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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.12.2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 10/03
Rechtsgebiete: GVG, BRAO, BGB


Vorschriften:

GVG § 17a Abs. 2 Satz 1
BRAO § 42 Abs. 1
BRAO § 145 Abs. 3
BRAO § 223
BRAO § 223 Abs. 3
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 10/03

vom 15. Dezember 2003

in dem Verfahren

wegen Rückzahlung geleisteter Vorschüsse auf Abwicklervergütung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Dr. Ganter und Schlick, die Richterin Dr. Otten sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Salditt, Dr. Wosgien und die Rechtsanwältin Kappelhoff am 15. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 6. November 2002 wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragstellerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 35.905,64 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Bescheid der damals zuständigen Präsidentin des Oberlandesgerichts M. vom 25. April 1997 wurde der Antragsgegner zum Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts R. und durch Bescheid vom 13. Januar 1998 zum Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts P. bestellt. Angesichts der schlechten finanziellen Verhältnisse der abzuwickelnden Kanzleien erklärte sich die Antragstellerin als zuständige Rechtsanwaltskammer auf Ersuchen des Antragsgegners bereit, im Vorgriff auf die aller Voraussicht nach eintretende Bürgenhaftung der Antragstellerin Vorschüsse auf die noch festzusetzende Abwicklervergütung zu leisten. Bezüglich der Abwicklung der Kanzlei R. zahlte die Antragstellerin Vorschüsse von insgesamt 45.000 DM, hinsichtlich der Kanzlei P. Vorschüsse von mehr als 25.000 DM.

In der Zeit von April 1999 bis Februar 2000 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner mehrfach dazu auf, ihr zwecks Festsetzung der Abwicklervergütung den Zeitaufwand sowie den Umfang der Aktenbearbeitung mitzuteilen. Nachdem der Antragsgegner dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, hat die Antragstellerin im Mai 2000 vor dem Landgericht den Antragsgegner im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über die Zahl der jeweils zu Ende geführten Verfahren und der übernommenen Akten, der erzielten Honorareinnahmen und des auf die Abwicklertätigkeit entfallenden Zeitaufwands, erforderlichenfalls auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie - abhängig vom Inhalt der Auskunft bzw. der Abrechnung - auf Rückerstattung der vorgeschossenen Beträge in Höhe eines eventuell zu verzeichnenden Überschusses in Anspruch genommen.

Durch rechtskräftigen Beschluß vom 4. Februar 2001 hat das Landgericht gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an den Anwaltsgerichtshof verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof hat die Antragstellerin das Auskunftsbegehren nicht mehr aufrechterhalten, sondern nur noch den Antrag gestellt, den Antragsgegner zur Rückzahlung sämtlicher Vorschüsse in Höhe von 35.905,64 € (= 70.225,33 DM) nebst Zinsen zu verurteilen. Der Anwaltsgerichtshof hat dem Antrag bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen entsprochen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Anwaltsgerichtshof sie in der angefochtenen Entscheidung nicht zugelassen hat (§ 223 Abs. 3 Satz 1 BRAO).

1. Außer in Zulassungssachen (vgl. § 42 Abs. 1 BRAO) sind Entscheidungen des Anwaltsgerichtshofs nur dann mit der an den Bundesgerichtshof gerichteten sofortigen Beschwerde anfechtbar, wenn der Anwaltsgerichtshof dieses Rechtsmittel in der Entscheidung zugelassen hat (§ 223 Abs. 3 Satz 1 BRAO).

Zwar betrifft § 223 BRAO, wie sich aus den Absätzen 1 und 2 dieser Vorschrift ergibt, bei enger, am Wortlaut haftender Auslegung nur solche Verfahren, die die Beseitigung oder den Erlaß eines Verwaltungsakts zum Ziel haben (Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage), während vorliegend der Antragsgegner zur Zahlung verurteilt worden ist (Leistungsklage). Diese Bestimmung ist jedoch weit auszulegen; sie stellt einen generalklauselartigen Auffangtatbestand dar, der zum Ziel hat, etwaige Rechtsschutzlücken zu schließen, die neben den einzelnen Anfechtungsregelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung verbleiben (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 223 Rn. 3 ff). Dementsprechend sind sämtliche Entscheidungen des Anwaltsgerichtshofs, soweit sie - wie hier - nicht unter § 42 Abs. 1 BRAO fallen, grundsätzlich ohne Rücksicht auf die ausgesprochene Rechtsfolge und den Streitgegenstand des Beschlusses nur nach Maßgabe des § 223 Abs. 3 BRAO anfechtbar.

2. Hat der Anwaltsgerichtshof die Zulassung der sofortigen Beschwerde nicht ausgesprochen, so ist der Bundesgerichtshof hieran gebunden; er kann die Beschwerde nicht selbst zulassen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Anwaltsgerichtshof - wie hier - mit der Frage der Zulassung des Rechtsmittels nicht ausdrücklich befaßt hat (Senatsbeschluß vom 29. Mai 2000 - AnwZ (B) 45/99 - BRAK-Mitt. 2000, 259).

Schließlich kommt auch nicht in Betracht, das Rechtsmittel, wie es dem Antragsgegner vorschwebt, als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln. Denn im Gegensatz zu § 145 Abs. 3 BRAO hat der Gesetzgeber im Verfahren nach § 223 BRAO eine solche Möglichkeit nicht eröffnet (Senatsbeschluß vom 29. Mai 2000 aaO).

3. Da die sofortige Beschwerde unzulässig ist, kann dahinstehen, ob - wie der Antragsgegner meint - von der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts (vgl. § 17a Abs. 5 GVG) nur der ursprünglich vorrangig geltend gemachte Auskunftsanspruch, nicht aber der vom Anwaltsgerichtshof zuerkannte Zahlungsanspruch erfaßt wird, dessen Grundlage nach der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs in § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu finden ist. Selbst wenn dem zu folgen wäre, ließe sich ein den Rechtsweg betreffender Mangel des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof nur auf ein zulässiges Rechtsmittel hin beseitigen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 17a GVG Rn. 17 f).

4. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da das Rechtsmittel als unzulässig verworfen worden ist (BGHZ 44, 25).

Ende der Entscheidung

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