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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 5 StR 77/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 154a Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 472a Abs. 2
StPO § 154
StGB § 266
StGB § 108e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

5 StR 77/06

vom 29. Juni 2006

in der Strafsache

gegen

wegen Untreue u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft wird das Verfahren gemäß § 154a Abs. 2 StPO hinsichtlich der Fälle II. 1. d) und e) der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Untreue durch überhöhte Abrechnung der Altlasten beschränkt. Der Angeklagte ist insoweit der Untreue schuldig.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 17. Dezember 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben

a) mit den Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. f) der Urteilsgründe wegen Bestechung in Tateinheit mit Untreue verurteilt wurde;

b) im Ausspruch über die in Fall II. 1. d) und e) verhängte Einzelstrafe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) im Ausspruch über die Adhäsionsentscheidungen; von der Entscheidung über die Adhäsionsanträge wird abgesehen. Insoweit trägt die Staatskasse die gerichtlichen Auslagen.

3. Im Umfang der Aufhebung (2 a und b) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "tateinheitlich begangener Untreue in besonders schwerem Fall in zwei Fällen" (Einsatzstrafe zwei Jahre Freiheitsstrafe), wegen Bestechung in Tateinheit mit Untreue (Einzelstrafe ein Jahr Freiheitsstrafe) sowie wegen Anstiftung zur Untreue in vier Fällen (Einzelstrafen zwischen einem Jahr und drei Monaten und einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiterhin hat das Landgericht den Angeklagten unter Absehung von der Entscheidung über weitergehende Adhäsionsanträge verurteilt, "an die Adhäsionsklägerin G. W. Wuppertal (GWG) 2.789.608,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2003 und an die Adhäsionsklägerin H. -Stiftung gesamtschuldnerisch neben dem anderweitig Verfolgten P. 392.678,83 € nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 6. August 1996, abzüglich vom anderweitig Verfolgten G. am 4. März 2003 auf einen Teilbetrag der Hauptforderung in Höhe von 285.678,83 € nebst den angegebenen Zinsen hieraus gezahlter 226.268,41 € sowie abzüglich weiterer am 11. März 2003 vom anderweitig Verfolgten G. auf diesen Teilbetrag nebst angegebener Zinsen hieraus gezahlter 83.287,79 € zu zahlen, sowie gesamtschuldnerisch mit dem anderweitig Verfolgten P. 14.827,46 € nebst 4% Zinsen seit dem 15. Juni 1995 zu zahlen". Die mit der Revisionsbegründung seines Wahlverteidigers wirksam beschränkte Revision des Angeklagten führt zu einer Schuldspruchreduzierung in Anwendung des § 154a Abs. 2 StPO und hat im Übrigen im Umfang ihrer Anfechtung - die Verurteilung wegen Anstiftung zur Untreue in vier Fällen ficht der Angeklagte nicht an - Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte, ein frühpensionierter ehemaliger Oberamtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal, Vorstandsmitglied der H. -Stiftung und einer weiteren Stiftung. Diese Ämter hatte er erworben, nachdem er sich ab Anfang der achtziger Jahre erfolgreich als Bauinvestor etabliert hatte und über diese Tätigkeit Kontakte zu den anderweitig Verfolgten P. , einem Direktor der Deutschen Bank Wuppertal und Vorstandsvorsitzenden der H. -Stiftung, G. , dem Inhaber eines größeren Wuppertaler Bauunternehmens, sowie Hi. und S. , Geschäftsführern der GWG, geknüpft hatte.

Im Zuge der Entwicklung zweier Bauprojekte, an denen die Stiftungen und die GWG beteiligt waren, ließ G. dem Angeklagten verdeckt Geldzahlungen zukommen, die der Angeklagte dazu nutzte, Geld- und Sachzuwendungen an die Geschäftsführer der GWG auszukehren, damit diese im Gegenzug G. s Bauunternehmen bevorzugt beauftragen würden. Daneben war der Angeklagte am überteuerten Ankauf zweier Grundstücke durch die GWG beteiligt. Wegen dieser Geschehnisse hat das Landgericht den Angeklagten rechtskräftig wegen Anstiftung zur Untreue in vier Fällen durch die anderweitig Verfolgten Hi. und S. verurteilt.

Hinsichtlich der vom Revisionsangriff umfassten Tatvorwürfe hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

1. Zur Umsetzung eines Bauprojekts für die Errichtung von Altenheimen hatte die GWG von der H. -Stiftung ein Hanggrundstück erworben, auf dem früher eine Textilienfirma ansässig war. Aufgrund eines für einen früheren Bauabschnitt eingeholten Bodengutachtens gingen die Beteiligten davon aus, dass nur ein geringes Restrisiko für eine Bodenkontamination aus der Zeit des Textilienunternehmens (so genanntes "Altlastenrisiko") bestand, da durch die Hanglage des Grundstückes von einem "Auswaschen" eventuell vorhandener Altlasten ausgegangen werden könne. Das noch vorhandene Altlastenrestrisiko wurde im Kaufvertrag von der erwerbenden GWG übernommen und sollte von dieser im Rahmen des Generalunternehmervertrages an G. s Bauunternehmen "durchgereicht" werden.

