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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 96/06 (1)
Rechtsgebiete: BRAO, InsO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
InsO § 35 Abs. 2
InsO § 35 Abs. 2 Satz 2
InsO § 295 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 96/06

vom 26. November 2007

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Ernemann, Dr. Frellesen und Schaal sowie die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich, Dr. Frey und Prof. Dr. Quaas nach mündlicher Verhandlung am 26. November 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde 1978 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief die Zulassung mit Bescheid vom 16. Dezember 2005 nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ(B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluss vom 21. November 1994 - AnwZ(B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Gegen den Antragsteller waren die in der Widerrufsverfügung aufgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Forderungen in einer Gesamthöhe von ca. 130.000 € durchgeführt worden. Er hatte darüber hinaus gegenüber der Antragsgegnerin das Bestehen weiterer offener Forderungen in Höhe von ca. 11.500 € eingeräumt. Trotz mehrfacher Fristsetzung hat er die Erledigung dieser Forderungen nicht nachzuweisen vermocht. Einen Vermögensstatus hat er nicht vorgelegt. Dies geht zu seinen Lasten.

b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), ist nicht gegeben.

a) Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht nachgewiesen. Trotz wiederholter Ankündigungen ist er den Beweis, dass er seine Gläubiger befriedigt hat, schuldig geblieben. Auch nach Erlass der angefochtenen Entscheidung sind weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn bekannt geworden. In seinem Beschwerdevorbringen vom 13. Juni 2007 hat er selbst Verbindlichkeiten in einer Gesamthöhe von ca. 523.000 € eingeräumt. Schließlich ist mit Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 16. April 2007 über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so dass zwischenzeitlich auch der Vermutungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gegeben ist.

Solange das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers läuft, ist die Grundlage der gesetzlichen Vermutung nicht entfallen. Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners können grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als geordnet angesehen werden (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2004 - AnwZ(B) 40/04, NJW 2005, 1271 unter II 2 und 3). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Auch der Umstand, dass der Insolvenzverwalter die Anwaltskanzlei des Antragstellers im noch laufenden Insolvenzverfahren freigegeben hat (vgl. nunmehr § 35 Abs. 2 InsO), beseitigt die Insolvenz und damit den Vermögensverfall des Antragstellers nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 2007 - AnwZ(B) 6/06).

b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern. Diese Gefährdung entfällt nicht bereits durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 a). Auch die Freigabe der Kanzlei des Antragstellers durch den Insolvenzverwalter ändert daran nichts (vgl. schon Senatsbeschluss vom 16. April 2007 - AnwZ(B) 6/06). Sie hat als solche keine Auswirkung auf die Frage der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall. Maßgeblich für die Entscheidung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO ist allein, welche der beiden dort aufgezeigten Alternativen für die Masse vorteilhafter ist. Entscheidet er sich für den Verbleib in der Masse, so fließen dieser die Erträge aus der selbständigen Tätigkeit zu. Sie haftet dann aber auch für die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten (Miete, Löhne, Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge etc.). Gibt er hingegen die selbständige Tätigkeit frei, so fließt zwar dem Insolvenzschuldner der Neuerwerb aus ihr zu. Der Insolvenzschuldner haftet jedoch nunmehr auch für die entstehenden Neuverbindlichkeiten. Darüber hinaus unterliegt er der Ablieferungspflicht nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO (vgl. zu all dem Sternal NJW 2007, 1909, 1911 f.). Hieraus folgt, dass eine Kanzleifreigabe regelmäßig dann erfolgen wird, wenn der Verwalter die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit eher niedrig einschätzt und das Risiko meiden will, dass die Masse mit Verbindlichkeiten aus dieser Tätigkeit belastet wird. Eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden wird daher allein durch die Freigabe weder ausgeschlossen noch vermindert.

Ende der Entscheidung

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