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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.04.2004
Aktenzeichen: BLw 27/03
Rechtsgebiete: HöfeVfO


Vorschriften:

HöfeVfO § 3 Abs. 1 Nr. 2
Im Falle der Vor- und Nacherbschaft genügt es für einen Antrag auf Ersuchen um Löschung des Hofvermerks nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 HöfeVfO, wenn nur bestimmte Personen als Nacherben in Betracht kommen und diese alle, wie auch der Vorerbe, die Hofaufgabeerklärung abgegeben haben.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

BLw 27/03

vom

16. April 2004

in der Landwirtschaftssache

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 16. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter Ehlers und Böhme

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 5 wird der Beschluß des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Juli 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000,- €.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer des im Grundbuch von L. , Blatt 4130, eingetragenen Hofes nach der Höfeordnung. Er hat den Hof von seinem 1975 verstorbenen Vater aufgrund testamentarischer Einsetzung als Hofvorerbe geerbt. Als Nach- und Ersatzerben sind in dem Testament die leiblichen und ehelichen Kinder des Beteiligten zu 1, die Beteiligten zu 2 bis 5, "zu gleichen Teilen" eingesetzt. Als Nach- bzw. Ersatzerben sind die leiblichen und ehelichen Kinder der Schwester des Beteiligten zu 1, A. L. , "zu gleichen Teilen" eingesetzt und als weitere nachrangige Nach- bzw. Ersatzerbin A. L. selbst.

Zugunsten der Beteiligten zu 2 bis 5 und zugunsten von A. L. , die 1927 geboren wurde und unverheiratet und kinderlos geblieben ist, ist ein Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen.

Die Beteiligten zu 1 bis 5 haben beantragt, das Grundbuchamt zur Löschung des Hofvermerks zu ersuchen. Das Landwirtschaftsgericht hat diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 2 bis 5 ihren ursprünglichen Antrag weiter.

II.

Die nach § 24 Abs. 1 Satz 1 LwVG zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.

1. Entgegen der - von dem Beschwerdegericht aufrechterhaltenen - Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts ist der Antrag der Beteiligten, das Grundbuchamt um Löschung des eingetragenen Hofvermerks zu ersuchen, zulässig. Das Fehlen formeller Voraussetzungen (§ 4 HöfeVfO) ist weder festgestellt noch ersichtlich. Ob der Antragsteller, allein oder mit anderen oder jedenfalls mit deren Zustimmung, die Aufgabe der Hofeigenschaft erklären kann, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.

2. Die Begründetheit des Antrags hängt davon ab, ob die Beteiligten die Hofeigenschaft wirksam durch entsprechende Erklärung aufgehoben haben.

a) Die Frage, ob bei der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft die Hofeigenschaft vor Eintritt des Nacherbfalls durch Erklärung des Vorerben, gegebenenfalls mit Zustimmung der Nacherben, aufgehoben werden kann, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird angenommen, der Hofvorerbe könne durch Hofaufhebungserklärung den Eintritt der Hofnacherbschaft ausschließen (Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl., § 1 Rdn. 98). Eine andere Ansicht steht demgegenüber auf dem Standpunkt, eine wirksame Hofaufgabeerklärung könne der Hofvorerbe nur mit Zustimmung des Nacherben abgeben (OLG Celle RdL 1960, 42; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 1 Rdn. 107). Weitergehend wird auch vertreten, der Hofvorerbe sei durch die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft gebunden und könne selbst mit Zustimmung des Nacherben die Hofeigenschaft nicht aufheben (OLG Celle RdL 1987, 326, 327; Dressler, AgrarR 2001, 265, 271; Faßbender, AgrarR 1992, 190, 191; Faßbender in: Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rdn. 63).

b) Der Senat hat sich mit der Problematik bislang nicht generell, sondern nur anhand von zwei Einzelfällen befaßt.

