf hierzu nicht herangezogen werden (BGH aaO m.w.N.). Da die Ablehnung eines Beweisantrages mit der Begründung, das Beweismittel sei völlig ungeeignet, zwangsläufig eine vorweggenommene Beweiswürdigung enthält, ist bei der Entscheidung ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt vor allem für die Annahme, ein Zeuge sei deswegen ein völlig ungeeignetes Beweismittel, weil er sich wegen des Zeitablaufs voraussichtlich an die Beweistatsache nicht mehr erinnern könne (BGH aaO m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze gibt es für die Annahme des Landgerichts, der Zeuge H werde sich an die in sein Wissen gestellten Tatsachen nicht mehr erinnern können, keine ausreichende Grundlage. Die mit dem ergänzenden Beweisantrag vom 12. Februar 2003 mitgeteilten detaillierten Behauptungen zu möglichen Erinnerungsbrücken des Zeugen H lassen es nach der gesicherten Lebenserfahrung nicht als von vornherein ausgeschlossen erscheinen, daß dieser die Vorgänge - wie im Beweisantrag behauptet - erinnern und bekunden könnte.

Der Beweisantrag gewinnt im übrigen auch vor dem Hintergrund an Bedeutung, daß der Zeuge B - dem die Kammer nur insoweit nicht geglaubt hat - die Autofahrt von Freiburg nach Köln ebenfalls bestätigt hat.

Dieser Verfahrensfehler haftet auch den Feststellungen der Kammer zur ersten Tat an. Die Kammer stützt ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im wesentlichen auf die Bekundungen des Vorhehlers R . Erwiesen sich dessen Angaben zur zweiten Tat - bei Unterstellung der Beweisbehauptung zur zweiten Tat - aber als nicht glaubhaft, so wären seine Bekundungen zur ersten Tat möglicherweise keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten im Hinblick auf den ersten Hehlereivorwurf.

Ende der Entscheidung

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