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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.12.2008
Aktenzeichen: AnwZ (B) 28/08
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Dr. Schmidt-Räntsch und Schaal, die Richterin Roggenbuck, die Rechtsanwältin Dr. Hauger und die Rechtsanwälte Dr. Frey und Prof. Dr. Stüer

ohne mündliche Verhandlung

am 8. Dezember 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2005 und seiner sofortigen Beschwerde gegen dessen Zurückweisung wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antragsteller war von 1979 bis zum Widerruf seiner Zulassung wegen Vermögensverfalls durch Bescheid des Justizministeriums des Landes N. vom 21. September 1993 und sodann von 1996 bis zum erneuten am 8. April 2000 bestandskräftig gewordenen Widerruf seiner Zulassung wegen Vermögensverfalls als Rechtsanwalt zugelassen. Im September 2004 wurde er erneut im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Diese Zulassung widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. Mai 2005 und erklärte diesen Widerruf durch Bescheid vom 13. Juli 2007 für vollziehbar. Gegen die sofortige Vollziehung hat der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragt. Diesen Antrag hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2005 und seiner sofortigen Beschwerde gegen dessen Zurückweisung ist unbegründet.

1.

Der Antrag ist im Ergebnis zulässig. Gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch den Anwaltsgerichtshof ist die sofortige Beschwerde zwar nicht gegeben, weil die Entscheidung nach § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 BRAO unanfechtbar ist. Das schließt aber nach § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 BRAO einen erneuten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht aus, der nach § 42 Abs. 5 Satz 2 BRAO bei dem Bundesgerichtshof gestellt werden kann, wenn - wie hier - in der Hauptsache sofortige Beschwerde eingelegt ist. Das strebt der Antragsteller hier ersichtlich an.

2.

Die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheides durfte nach § 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO nur angeordnet werden, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse zur schon vor Bestandskraft des Widerrufsbescheids notwendigen Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten war (Senat, Beschl. v. 19. Juni 1998, AnwZ (B) 38/98, BRAK-Mitt 1998, 235, 236; Beschl. v. 18. Oktober 2006, AnwZ (B) 29/06, [...]). Diese Voraussetzungen lagen bei Anordnung der sofortigen Vollziehung vor. Daran hat sich nichts geändert. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und der Widerrufsbescheid Bestandskraft erlangen wird, weil die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls zu widerrufen war.

3.

Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

4.

Danach befand sich der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall.

a)

aa)

Vor seiner erneuten Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. September 2004 waren gegen den Antragsteller folgende Vollstreckungsverfahren anhängig:

Gerichtskasse B. wegen 375,35 EUR, (aktuell 311,89 EUR),

H. K. wegen einer Teilforderung von 1.034,02 EUR,

Gerichtskasse B. wegen 393,85 EUR, (aktuell 311,89 EUR),

Kreissparkasse G. wegen einer Teilforderung von 500,00 EUR,

D. AG wegen einer Teilforderung von 161,50 EUR, (aktuell 150 EUR),

J. Kl. als Konkursverwalter wegen 7.155,10 EUR.

Die Verfahren zu Nr. 1, 3 und 5 waren mit Verhaftungs- oder Anträgen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbunden. Sie wurden im Zeitpunkt der Wiederzulassung des Antragstellers nicht mehr betrieben. Entgegen den Angaben des Antragstellers in dem Erhebungsbogen für seine erneute Zulassung beruhte das aber, wie sich nach der Zulassung herausstellte, nicht darauf, dass die Forderungen erfüllt oder anders bereinigt wurden. Vielmehr wurden sie lediglich nicht mehr weiter betrieben, weil der Antragsteller nicht erreichbar war. Der Umstand, dass der Antragsteller diese überwiegend nicht sehr hohen Forderungen nicht beglichen hatte, belegt, dass seine Vermögensverhältnisse bei Erlass des Widerrufsbescheids so beengt waren, dass er nicht in der Lage war, auch kleinere Forderungen zu begleichen, und für seine Gläubiger nicht mehr erreichbar war. Nach Zulassung wurden folgende weitere Vollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller bekannt:

Kammerbeitragsforderung der Ag. wegen 45,00 EUR,

Prof. Jo. wegen 719,89 EUR.

Der Vollstreckungsauftrag zu Nr. 8 war wieder mit einem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbunden. Sie belegen, dass sich die Vermögenslage des Antragstellers nicht gebessert hatte.

bb)

Daran ändert es nichts, dass Rechtsanwalt S. der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. September 2003 mitgeteilt hat, der Antragsteller habe für ihn gearbeitet und dabei einen "aufgesparten Gehaltsanspruch" in Höhe von ca. 60.000 DM erworben; aus diesem seien Verbindlichkeiten beglichen worden. Dieser Anspruch ist bis heute nicht belegt. Weshalb dem Antragsteller seine angeblichen Gehaltsansprüche nicht ausbezahlt worden sind, haben weder der Antragsteller noch Rechtsanwalt S. näher erläutert. Dass diese Gehaltsansprüche zur Befriedigung von Gläubigern verwendet werden sollten, hat der Antragsteller nicht angekündigt. Anhaltspunkte dafür, dass er sie nach seiner Wiederzulassung zu diesem Zweck eingesetzt haben könnte, waren bei Erlass des Widerrufsbescheids nicht ersichtlich. Das Beschäftigungsverhältnis ist zudem nach Mitteilung von Rechtsanwalt S. vom 21. Juni 2004 noch vor der Wiederzulassung beendet worden, weil der Antragsteller nicht als Rechtsanwaltsbewerber, sondern als zugelassener Rechtsanwalt angestellt worden sei, was er seinerzeit aber nicht war.