In dem ersten Fall (Beschl. v. 19. Juli 1991, BLw 8/90, AgrarR 1992, 78) war es so, daß der Vorerbe vor Eintritt des Vorerbfalls bereits Miteigentümer des Landguts war. Erst mit Eintritt des Vorerbfalls war nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 HöfeO a.F. ein Hof entstanden; vorher stand dem das fehlende Alleineigentum entgegen. Bei dieser Situation hat der Senat angenommen, daß der Hofeigentümer und Hofvorerbe (sobald er es geworden war) die Hofeigenschaft - ohne Zustimmung der Nacherben - aufheben könne. Daraus lassen sich (worauf Dressler, AgrarR 2001, 265, 271, zu Recht hinweist) keine zu verallgemeinernden Aussagen herleiten. Die Entscheidung für ein Aufgaberecht des Vorerben ohne Zustimmung der Nacherben ist allein darauf gestützt, daß durch die Hofaufgabe die frühere, für die Nacherben günstigere Rechtslage nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch wiederhergestellt worden sei. Erst der Vorerbfall ließ den landwirtschaftlichen Besitz zum Hof werden mit der Folge, daß nun - anders als zuvor - die eingesetzten Nacherben dem Hofnacherben weichen mußten. Diese Schlechterstellung beseitigt die Hofaufgabeerklärung. Daß dies zu Lasten des sonst vorgehenden Hoferben geht, hat dieser hinzunehmen. Ihm war eine solche Stellung vom Erblasser nicht eingeräumt worden; sie ergab sich erst aus der mit dem Eintritt des Vorerbfalls verbundenen Gesetzeslage. Aus diesen Besonderheiten des entschiedenen Falles läßt sich nicht die generelle Aussage ableiten, der Hofvorerbe könne stets, und gar ohne Zustimmung der Nacherben, die Hofeigenschaft aufheben.

Die zweite Entscheidung (Urt. v. 7. November 1997, LwZR 6/97, AgrarR 1998, 215) betrifft keinen Fall der Vor- und Nacherbschaft, ist aber insoweit aussagekräftig, als der Senat in einer Konstellation, bei der mehrere Erben als Hofeigentümer in Betracht kamen, eine Aufgabeerklärung aller Prätendenten als Grundlage für eine Löschung des Hofvermerks hat genügen lassen. Entscheidend war für ihn allerdings, daß nur bestimmte Personen als Hofeigentümer in Betracht kamen und daß diese alle formgerecht eine negative Hoferklärung abgaben.

c) Ausgehend von dieser zweiten Entscheidung muß es auch im Fall der Vor- und Nacherbschaft für einen Antrag auf Ersuchen um Löschung des Hofvermerks nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 HöfeVfO als ausreichend erachtet werden, wenn nur bestimmte Personen als Nacherben in Betracht kommen und diese alle, wie auch der Vorerbe, die Hofaufgabeerklärung abgegeben haben.

Allerdings ist es richtig, daß eine Aufhebung der Hofeigenschaft zu einer Änderung des Erbstatuts führt (Faßbender, AgrarR 1992, 190, 191; ders., in: Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, § 1 Rdn. 63) und daß es an sich weder dem Vorerben noch dem Nacherben zusteht, in die auf dem Erblasserwillen bestehenden erbrechtlichen Regelungen einzugreifen (vgl. auch OLG Celle RdL 1987, 326, 327). Das steht der gemeinsamen negativen Hoferklärung durch Vor- und Nacherben aber nicht entgegen.

Die von der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ausgehenden Bindungen sind beschränkt. Soweit Verfügungen des Vorerben nach § 2113 BGB unwirksam werden können, vermeidet die Zustimmung des Nacherben zu der Verfügung den Eintritt dieser Rechtsfolge (vgl. nur RGZ 65, 214; Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl., § 2113 Rdn. 6; MünchKomm-BGB/Grunsky, 3. Aufl., § 2113 Rdn. 15 m.w.N.). Der Erblasser kann somit durch Einsetzung einer Vor- und Nacherbschaft nicht sicherstellen, daß bestimmte Vermögensgegenstände im Wege der Erbfolge letztlich dem Nacherben zufallen. Ebensowenig kann er sicherstellen, daß es überhaupt zum Eintritt des Nacherbfalls kommt. So können Vor- und Nacherben im Zusammenwirken die Anordnung der Nacherbschaft dadurch unterlaufen, daß sie die Nacherbenrechte auf den Vorerben übertragen (Dressler, AgrarR 2001, 265, 271; Palandt/Edenhofer, § 2108 Rdn. 8). Der Vorerbe wird dann Vollerbe und könnte die negative Hoferklärung abgeben (Dressler aaO S. 272).

