Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.05.1998
Aktenzeichen: BLw 41/97
Rechtsgebiete: LwAnpG


Vorschriften:

LwAnpG § 42 Abs. 1
LwAnpG § 43 Abs. 1
LwAnpG § 44 Abs. 1
LwAnpG §§ 42 Abs. 1, 43 Abs. 1, 44 Abs. 1

a) Zur Ermittlung seiner Beteiligung am Liquidationserlös kann das Mitglied schon während des Liquidationsverfahrens Auskunft und Einsicht verlangen.

b) In der Weigerung eines Mitglieds, dem Unternehmen neuer Rechtsform anzugehören, kann eine Kündigung der Mitgliedschaft liegen, sofern die Weigerung nicht erkennbar darauf beruht, daß das Mitglied die Umwandlung für unwirksam hält und weiterhin der LPG angehören möchte.

BGH, Beschl. v. 8. Mai 1998 - BLw 41/97 - OLG Brandenburg AG Fürstenwalde


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

BLw 41/97

vom

8. Mai 1998

in der Landwirtschaftssache

betreffend die Erteilung einer Auskunft und Zahlung einer Abfindung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 8. Mai 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt und Dr. Wenzel sowie die ehrenamtlichen Richter Kreye und Dahm

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Senats für Landwirtschaftssachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Juli 1997 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Fürstenwalde vom 10. März 1997 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten der beiden Rechtsmittelverfahren, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin, zu tragen.

Der Geschäftswert für die beiden Rechtsmittelverfahren wird auf 41.352 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 15. Juli 1978 verstorbene Ehemann der Antragstellerin war seit 1. März 1960 Mitglied der LPG Typ I "F. " G. S. . Die Antragstellerin trat am 1. April 1968 in die LPG ein. Zum 1. Juli 1973 wurde die LPG in eine LPG Typ III umgewandelt und von der LPG Typ III "V. P. " P. übernommen. Der Ehemann der Antragstellerin brachte 27,27 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 6,35 ha Waldfläche ein. Ferner leistete er Inventarbeiträge in Höhe von insgesamt 34.987 Mark, davon 13.635 Mark für Pflichtinventarbeiträge. Er wurde von der Antragstellerin sowie seinen drei Kindern zu je 1/4 beerbt. Die Kinder waren nicht Mitglieder der LPG.

Mit Schreiben vom 25. September 1990 verlangte die Antragstellerin die Rückzahlung des Inventarbeitrags unter gleichzeitigem Hinweis darauf, daß damit keine Kündigung der LPG-Mitgliedschaft verbunden sei. An den folgenden Mitgliederversammlungen nahm sie teil. In der Mitgliederversammlung vom 15. Oktober 1991 beschloß die LPG ihre Umwandlung in einen Verein mit der Bezeichnung "L. P. ". In der Liste derjenigen Mitglieder, die dem Verein beitraten, ist zwar der Name der Antragstellerin aufgeführt, nicht aber ihre Unterschrift enthalten. In einem Gespräch mit dem damaligen Vorsitzenden der LPG am 16. Oktober 1991 verweigerte sie den Beitritt zum Verein. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1991 forderte sie unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 25. September 1990 die "Rückzahlung des Inventarbeitrages zuzüglich der Anteile aus der Vermögensentwicklung".

Am 4. Februar 1992 wurde der Verein in das Vereinsregister eingetragen. Den Antrag auf Umschreibung des Grundeigentums von der LPG auf den Verein lehnte das Bezirksgericht Potsdam mit Beschluß vom 19. März 1993 rechtskräftig ab, weil die Umwandlung unwirksam sei. Die Antragsgegnerin betrachtet sich daher als seit dem 1. Januar 1992 in gesetzlicher Liquidation befindlich.

Mit Schreiben vom 5. Juli 1993 machte die Antragstellerin Ansprüche gemäß § 44 LwAnpG geltend. Im Wege eines Stufenantrags hat sie

1. Zahlung des Inventarbeitrags,

2. Auskunftserteilung über die Vermögensbilanz der Antragsgegnerin zum 31. Dezember 1991 und über einzelne Ansätze dieser Bilanz,

3. die Versicherung der Richtigkeit der danach zu erteilenden Auskunft an Eides statt sowie

4. die Zahlung des sich aus der Auskunftserteilung ergebenden weiteren Abfindungsbetrages

verlangt.

