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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.12.2004
Aktenzeichen: AnwZ (B) 92/03
Rechtsgebiete: BRAO, ZPO, FGG


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 40 Abs. 4
BRAO § 42 Abs. 6
ZPO § 180
ZPO § 418
FGG § 22 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 92/03

vom 6. Dezember 2004

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Richter Basdorf, die Richterin Dr. Otten, den Richter Dr. Frellesen sowie den Rechtsanwalt Dr. Wüllrich und die Rechtsanwältinnen Dr. Hauger und Kappelhoff

am 6. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Gesuch des Antragstellers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2003 wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der im Jahre 1948 geborene Antragsteller ist seit 1982 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Verfügung vom 11. September 2002 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dieser Beschluß wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 8. August 2003 durch Einlegung in den zur Wohnung des Antragstellers gehörenden Briefkasten zugestellt, nachdem zuvor vergeblich versucht worden war, ihm den Beschluß in seiner Wohnung zu übergeben. Mit einem am 2. Oktober 2003 beim Anwaltsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluß eingelegt und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist beantragt. Er hat darin vorgetragen und eidesstattlich versichert, von der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes erst in der vorangegangenen Woche durch Schreiben des Amtsgerichts und des Landgerichts Kenntnis erlangt zu haben, in denen ihm seine Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte mitgeteilt worden sei.

II.

Die an sich statthafte sofortige Beschwerde (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BRAO) ist wegen Versäumung der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 42 Abs. 4 BRAO) als unzulässig zu verwerfen; denn das form- und fristgerecht eingereichte Wiedereinsetzungsgesuch des Antragstellers ist nicht begründet.

1. Der angefochtene Beschluß ist dem Antragsteller wirksam zugestellt worden.

a) Nach der für Anträge auf gerichtliche Entscheidung in Zulassungssachen geltenden Verfahrensordnung richtet sich die Zustellung der Entscheidung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 40 Abs. 4, 42 Abs. 6 BRAO i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG). Danach war eine Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung gemäß § 180 ZPO zulässig, nachdem der Postbote vergeblich versucht hatte, die Zustellung durch Übergabe an den Antragsteller oder Familienangehörige in dessen Wohnung zu bewirken.

b) Der Antragsteller hat angegeben, das ihm zugestellte Schriftstück nicht erhalten zu haben, und ergänzend ausgeführt, an seiner Haustür sei für Postsendungen ein Durchwurf angebracht. Die eingeworfene Post würde dann auf einem im Wohnzimmer befindlichen, sonst nicht benutzen Schreibtisch abgelegt. Da jeden Werktag neben der Post auch eine Vielzahl von Werbesendungen, Zeitschriften, Broschüren und ähnliches eingeworfen würde, sei der Brief des Anwaltsgerichtshofs möglicherweise in eine andere Wurfsendung gerutscht und versehentlich vernichtet worden. Dies müsse geschehen sein, bevor er abends von seiner Arbeit nach Hause gekommen sei.

Der Postzusteller hat in der über die Zustellung aufgenommenen Urkunde bezeugt, die zuzustellende Entscheidung in den Hausbriefkasten eingelegt zu haben. Dieser Vermerk hat auch dann, wenn er von einem Bediensteten der Deutschen Post AG ausgestellt wird, die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 418 ZPO (§ 195 Abs. 2 Satz 3 ZPO), begründet also den vollen Beweis der in der Urkunde bezeichneten Tatsachen. Der Beweis kann durch Gegenbeweis entkräftet werden (§ 418 Abs. 2 ZPO). Die bloße Versicherung, das Schriftstück nicht erhalten zu haben, genügt dafür nicht. Die Unrichtigkeit der in der Urkunde bezeugten Tatsachen muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden (BGH, Beschl. vom 16. Februar 1984 - IX ZB 172/83, VersR 1984, 422, 443; vom 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461). Weiterer Beweiserhebung bedurfte es hier nicht, weil der Antragsteller selbst nicht ausschließt, daß das Schriftstück - wie beurkundet - eingeworfen, aber in seinem Bereich versehentlich vernichtet worden sei.

2. Der Antragsteller hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, daß er von der zugestellten Entscheidung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. Ihm kann daher nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, daß zwar die Unkenntnis des Empfängers von einer durch Niederlegung bewirkten Zustellung - auch wenn eine Mitteilung über die Niederlegung erfolgt war - nicht zwangsläufig eine Sorgfaltspflichtverletzung belege (BGH, Beschl. vom 5. Oktober 2000 - X ZB 13/00 = NJW-RR 2001, 571; Beschl. vom 15. Juni 1994 - IV ZB 6/94 - NJW 1994, 2898). Die Unkenntnis sei aber vorwerfbar, wenn weitere Umstände hinzutreten, die zu erhöhter Sorgfalt Anlaß geben (BGH, aaO, BGH, Beschl. vom 2. April 2001 - AnwZ(B) 33/00; Beschl. vom 29. Januar 1996 - AnwZ(B) 46/95). Solche Umstände lagen hier vor. Der Antragsteller hatte an der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof am 27. Juni 2003 teilgenommen. Am Schluß der Beratung wurde der Tenor des den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückweisenden Beschlusses verkündet. Der Antragsteller mußte danach mit einer Zustellung der Entscheidung in absehbarer Zeit - der Antragsteller selbst hat in seinem Schreiben vom 16. Februar 2004 angegeben, daß er von einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen ausgegangen sei - rechnen. In dieser Zeit ist auch die Zustellung erfolgt. Der Antragsteller hätte deshalb besondere Sorgfalt darauf verwenden müssen, daß er von allen bei ihm eingegangenen Poststücken Kenntnis erhielt. Die Darstellung des Antragstellers zeigt insoweit keine Tatsachen auf, die es überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, daß das Schriftstück ohne sein Verschulden in seinem Hause vernichtet wurde. Dem Vorbringen des Antragstellers läßt sich schon nicht entnehmen, welche Personen Zugang zu seiner Post hatten und ob er diese - wie es in Erwartung der baldigen Zustellung des Beschlusses erforderlich gewesen wäre - darauf hingewiesen hat, daß die eingehenden Sendungen besonders sorgfältig zu sichten seien (vgl. auch BGH, Beschl. vom 1. Juli 2002 - AnwZ(B) 48/01). Dies wäre gerade angesichts der von dem Antragsteller geschilderten Verhältnisse notwendig gewesen.

III.

Die sofortige Beschwerde ist danach unzulässig. Über die unzulässige Beschwerde konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (BGHZ 44, 25).

Der Senat weist im übrigen darauf hin, daß die vom Antragsteller lediglich pauschal begründete Beschwerde, mit der Belege für behauptete Erledigungen von Verbindlichkeiten des Antragstellers nicht vorgelegt wurden, auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.

Ende der Entscheidung

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