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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: 5 StR 597/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 247a
StPO § 247a Satz 1
StPO § 247a Satz 2
StPO § 251 Abs. 2 Nr. 3
StPO § 336 Satz 2
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 597/07

vom 6. Februar 2008

in der Strafsache

gegen

wegen schweren Raubes u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil der Großen Strafkammer beim dem Amtsgericht Bremerhaven vom 20. Juni 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Große Strafkammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven zurückverwiesen.

Gründe:

Die Große Strafkammer hat den Angeklagten und den Nichtrevidenten T. wegen "gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsentziehung" schuldig gesprochen und gegen den Angeklagten auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten erkannt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen aufgrund des Geständnisses des T. davon überzeugt, dass der Angeklagte Initiator und Mittäter eines am 4. Dezember 2006 ausgeführten Raubüberfalls auf eine Spielothek in Bremerhaven gewesen ist. Dabei hat das Landgericht widersprüchliche Äußerungen des T. zur Aufklärung der Tat - auch im Zusammenhang mit der Zahlung einer Belohnung - gewürdigt (UA S. 12 bis 17) und eine Bestätigung eines Teils der Angaben T. s in der Aussage des Zeugen N. gefunden, der "in seiner zweiten Vernehmung vor der Kammer die Treffen mit dem Angeklagten T. und dem Zeugen K. in dem Café D. bestätigt hat ebenso wie die Vereinbarung eines Termins mit dem Büro des Zeugen F. " (UA S. 14).

2. Die Revision macht in ihrer darauf bezogenen Verfahrensrüge zu Recht geltend, dass es sich bei dieser "zweiten Vernehmung vor der Kammer" um eine audiovisuelle Zeugenvernehmung gehandelt hat, die indes ohne die gemäß § 247a Satz 1 StPO gebotene Anordnung durch die Strafkammer vorgenommen worden ist. Dies begründet vorliegend die Revision (§ 337 Abs. 1 StPO).

a) Die Rüge ist zulässig erhoben (vgl. BGHR StPO § 247a audiovisuelle Vernehmung 5 und 7). Den zur Ergänzung der Verfahrensrüge hier heranzuziehenden Urteilsausführungen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 21 m.w.N.) ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Aussage des Zeugen N. aus dessen audiovisueller Vernehmung verwertet hat (UA S. 14).

Die Vorschriften der § 247a Satz 2 und § 336 Satz 2 StPO stehen der Zulässigkeit der Verfahrensrüge nicht entgegen, wenn - wie hier - geltend gemacht wird, dass kein Beschluss zur audiovisuellen Zeugenvernehmung gefasst worden ist (vgl. BGHSt 45, 188, 197; BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4).

b) Das Fehlen des Gerichtsbeschlusses gemäß § 247a Satz 1 StPO begründet vorliegend die Revision. Es ist für den Senat nicht erkennbar, ob die Voraussetzungen des § 247a StPO vorgelegen haben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4; Diemer in KK-StPO 5. Aufl. § 247a Rdn. 24). Insbesondere liegen die Voraussetzungen der durch die Vorschrift des § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO eröffneten Anwendungsvariante nicht vor. Der Angeklagte hat der Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung nicht zugestimmt (RB Rechtsanwalt R. S. 2). Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei gerichtlicher Überprüfung der dem im weiteren Sinn in die Tataufklärung verwickelten Zeugen hier amtsärztlich bescheinigten bloßen "situativen Sozialangststörung" (RB aaO) keine audiovisuelle Vernehmung angeordnet worden wäre und dass ein rechtsfehlerfreies Verfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 38). Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung.

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Widersprüche zwischen den Aussagen des Mittäters und des Zeugen K. zur Aufklärung der Tat sind - zumal vor dem Hintergrund der auch von dem zur Tatzeit rauschgiftabhängigen Nichtrevidenten erheischten Belohnung - für die Glaubhaftigkeitsprüfung wesentlich. Sie bedürfen deshalb näherer Bewertung (vgl. BGH StV 2000, 243).

Es wird bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben durch den Mittäter - auch im Falle übereinstimmender Tatschilderung durch das Tatopfer - der Gesichtspunkt zu bedenken sein, dass der Mittäter insoweit lediglich selbsterlebtes Tatgeschehen bekundet, aus dem sich für die Mitwirkung eines bestimmten Mittäters regelmäßig keine glaubhaftigkeitssteigernden Umstände ergeben (vgl. BGH StraFo 2007, 294 m.w.N.).

Soweit die Große Strafkammer bisher eine den Angeklagten eher entlastende Aussage des Tatopfers mit unsicheren Angaben des Mitangeklagten zu Lasten des Angeklagten relativiert hat (UA S. 17), dürfte sie sich in ihrer Beweisführung von der gebotenen sicheren Tatsachengrundlage entfernt haben (vgl. BGH StV 2002, 235). In der neuen Beweiswürdigung wird es auch erforderlich sein, die Qualitätsmängel der Aussage des Mitangeklagten in einer Gesamtschau zu bewerten (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 512 m.w.N.).

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