Durch Beschluß vom 10. März 1997 hat das Landwirtschaftsgericht dem Antrag zu 2 entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht die Entscheidung abgeändert und sämtliche Anträge abgewiesen. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht vertritt die Auffassung, daß die Antragstellerin weiterhin Mitglied der Antragsgegnerin sei und ihr die geltend gemachten Ansprüche deswegen nicht zustünden. Das Schreiben vom 20. Dezember 1991 nehme auf das Schreiben vom 25. September 1990 Bezug, ohne erkennbar zu machen, daß die Mitgliedschaft nunmehr beendet werden sollte. Ein entsprechender Wille sei nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zum Ausdruck gekommen. Dies gelte um so mehr, als die Antragstellerin weiterhin an den nachfolgenden Mitgliederversammlungen teilgenommen und auf der Anwesenheitsliste der Mitglieder unterzeichnet habe. Dies stehe auch der Annahme entgegen, daß in dem unterbliebenen Beitritt zum Verein eine konkludente Kündigung gelegen habe. Im übrigen enthalte der bloße Nichtbeitritt zur neuen Rechtsform für sich allein grundsätzlich noch keine Kündigung der LPG-Mitgliedschaft. Da anderweitige Anknüpfungspunkte für eine Kündigung vor dem 1. Januar 1992 nicht erkennbar seien, stehe der Antragstellerin ein fälliger Abfindungsanspruch nicht zu. Der auf Auskehrung nach Tilgung der Schulden sowie nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist fällige Anspruch auf Auskehrung des der Antragstellerin zustehenden Anteils am Ergebnis der Liquidation sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Ein Anspruch auf Auskunft und Einsichtnahme während der Liquidation bestehe nur, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben seien, daß die Liquidatoren der LPG die für eine ordnungsgemäße Liquidation erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hätten. Ein solcher Anspruch sei jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens. Erweise sich der Stufenantrag mangels Leistungsanspruchs insgesamt als unbegründet, so könne das Beschwerdegericht auch die noch in erster Instanz schwebenden Anträge abweisen.

Die Entscheidung hält der Rechtsbeschwerde nicht stand.

III.

1. Zutreffend ist allerdings der von dem Beschwerdegericht eingenommene Rechtsstandpunkt, daß das Rechtsmittelgericht bei einem Stufenantrag entsprechend den für den Zivilprozeß entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHZ 94, 268, 275) auch die in erster Instanz verbliebenen Anträge abweisen kann, wenn sich der bei ihm anhängige Auskunftsanspruch aufgrund von Überlegungen als unbegründet erweist, die auch den weiteren, im Rahmen des Stufenantrags geltend gemachten Ansprüchen die Grundlage entziehen. Die angefochtene Entscheidung hat jedoch aus anderen Gründen keinen Bestand.

2. Selbst vom Standpunkt des Beschwerdegerichts aus, daß die Antragstellerin noch Mitglied der Antragsgegnerin ist, ist der geltend gemachte Auskunftsanspruch begründet. Die Antragstellerin hätte in diesem Fall zwar keinen Anspruch nach § 44 LwAnpG, sondern nur einen Anspruch darauf, daß das Vermögen der LPG "unter Beachtung des § 44 LwAnpG" aufgeteilt wird. Diesen Anspruch kann das Mitglied im Wege eines Feststellungsantrags verfolgen, daß bei der Verteilung des Liquidationserlöses zu seinen Gunsten ein bestimmter Abfindungsanspruch zu berücksichtigen sei (Senatsbeschl. v. 1. Juli 1994, BLw 103/93, AgrarR 1994, 365 = WM 1994, 1765). Um diesen Abfindungsanspruch bemessen zu können, hat das Mitglied schon während des Liquidationsverfahrens ein rechtliches Interesse an uneingeschränkter Auskunftserteilung und Einsichtnahme in die maßgebenden Unterlagen (vgl. BGHZ 124, 199 ff). Der Anspruch setzt entgegen der von dem Beschwerdegericht vertretenen Auffassung (OLG-NL 1995, 212, 214) nicht voraus, daß Anhaltspunkte dafür bestehen, der Liquidator habe die für eine ordnungsgemäße Liquidation erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Denn er bezweckt nicht eine Kontrolle des Liquidationsverfahrens, sondern die Befähigung des Mitglieds, den bei der Verteilung des Liquidationserlöses auf ihn entfallenden - prozentualen - Anteil berechnen zu können. Das gegen die Auskunftsverpflichtung eingelegte Rechtsmittel war daher - selbst vom Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts her - unbegründet, so daß auch für die Abweisung der in erster Instanz verbliebenen Zahlungsanträge kein Raum war. Die Antragstellerin hätte vielmehr Gelegenheit erhalten müssen, ihre Zahlungsanträge auf die im Rahmen des Liquidationsverfahrens geltenden Besonderheiten umzustellen.