Nachdem im Zuge der Bauarbeiten an einem früheren Bauabschnitt wider Erwarten doch Bodenkontaminationen vorgefunden worden waren, die von G. aufgrund des Generalunternehmervertrages kostspielig zu entsorgen waren, kam es zwischen den Beteiligten wegen des Altlastenrisikos in diesem so genannten vierten Bauabschnitt zu Spannungen. In dieser Situation sagte der Angeklagte mündlich zu, dass die H. -Stiftung - entgegen dem zuvor geschlossenen Kaufvertrag - zur Verbesserung des Verhältnisses zur GWG und zu G. das Altlastenrisiko übernehmen werde. Daneben war die Übernahme des Altlastenrisikos auch dadurch motiviert, dass der Angeklagte die Übernahme für gerechtfertigt hielt, weil der für die H. -Stiftung vorteilhafte Kaufpreis im Hinblick auf eine von den Kaufvertragsparteien angenommene Altlastenfreiheit zustande gekommen war. Gleichwohl erkannte der Angeklagte, dass er für die H. -Stiftung auf eine sehr günstige Vertragsposition verzichtete.

Als G. dann tatsächlich auch in diesem vierten Bauabschnitt auf Altlasten stieß, kündigte er gegenüber dem Angeklagten aufgrund der zuvor erfolgten Zusicherungen eine Berechnung der Altlastenbeseitigungskosten gegenüber der H. -Stiftung an. Der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte P. erkannten nunmehr die Gelegenheit, sich Schwarzgeldbeträge zu Lasten der H. -Stiftung zu verschaffen, und veranlassten G. , die Kosten der Altlastenbeseitigung überhöht abzurechnen und ihnen - dem Angeklagten und P. - die so "erwirtschafteten" Mehrerlöse auszuhändigen. Insgesamt stellte G. ca. 560.000 DM mehr in Rechnung, als die Beseitigung der Altlasten tatsächlich kostete.

Das Landgericht hat dieses Geschehen als zwei in gleichartiger Idealkonkurrenz stehende Fälle der Untreue gewertet. Der Angeklagte hat seine Revision auf die Verurteilung wegen der Übernahme der Altlasten beschränkt und die überhöhte Abrechnung der Altlasten ausdrücklich von seinem Revisionsangriff ausgenommen.

2. Nach den Vertragsbestimmungen zwischen der GWG und der H. -Stiftung hatte die Stiftung die Kosten der Gestaltung der Außenanlagen des geplanten Altenheims zu tragen. Der anderweitig Verfolgte P. hatte die Idee entwickelt, einen durch das Gelände fließenden, damals noch verschütteten Bach wieder freizulegen und so das Parkambiente zu verbessern. Der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte P. sannen danach, die öffentliche Hand an den Kosten für die Freilegung des Bachs zu beteiligen. Sie wussten, dass es insbesondere bei der Partei der Grünen in Wuppertal Pläne gab, die Freilegung von Fließgewässern durch die Kommune finanziell zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund erschien es ihnen opportun, den als kritischen "Störenfried" geltenden Grünen-Stadtrat W. , einen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Sozialwissenschaftler, in ihrem Sinne zu beeinflussen. Zu diesem Zwecke bot der Angeklagte dem Stadtrat W. einen Beratervertrag mit der H. -Stiftung an, der mit monatlich 1.000 DM entlohnt werden und W. wirtschaftlich und ideell an die H. -Stiftung binden sollte. In dem dann tatsächlich von dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten P. unterschriebenen Beratervertrag wurde der Gegenstand der Beratungstätigkeit mit folgenden Schwerpunktthemen umrissen: "Wohnen ausländischer Mitbürger im Alter, Wohnformen deutscher Mitbürger im Ausland und Integration von Behinderten-Wohnen im Altenbereich". Tatsächlich sollte sich W. absprachegemäß, aber nach außen verschleiert, vor allem um die Interessen der Stiftung bei der Frage der Finanzierung der Freilegung des Baches verdient machen. In der Folgezeit gelang es W. , durch seine Einflussnahme in der Partei und im Rat ein den Interessen auch der H. -Stiftung entsprechendes Förderprogramm auflegen zu lassen. Aus diesem Förderprogramm wurde die Freilegung des Baches mit 107.000 DM bezuschusst, während W. im Rahmen seines Beratervertrages insgesamt 29.000 DM erhielt.

Das Landgericht hat dieses Geschehen als Untreue zu Lasten der H. -Stiftung in Tateinheit mit Bestechung gewertet.

II.

Im Umfang der Anfechtung hat das Urteil keinen Bestand.

