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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.11.2002
Aktenzeichen: AnwZ (B) 21/02
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 35 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 21/02 AnwZ (B) 2/02

vom

25. November 2002

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Richter Schlick, die Richterin Dr. Otten, den Richter Dr. Frellesen sowie die Rechtsanwälte Dr. Schott, Dr. Wüllrich und Dr. Frey

am 25. November 2002 nach mündlicher Verhandlung

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Sachsen-Anhalt in Naumburg vom 3. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 45.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde im Jahre 1986 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und war als Rechtsanwalt zunächst in G. in Nordrhein-Westfalen tätig. Im Oktober 1993 wurde er als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und dem Landgericht M. sowie bei dem Oberlandesgericht N. zugelassen.

Mit Verfügung vom 1. Juni 2001 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht M. und seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Aufgabe der Kanzlei nach § 14 Abs. 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO und auch wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO; zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung an.

Der Antragsteller hat gerichtliche Entscheidung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Antrags beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat zunächst den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen und diesen Beschluß auf eine als Gegenvorstellung behandelte Beschwerde des Antragstellers aufrechterhalten. Sodann hat der Anwaltsgerichtshof auch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen und seinen Beschluß auf einen Vermögensverfall des Antragstellers gestützt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist mit Recht zurückgewiesen worden. Der Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist rechtmäßig (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).

1. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlaß der angegriffenen Verfügung der Antragsgegnerin erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st.Rspr., vgl. Senatsbeschluß vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluß vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in der Widerrufsverfügung und dem angefochtenen Beschluß zu Recht festgestellt worden. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Gegen den Antragsteller bestand eine seit dem 30. September 1998 fällige, von der DG-Bank gepfändete Darlehensforderung der Vermögensgesellschaft "K. GbR" in Höhe von 600.000 DM. Zur Sicherung dieser Forderung zuzüglich 15 % Zinsen p.a. seit 30. September 1998 gab der Antragsteller am 3. August 1999 gegenüber der DG-Bank ein notarielles Schuldanerkenntnis ab (Urkundenrolle Nr. 326/99 des Notars Werner K. in G. ), in dem sich der Antragsteller der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarf. Der Antragsteller hat in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung und in seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 2001 selbst eingeräumt, daß er nicht imstande war, diese Forderung zu begleichen und die DG-Bank auch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung hätte Befriedigung erlangen können. Eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mußten beendet werden, um dem Antragsteller eine weitere berufliche Tätigkeit überhaupt zu ermöglichen. Eine Vereinbarung darüber, in welcher Weise die Schuld in der Zukunft beglichen werden sollte, konnte nicht getroffen werden, weil die Liquiditätslage des Antragstellers dies nicht zuließ. Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers hing seine Hoffnung, die Schuld mittelfristig tilgen zu können, von der Entwicklung seiner Beteiligungen an den Unternehmen GBW GmbH und GSE Gesellschaft für entwicklung mbH ab, insbesondere von einer Verbesserung der Liquiditätslage dieser Gesellschaften.

Bereits dieser Sachverhalt rechtfertigte die Annahme des beim Antragsteller eingetretenen Vermögensverfalls, ohne daß es darauf ankommt, ob titulierte weitere Forderungen gegen den Antragsteller in Höhe von 12.513,20 DM nebst Zinsen und Kosten (Urteil des Landgerichts M. vom 21. Februar 2001, AZ.: 12 O 15/01), 10.444,44 DM nebst Zinsen und Kosten (Urteil des Landgerichts M. vom 27. Juni 2001, AZ.: 12 O 238/01) und 47.394,17 DM nebst Zinsen und Kosten (Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 1. Februar 2001, AZ.: 6 B 807/00 und 6 B 635/00) aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder getroffener Ratenzahlungsvereinbarungen getilgt werden konnten.

b) Anhaltspunkte dafür, daß ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Die Gefahr, daß der in Vermögensverfall geratene Antragsteller ihm anvertraute Gelder - wenigstens zeitweise - für eigene Zwecke verwenden würde, bestand auch im vorliegenden Fall. Ob der Antragsteller sich tatsächlich an Mandantengeldern vergriffen hat, bedarf im Rahmen des Widerrufsgrundes nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO keiner Beurteilung, weil die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach dieser Vorschrift bereits durch den Vermögensverfall indiziert wird. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts zu ersehen.