3. Eine solche Umstellung ist jedoch tatsächlich nicht erforderlich, weil der Senat der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu folgen vermag, daß die Antragstellerin noch Mitglied der Antragsgegnerin sei. Die Entscheidung ist daher auch aus diesem Grunde aufzuheben.

a) Zutreffend erkennt das Beschwerdegericht allerdings, daß die Kündigung der Mitgliedschaft nicht ausdrücklich mündlich oder schriftlich erklärt zu werden braucht, sondern auch konkludent erfolgen kann (BGHZ 124, 204; Senatsbeschl. v. 1. Juli 1994, BLw 30/94, AgrarR 1995, 24). Fehlerhaft mißt es jedoch der Weigerung der Antragstellerin vom 16. Oktober 1991, dem Verein beizutreten, nicht die Bedeutung einer Kündigungserklärung zu. Die Auslegung einer Willenserklärung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Rechtsbeschwerdeverfahren nur beschränkt nachprüfbar (vgl. BGH, Urt. v. 8. Dezember 1989, V ZR 53/88, WM 1990, 423). Diese Nachprüfung ergibt hier aber, daß die Auslegung gegen den anerkannten Auslegungsgrundsatz verstößt, daß aus Umständen, die erst nach Zugang der Erklärung zutage treten, nicht geschlossen werden kann, der Empfänger habe die Erklärung in einem anderen als den beim Zugang erkennbaren Sinn verstehen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 1988, V ZR 49/87, WM 1988, 1599 f m.w.N.). Das Beschwerdegericht durfte daher aus der Tatsache, daß die Antragstellerin weiterhin an den Mitgliederversammlungen teilgenommen und auf der Anwesenheitsliste unterzeichnet hat, nicht schließen, die erklärte Weigerung, dem Verein beizutreten, beinhaltete keine Kündigung.

b) Darüber hinaus gibt es keinen Rechtssatz des von dem Beschwerdegericht formulierten Inhalts, daß der Nichtbeitritt zum Unternehmen neuer Rechtsform für sich allein grundsätzlich noch keine Kündigung der LPG-Mitgliedschaft bedeute. Gehen die Parteien, wie hier, übereinstimmend davon aus, daß die LPG durch Beschluß der Mitgliedervollversammlung in eine neue Rechtsform umgewandelt werden soll, so kann die dem Vorstand der LPG gegenüber erklärte Weigerung eines Mitglieds, dem neuen Verband anzugehören, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nur dahin verstanden werden, daß das Mitglied aus Anlaß der Umwandlung aus der LPG ausscheiden will. Etwas anderes hätte nur dann zu gelten, wenn das Mitglied von einem Fortbestehen der LPG trotz des gefaßten Umwandlungsbeschlusses ausgegangen wäre, also die Wirksamkeit dieses Beschlusses geleugnet hätte. Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht gegeben. Der damalige Vorsitzende der LPG konnte daher die ihm am 16. Oktober 1991 erklärte Weigerung, dem Verein beizutreten, nur als Kündigung der Mitgliedschaft auffassen. Wie die Antragstellerin sich in der Folgezeit weiter verhielt, war dann nicht mehr von Bedeutung.

4. Nach alledem ist festzuhalten, daß die Antragstellerin die Mitgliedschaft vor Eintritt der gesetzlichen Liquidation beendet hatte. Daß die Kündigung erst nachher wirksam geworden ist, steht den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen. Denn der Abfindungsanspruch ist immer dann gegeben, wenn das Mitglied sein Recht, die Mitgliedschaft durch Kündigung zu beenden, wirksam ausgeübt hat. Hat das Mitglied die Kündigung erklärt, wird der Anspruch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die LPG vor Wirksamwerden der Kündigung die Liquidation beschließt (BGHZ 124, 199, 201). Dasselbe gilt, wenn - wie hier - die Liquidation vor Wirksamwerden der Kündigung von Gesetzes wegen eingetreten ist.

Die Rechtsbeschwerde ist somit begründet; der angefochtene Beschluß ist aufzuheben. Da mit der Aufhebung die von dem Beschwerdegericht abgewiesenen Zahlungsanträge wieder in erster Instanz anhängig sind, bedarf es insoweit keiner Zurückverweisung (vgl. BGH, Urt. v. 24. Mai 1995, VIII ZR 146/94, NJW 1995, 2229, 2230).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.

Ende der Entscheidung

Zurück