1. Der Senat hat das Verfahren hinsichtlich der Übernahme und überhöhten Abrechnung der Altlasten mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft nach § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Untreue durch überhöhte Abrechnung der Altlasten beschränkt, weil die bisherigen Feststellungen den Vorwurf der Untreue durch die Übernahme der Altlasten nicht tragen und die für diese Gesetzesverletzung zu erwartende Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Die Verfahrensbeschränkung führt zur Aufhebung der in Fall II. 1. d) und e) verhängten Einzelstrafe sowie der Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass das Landgericht, welches ausdrücklich die Verwirklichung zweier Untreueakte straferschwerend bei der Einzelstraffindung berücksichtigt hat, bei zutreffender Bewertung zu einer geringeren Strafe gelangt wäre.

2. Soweit der Angeklagte wegen Bestechung in Tateinheit mit Untreue verurteilt worden ist, hat die Revision vollumfänglich Erfolg.

a) Die Verurteilung wegen Untreue im Zusammenhang mit dem Beratervertrag W. hat keinen Bestand, da nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB nicht vorliegt. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft Bezug. 15

b) Auch die Verurteilung wegen Bestechung des Stadtrats W begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit finden auch hier die Grundsätze Anwendung, die der Senat in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 (5 StR 453/05 zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen) aufgestellt hat: Kommunale Mandatsträger sind keine Amtsträger, es sei denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen (BGH aaO). Solch weitergehende Bestellung zu konkreten Verwaltungsaufgaben hat das Landgericht bei W. nicht festgestellt.

Erschöpft sich aber die Tätigkeit eines kommunalen Mandatsträgers - wie hier - im Handeln in Wahlen und Abstimmungen in der Volksvertretung selbst, in Teilen der Volksvertretung wie den Fraktionen oder in den unmittelbar der Volksvertretung zugehörigen Ausschüssen, kommt lediglich eine Strafbarkeit nach § 108e StGB in Betracht. Gleiches gilt für die Tätigkeit im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen in Volksvertretungen, also etwa für die Einflussnahme auf andere Ratsmitglieder und die sonstige Beteiligung an der politischen Willensbildung auf Gemeindeebene (BGH aaO).

3. Der Senat hebt die Adhäsionsentscheidungen auf und sieht von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge ab, weil die Anträge auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Adhäsionsklägerinnen namentlich vor dem Hintergrund der hier erfolgten Teilaufhebung, verfahrensübergreifend erfolgter Anordnung von (Teil-)Gesamtschuldnerschaft und erst im Revisionsverfahren abgegebener einseitiger Teilerledigterklärungen zur Erledigung im Strafverfahren ungeeignet sind (§ 406 Abs. 1 Satz 4 StPO). Die Kostenentscheidung für das Adhäsionsverfahren folgt nach billigem Ermessen des Senats aus § 472a Abs. 2 StPO (vgl. auch Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG, Nachtragsband II § 472a Rdn. 3). Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

4. Das neue Tatgericht wird das Geschehen im Fall W. mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 108e StGB zu prüfen und sich dabei an den Maßstäben des Urteils des Senats vom 9. Mai 2006 (5 StR 453/05) zu orientieren haben.

Bei der Festsetzung der Einzelstrafe in Fall II. 1. e) der Urteilsgründe wird es zu bedenken haben, dass sich der Untreueschaden auf die überhöht angesetzten Rechnungsteile beschränkt.

Der Senat hat aufgrund der pauschalen Beanstandung aller Einzelstrafen in der Revisionsbegründungsschrift (insb. S. 13) erwogen, ob die Revision - entgegen dem klaren Wortlaut des Revisionsantrags - in diesem Punkt nicht beschränkt werden, sondern sämtliche Einzelstrafaussprüche erfassen sollte. Dies kann letztlich dahinstehen, da die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts keine durchgreifenden Rechtsfehler aufweisen. Im Übrigen schließt der Senat aus, dass sich die Bemessung der aufgehobenen Einsatzstrafe auf die übrigen Einzelstrafen ausgewirkt hat.

Bei der neuen Einzelstraf- und Gesamtstrafbestimmung wird das neue Tatgericht den langen Zeitablauf seit Begehung der Tat zu bedenken und zu erörtern haben, ob das Verfahren nach Erlass des angefochtenen Urteils in einer dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK genügenden Weise gefördert worden ist; widrigenfalls wird eine konventionswidrige Verzögerung kompensatorisch zu berücksichtigen sein. Trotz des entsprechend verminderten Schuldumfangs wird indes die zentrale Rolle des Angeklagten im Gefüge seiner Taten und derjenigen seiner früheren Mitangeklagten schon auf der Grundlage der rechtskräftigen Schuldsprüche - auch mit Blick auf die weitgehend schon im Ermittlungsverfahren eingestandenen und gleichwohl nach § 154 StPO ausgeschiedenen Steuerdelikte mit einem angeklagten Hinterziehungsschaden von über 500.000 DM - eine noch aussetzungsfähige Freiheitsstrafe kaum rechtsfehlerfrei rechtfertigen können.



Ende der Entscheidung

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