cc)

Der Berücksichtigung der Forderungen zu Nr. 1 bis 6 in dem Widerrufsbescheid stand nicht entgegen, dass sie vor der Wiederzulassung betrieben worden waren. Sie waren nämlich entgegen der Versicherung des Antragstellers nicht erledigt und bleiben deshalb auch nach der Wiederzulassung ein Beleg dafür, dass die Vermögensverhältnisse des Antragstellers schon zu diesem Zeitpunkt nicht geordnet waren und sein Antrag auf Wiederzulassung nach § 7 Nr. 9 BRAO hätte zurückgewiesen werden müssen. Dieser Umstand zwingt die Antragsgegnerin nicht, die Zulassung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BRAO zurückzunehmen. Sie kann nämlich nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BRAO von einer Rücknahme absehen, wenn der Versagungsgrund entfallen ist. Das führt dazu, dass die Rechtsanwaltskammer bei Fortbestehen eines verschwiegenen Vermögensverfalls nach erfolgter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft deswegen gleich ein Widerrufsverfahren einleiten muss und sich dazu auch auf die vor der Zulassung erteilten Vollstreckungsaufträge stützen kann, wenn diese bis dahin weiterhin keine sachliche Erledigung oder Bereinigung gefunden haben.

b) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, [...]). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschl. v. 18.

Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 a). Anhaltspunkte dafür, dass das hier bei Erlass des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht der Fall war, sind nicht ersichtlich.

5.

Der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin ist auch nicht wegen nachträglichen Fortfalls des Widerrufsgrunds aufzuheben.

a)

Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfällt (BGHZ 75, 356, 357 ; 84, 149, 150) . Das setzt aber voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083, 2084). Diesen Nachweis hat der Antragsteller nicht geführt.

b)

Er hat keine Übersicht über seine Vermögensverhältnisse vorgelegt, nicht einmal die Erfüllung oder anderweitige Bereinigung der in der Forderungsliste der Kammer aufgeführten Verbindlichkeiten nachgewiesen. Es stellte sich vielmehr heraus, dass gegen den Antragsteller weitere Verfahren anhängig sind, nämlich Forderung H. wegen 6.300,00 EUR, Studentenwerk A. wegen 4.103,73 EUR, D. - nicht beziffert -, Landesoberkasse Baden-Württemberg - nicht beziffert -.

Zu der Forderung H. hat der Antragsteller eine Erklärung des Gläubigers vorgelegt, dass dieser dem Antragsteller in gleicher Höhe verpflichtet sei, auf eine Aufrechnung aber verzichte, um Forderungen des Antragstellers gegen Dritte pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen zu können. Welche Forderungen dem Antragsteller gegen H. zustehen könnten, haben weder der Antragsteller noch sein Gläubiger H. näher erläutert. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers von der Richtigkeit seines Vorbringens ausgehen sollte, belegt das nicht, dass der Vermögensverfall nicht mehr besteht.

In den Vollstreckungsverfahren zu Nr. 11 und 12 ist gegen den Antragsteller auf Antrag der Gläubigerinnen am 31. August 2007 und am 11. April 2008 jeweils Haftbefehl erlassen worden, um ihn zu zwingen, die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Wegen beider Haftbefehle ist der Antragsteller in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen worden. Während der zweite Eintrag zwischenzeitlich gelöscht worden ist, besteht der erste nach wie vor. Das hat zur Folge, dass der Vermögensverfall bei dem Antragsteller nunmehr auch gesetzlich vermutet wird. Diese Vermutung kann ein Rechtsanwalt nur widerlegen, indem er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen vorlegt und im Einzelnen darlegt, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise und mit welchen Mitteln er sie zu erfüllen gedenkt. (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083, 2084; Beschl. v. 29. September 2003, AnwZ (B) 68/02, unveröff.; Beschl. v. 12. Januar 2004, AnwZ (B) 26/03, unveröff.; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt. 2008, 221 [Ls]). Eine solche Darstellung hat der Antragsteller der Antragsgegnerin nicht einmal ansatzweise vorgelegt.

c) Die Interessen der Rechtsuchenden sind weiterhin gefährdet. Das ergibt sich aus dem fortbestehenden Vermögensverfall und insbesondere auch daraus, dass der Antragsteller seine Forderungen an einen Finanzdienstleister abgetreten hat und Auszahlungen an diesen vornehmen lässt, zugleich aber auch mit seinem Gläubiger H. verabredet hat, Ansprüche des Antragstellers im Wege der Pfändung durchzusetzen. Auch wenn damit Mandanten Einwände nicht abgeschnitten werden (§§ 412, 404 BGB), erschwert ihnen das eine Rechtsverteidigung. Außerdem sind diese Maßnahmen geeignet, das Vermögen des Antragstellers dem Zugriff anderer Gläubiger zu entziehen.

Ende der Entscheidung

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