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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 5 StR 422/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 206a Abs. 1
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 265
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 422/00

vom

10. Januar 2001

in der Strafsache

gegen

1.

2.

3.

wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten B gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 22. Februar 2000 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. a) Auf die Revision des Angeklagten W wird

aa) das Verfahren insoweit gemäß § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, als dieser Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen S verurteilt ist,

bb) das genannte Urteil gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch gegen diesen Angeklagten aufgehoben. Die hierzu getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.

b) Die weitergehende Revision des Angeklagten W wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

c) Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Auf die Revision des Angeklagten Wa wird das Verfahren, soweit es diesen Angeklagten betrifft, gemäß § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.

Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bei Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung verurteilt. Die Revision dieses Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Den Angeklagten W hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Revision dieses Angeklagten führt zur Teileinstellung des Verfahrens und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

Der Angeklagte Wa ist wegen Nötigung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden. Seine Revision führt zur umfassenden Verfahrenseinstellung.

I.

Zur Revision des Angeklagten B bemerkt der Senat: Es kann dahingestellt bleiben, ob der Revisionsvortrag zu der Rüge einer Verletzung von § 265 StPO den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Anforderungen entspricht; denn die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Daß der Angeklagte wegen gemeinschaftlich mit dem Zeugen K und einem unbekannt gebliebenen Mittäter begangener gefährlicher Körperverletzung an dem Zeugen S verurteilt worden ist, während in der Anklageschrift als Mittäter dieser Tat der gesondert Verfolgte G genannt ist, begründete keine Pflicht zur Erteilung eines förmlichen Hinweises. Bei Veränderung wesentlicher tatsächlicher Umstände der Tat darf der Tatrichter den Angeklagten zwar nicht im unklaren lassen, daß er die Verurteilung möglicherweise auf Umstände stützen will, die in der Anklage nicht enthalten sind. Dafür reicht es aber aus, daß der Angeklagte dem Gang der Hauptverhandlung die veränderten tatsächlichen Umstände entnehmen kann (BGH StV 1996, 297 f. m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 265 Rdn. 23). Daß letzteres hier nicht gegeben gewesen wäre, behauptet die Revision nicht.

II.

Zur Revision des Angeklagten W hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 7. Dezember 2000 u. a. ausgeführt:

"Zutreffend macht die Revision geltend, daß das Verfahren insoweit einzustellen ist, als der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen S verurteilt wurde. Diese Tat war nicht Gegenstand der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 18. August 1999 (Bd. III Bl. 72 ff. d. A.). Dort ist lediglich im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen erwähnt, daß 'der Angeschuldigte W den Zeugen S mit einem Baseballschläger auf die Brust und den Rücken geschlagen haben' soll (Bl. 79/80 a. a. O.). Damit fehlt es an der erforderlichen Tatidentität. Diese wird nicht dadurch begründet, daß auch die Verletzung des Zeugen W auf ein und denselben äußeren Umstand (Auseinandersetzung zwischen 'Sp ' und 'E ') zurückzuführen ist (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 16). Der dem Angeklagten erteilte Hinweis gemäß § 265 StPO konnte die fehlende (Nachtrags-) Anklage nicht ersetzen (vgl. a. a. O. Nr. 1, 8)." ... Es "kann im Hinblick auf die erforderliche Teileinstellung des Verfahrens der Ausspruch der Gesamtstrafe keinen Bestand haben. Da nicht zweifelsfrei auszuschließen ist, daß die für die verbleibende Tat festgesetzte Strafe durch die weitere Verurteilung beeinflußt ist, muß der Strafausspruch insgesamt aufgehoben werden, wobei die hierzu getroffenen Feststellungen Bestand haben können."

Dem stimmt der Senat zu.

III.

Zur Revision des Angeklagten Wa hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

"Zutreffend macht die Revision geltend, daß das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist. Der Beschwerdeführer ist wegen Taten verurteilt worden, die nicht angeklagt sind.

1. Die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Sch war nicht Gegenstand der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 18. August 1999 (Bd. III Bl. 72 ff. d. A.). Dort ist lediglich im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen erwähnt, der Zeuge habe angegeben, er sei 'auf dem Wege zum Parkplatz von einem nicht näher identifizierten Mitglied der Sp mit einem Baseball-Trainingsschläger in Richtung seiner Hüfte geschlagen worden' (Bd. III Bl. 80 d. A.). Damit fehlt es an der erforderlichen Tatidentität. Diese wird nicht dadurch begründet, daß auch die Verletzung des Zeugen Sch auf ein und denselben äußeren Umstand (Auseinandersetzung zwischen 'Sp ' und 'E ') zurückzuführen ist (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 16). Der dem Angeklagten erteilte Hinweis gemäß § 265 StPO konnte die fehlende (Nachtrags-) Anklage nicht ersetzen (vgl. a. a. O. Nr. 1, 8).

2. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Tat zum Nachteil des Zeugen I . Dem Angeklagten ist mit der Anklage zur Last gelegt worden, Beihilfe zu einer zu dessen Nachteil begangenen gefährlichen Körperverletzung geleistet zu haben. Bei natürlicher Betrachtungsweise vermag dieses Geschehen, worauf die Revision zu Recht hinweist, 'mit einem zeitlich vorgelagerten und räumlich davon abgesetzten Wegnehmen der Motorradfahrerweste des Zeugen I keinen einheitlichen Lebensvorgang zu bilden'. Daß der Zeuge zur Herausgabe seiner Jacke veranlaßt wurde, ist in der Anklage nicht einmal erwähnt, jedenfalls stünde die im Urteil festgestellte in keinem Zusammenhang mit der in der Anklage bezeichneten Tat."

Auch dem stimmt der Senat zu.

IV.

Anders als in dem der Entscheidung BGHR StPO § 264 Abs. 1 - Tatidentität 28 zugrundeliegenden Fall bildete hier das Gesamtgeschehen nicht in der Weise einen einheitlichen Vorgang, daß das Gesamtgeschehen eine einzige Tat im prozessualen Sinne und mithin die von der Anklage umfaßte Tat wäre.



Ende der Entscheidung

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