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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: AnwZ(B) 101/05
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

Entscheidung wurde am 11.08.2008 korrigiert: unter II. 2. c) zweiter Absatz der Gründe wurde im zweiten Satz das Zitat "Senatbeschluss vom 25. Juni 2007 - AnwZ(B) 46/06, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 2 b)." entfernt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AnwZ(B) 101/05

vom 25. Juni 2007

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Richterin Dr. Otten, die Richter Dr. Ernemann, Dr. Frellesen und Dr. Schmidt-Räntsch sowie die Rechtsanwältinnen Dr. Hauger, Kappelhoff und den Rechtsanwalt Dr. Martini nach mündlicher Verhandlung am 25. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Mecklenburg-Vorpommern vom 9. September 2005 und die Widerrufsverfügung der Antragsgegnerin vom 14. September 2004 aufgehoben.

Gerichtliche Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am 5. Oktober 1992 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragsteller ist als Rechtsanwalt beim Landgericht Stralsund zugelassen. Mit Verfügung vom 14. September 2004 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO) und hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen waren zwar im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung erfüllt, liegen aber nicht mehr vor.

1. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st.Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ(B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluss vom 21. November 1994 - AnwZ(B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

Der Antragsteller hat am 10. Mai 2004 die eidesstattliche Versicherung abgegeben; er wurde am 14. Mai 2004 in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Bergen eingetragen. Die dadurch begründete gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) hat dieser nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall befand.

Dagegen bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts vor. Er beruft sich auch nicht auf eine im laufenden Verfahren noch zu berücksichtigende Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse nach Erlass der Widerrufsverfügung. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich. Der Antragsteller ist nach wie vor im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Er hat am 30. März 2007 beantragt, das Insolvenzverfahren über sein Vermögen zu eröffnen; daraufhin hat das Amtsgericht Stralsund mit Beschluss vom 17. April 2007 (11 IN 116/07) einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

2. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in der Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 a). Die Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts verneint werden kann (dazu Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004, aaO, unter II 2 c; Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 - AnwZ(B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, unter II 2; Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 - AnwZ(B) 14/05, AnwBl. 2006, 281, unter II 3), lagen zwar im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung nicht vor. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Nachweise, ist aber davon auszugehen, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers nicht mehr fortbesteht . Damit ist der Widerrufsgrund nachträglich entfallen; dies ist im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 75, 356) und führt zur Aufhebung der Widerrufsverfügung.

a) Der Antragsteller ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 15. Dezember 2003 und der Zusatzvereinbarung vom 1. August 2004 (GA 105 bis 108) seit dem 1. Januar 2004 nicht mehr als Gesellschafter, sondern nur noch als angestellter Rechtsanwalt in der W. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig. Er übernimmt keine eigenen Mandate mehr; Vollmachten werden nur auf die Rechtsanwaltsgesellschaft ausgestellt. Auch in den Prozesskostenhilfeverfahren in Familiensachen, mit denen der Antragsteller nahezu ausschließlich befasst ist, wird nicht er, sondern Rechtsanwalt W. beigeordnet; die Abrechnung auch dieser Mandate erfolgt durch die Rechtsanwaltsgesellschaft, auf deren Konten der Antragsteller keinen Zugriff hat. Auf den Kanzleibriefbögen der Rechtsanwaltsgesellschaft wird der Antragsteller nicht mehr als selbständig tätiger, sondern als angestellter Rechtsanwalt aufgeführt. Aufgrund der im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemachten Sicherungsvorkehrungen und Vertretungsregelungen erscheint es auch im Übrigen ausgeschlossen, dass der Antragsteller in der Kanzlei der Rechtsanwaltsgesellschaft mit Mandantengeldern in Berührung kommt.

b) Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass der Antragsteller sich in seiner langjährigen Berufstätigkeit nichts hat zu Schulden kommen lassen; Mandanten gehören nicht zu seinen Gläubigern.

c) Der Antragsteller ist nach Kräften bemüht, seine finanziellen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen; er hat jetzt auch den für eine Ordnung seiner Vermögensverhältnisse erforderlichen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie den Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt.

Zwar entfällt die Gefährdung der Rechtsuchenden grundsätzlich nicht bereits durch die - hier noch nicht erfolgte - Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 a). Deshalb kann in aller Regel erst dann, wenn das Insolvenzverfahren zu einem Abschluss führt, bei dem mit einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers gerechnet werden kann, das heißt mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts, davon ausgegangen werden, dass nicht nur der Vermögensverfall, sondern auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht mehr fortbesteht (Senatsbeschluss vom 16. April 2007 - AnwZ(B) 6/06, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 3. Anders liegt es jedoch dann, wie der Senat entschieden hat (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004, aaO), wenn besondere Umstände, insbesondere arbeitsvertragliche Beschränkungen und Sicherungsvorkehrungen, die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts schon vor Abschluss des in die Wege geleiteten Insolvenzverfahrens nicht mehr zu befürchten ist. So verhält es sich, wie ausgeführt, auch im vorliegenden Fall.

3. Da der Antragsteller erst im Beschwerdeverfahren die Voraussetzungen für einen zweifelsfreien Wegfall des Widerrufsgrundes nachgewiesen hat, entspricht es nicht der Billigkeit, eine Erstattung seiner außergerichtlichen Auslagen anzuordnen (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG i.V.m. § 42 Abs. 6 Satz 2, § 40 Abs. 4 BRAO).



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