Angesichts dessen gibt es keinen zwingenden Grund, der gemeinsamen Erklärung von Vor- und (sämtlichen) Nacherben, den Hof aufzugeben, die Wirksamkeit zu versagen. Die Annahme, daß die Erbfolge nach Höferecht, die mit dem Vorerbfall eingetreten sei, bis zum Nacherbfall nicht mehr korrigiert werden dürfe (so Dressler aaO S. 271; Faßbender, AgrarR 1992, 190, 191), trifft so nicht zu. Auf sie kann lediglich erbrechtlich nicht abändernd eingewirkt werden. Rechtsgeschäfte unter Lebenden sind - wie dargelegt - indes nicht ausgeschlossen. Ebensowenig sind Erklärungen zur Hofeigenschaft ausgeschlossen, unabhängig davon, ob man darin eine Verfügung sieht oder nicht (vgl. verneinend Dressler aaO S. 271, bejahend Pikalo RdL 1958, 125, 126). Dementsprechend hat es der Senat z.B. auch für zulässig erachtet, daß ein erbrechtlich in der Hofübertragung gebundener Erblasser die negative Hoferklärung abgibt, auch wenn dadurch eine Vererbung nach Höferecht nicht mehr möglich ist, der Hoferbe seinen Sonderstatus also verliert (BGHZ 101, 57).

d) Erforderlich ist allerdings eine Zustimmung aller Nacherben. Stehen sie noch nicht fest oder besteht die Möglichkeit, daß zu den bislang feststehenden weitere hinzutreten, etwa dadurch, daß Kinder eingesetzt sind, die durch nachfolgende Geburt oder Adoption den Status eines Nacherben erlangen können, so ist eine Aufhebung der Hofeigenschaft durch den Hofvorerben mit Zustimmung nur der bislang vorhandenen oder bekannten Nacherben nicht möglich. Die Rechte der, wenn auch nur potentiell weiteren Erben würden hierdurch verletzt.

3. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen läßt sich die Wirksamkeit der Hofaufgabeerklärung weder bejahen noch - wie aber das Beschwerdegericht angenommen hat - verneinen.

a) Soweit das Beschwerdegericht die Enkelkinder des Beteiligten zu 1 als potentielle Nacherben angesehen und folglich deren Zustimmung für erforderlich gehalten hat, ist ihm nicht zu folgen. Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, daß Enkelkinder des Beteiligten zu 1 in dem Testament des Erblassers nicht bedacht sind. Bedacht sind die "leiblichen und ehelichen Kinder" des Beteiligten zu 1, ersatzweise die "leiblichen und ehelichen Kinder" der Schwester des Beteiligten zu 1 und wiederum ersatzweise die Schwester des Beteiligten zu 1 selbst.

b) Soweit die Schwester des Beteiligten zu 1 als Ersatznacherbin eingesetzt ist, fehlt zwar ihre Zustimmung. Diese ist aber entbehrlich, wenn die Schwester des Beteiligten zu 1 nicht wirtschaftsfähig im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 6 Abs. 6 Satz 1 und 2 HöfeO ist. Sie schiede dann als Erbin aus. Ob die Bedachte wirtschaftsfähig ist, ist nicht festgestellt. Hohes Alter schließt für sich genommen die Wirtschaftsfähigkeit zwar nicht aus (Wöhrmann/Stöcker, § 6 Rdn. 116 ff.), gibt aber Anlaß zu besonderer Nachprüfung.

c) Soweit "die leiblichen und ehelichen Kinder" des Beteiligten zu 1 bzw. von dessen Schwester "zu gleichen Teilen" eingesetzt sind, ist eine solche Hoferbenbestimmung nicht möglich. Eingesetzt werden kann nur eine natürliche Person als Alleineigentümer oder ein Ehepaar (siehe nur Wöhrmann/Stöcker, § 7 Rdn. 25, 26, 28). Es ist daher tatrichterlich zu prüfen, ob diese - sonst unwirksame - Erbeinsetzung im Wege der Auslegung oder Umdeutung (vgl. Wöhrmann/Stöcker, § 7 Rdn. 69; von Jeinsen, in: Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, § 7 Rdn. 21; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, § 7 Rdn. 8) als eine dem Höferecht entsprechende Verfügung aufrechterhalten werden kann.

d) Zu prüfen bleibt schließlich auch, ob es nach der testamentarischen Nacherbenbestimmung ausgeschlossen ist, daß noch weitere, jetzt noch nicht bekannte Nacherben in Betracht zu ziehen sind. Da jedenfalls deren Zustimmung fehlt, scheiterte der Antrag dann an diesem Erfordernis. Diese Frage bedarf dann der Klärung, wenn die Einsetzung der "leiblichen und ehelichen Kinder" des Beteiligten zu 1 bzw. von dessen Schwester, obwohl "zu gleichen Teilen" bedacht, aufrechterhalten werden kann. Es müßte dann insbesondere, ebenfalls durch Auslegung, ermittelt werden, ob darunter auch Adoptivkinder fallen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. November 1982, IVa ZR 52/81, AgrarR 1983, 157), da deren Hinzutreten nicht ausgeschlossen werden kann.

Ende der Entscheidung

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