2. Von einer nachträglichen Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers, die im laufenden Verfahren noch zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; BGHZ 84, 149), kann nicht ausgegangen werden. Einen Wegfall des Widerrufsgrundes hat der Antragsteller nicht dargetan.

In dem vorgelegten "Vermögens- und Liquiditätsstatus zum 31. August 2002 "räumt der Antragsteller selbst ein, daß seine gegenwärtige Liquiditätslage "äußerst angespannt" ist. Seine Verbindlichkeiten belaufen sich danach auf insgesamt 1.829.000 DM. Wie diese Schulden getilgt werden sollen, legt der Antragsteller nicht dar. Insbesondere trägt er nichts zur Tilgung der oben genannten Forderung der früheren DG-Bank (jetzt DZ-Bank) vor, die sich nach seinen Angaben mittlerweile auf 650.000 DM erhöht hat.

Das Immobilienvermögen des Antragstellers ist hoch belastet und reicht zur Tilgung der Verbindlichkeiten nicht aus. Die vom Antragsteller behaupteten - nicht durch Nachweise belegten - eigenen Forderungen in Höhe von 587.600 DM, die er seinen Verbindlichkeiten als Aktiva gegenüberstellt, sind nach seinem Vorbringen jedenfalls gegenwärtig im wesentlichen nicht realisierbar und deshalb in Darlehen und Gesellschaftsbeteiligungen umgewandelt worden. Dies gilt auch für die behaupteten Honoraransprüche des Antragstellers gegen die GBW GmbH in W. und GSE Gesellschaft für entwicklung mbH in W. , an denen der Antragsteller beteiligt ist. Die Liquiditätslage dieser Gesellschaften hat sich entgegen der im Schriftsatz vom 8. Oktober 2001 geäußerten Erwartung des Antragstellers bislang nicht gebessert, so daß nicht nur Honoraransprüche des Antragstellers nicht befriedigt werden konnten, sondern auch aus den Unternehmensbeteiligungen kein Liquiditätszufluß erfolgte. Die Hoffnung des Antragstellers, daß sich die Liquiditätslage der Gesellschaften und damit auch seine eigene mittelfristig bessern werde, vermag nichts daran zu ändern, daß der Antragsteller gegenwärtig nicht in der Lage ist, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Insbesondere ist auch nicht zu ersehen, wie die GSE mbH in absehbarer Zeit imstande sein soll, dem Antragsteller ein Geschäftsführergehalt von annähernd 9.000 € im Monat zu bezahlen. Dies hängt nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers von einer - ungewissen - Zuführung von Beteiligungskapital Dritter ab. Hinzu kommt, daß die vom Antragsteller vorgelegte Prognose von Juli 2002 für diese Gesellschaft in den kommenden Jahren negative Geschäftsergebnisse in Höhe von minus 2.422.000 DM (2002), minus 7.879.000 DM (2003) und minus 4.329.000 DM (2004) erwartet.

Auch die Liquiditätslage der GBW GmbH ist nach dem Vorbringen des Antragstellers angespannt und eine Befriedigung seiner Ansprüche gegen diese Gesellschaft "eher lang- als mittelfristig" zu erwarten.

Bei dieser Sachlage stellen auch die Beteiligungen des Antragstellers an den beiden Gesellschaften, die er selbst mit 2.750.000 DM bewertet, gegenwärtig kein realisierbares Vermögen dar, mit dem die Verbindlichkeiten des Antragstellers getilgt werden könnten.

Nach alledem haben sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers im Vergleich zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung nicht gebessert. Von einem Vermögensverfall muß weiterhin ausgegangen werden. Auch die Interessen der Rechtsuchenden sind damit nach wie vor gefährdet.

3. Da der Vermögensverfall den Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO rechtfertigte und weiterhin rechtfertigt, kommt es nicht darauf an, ob der Widerruf darüber hinaus auch wegen Verletzung der Kanzleipflicht (§ 14 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 35 Abs. 1 BRAO) gerechtfertigt war. Der Anwaltsgerichtshof hat diese Frage deshalb zu Recht dahinstehen lassen.

Die Beschwerde gegen den Beschluß des Anwaltsgerichtshofs vom 27. Juli 2001, mit dem der Anwaltsgerichtshof den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen hat, hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.

Ende der Entscheidung

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