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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.12.2004
Aktenzeichen: I ZB 14/04
Rechtsgebiete: PatKostG, MarkenG


Vorschriften:

PatKostG § 7 Abs. 1 Satz 2
PatKostG § 7 Abs. 1 Satz 1
MarkenG § 47 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZB 14/04

vom 2. Dezember 2004

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Marke Nr. 293 228

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß des 32. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 10. März 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Schutz für die am 30. Juni 1922 angemeldete Wortmarke

Kanold

wurde zuletzt mit Wirkung vom Juni 1992 verlängert. Die niederländischen Vertreter der Markeninhaberin beauftragten die deutschen Patentanwälte V. & Partner mit Schreiben vom 30. November 2001 mit der Zahlung der Verlängerungsgebühr über den 30. Juni 2002 hinaus.

Im Januar 2003 stellte die Markeninhaberin fest, daß die Verlängerungsgebühr nicht entrichtet worden war. Sie zahlte daraufhin am 28. Februar 2003 die Verlängerungsgebühr und den Verspätungszuschlag und stellte zugleich den Antrag, ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr samt Verspätungszuschlag zu gewähren. Zur Begründung trug sie u.a. vor, die bei den Patentanwälten V. & Partner angestellte Frau O. habe nach dem Eingang des Schreibens vom 30. November 2001 ein auf den 6. Dezember 2001 datiertes Schreiben an die niederländischen Vertreter der Markeninhaberin vorbereitet, in dem die Zahlung der Verlängerungsgebühr angekündigt worden sei. Dieses Schreiben sei dem Patentanwalt Dr. B. vorgelegt worden, nicht aber - wie in solchen Fällen sonst üblich - zugleich auch der Abbuchungsauftrag für die zu entrichtende Verlängerungsgebühr.

Die zuständige Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist erfolglos geblieben.

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt und geltend macht, der angefochtene Beschluß sei nicht mit Gründen versehen.

II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, daß die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr nicht vorlägen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Vortrag der Markeninhaberin ergebe nicht, daß die Zahlungsfrist ohne Verschulden versäumt worden sei. Ein Verlängerungsvorgang sei so konzipiert gewesen, daß er den Verlängerungsauftrag (Abbuchungsauftrag) an das Amt, den Berichtsbrief und die zugehörige Rechnung an den Kunden enthalten habe. Im vorliegenden Fall habe jedoch lediglich ein einziges Schreiben in den Akten gelegen. Dieser Verstoß gegen interne Vorschriften hätte dem für die Zahlung verantwortlichen Patentanwalt Dr. B. im Rahmen seiner Nachprüfungspflicht auffallen müssen, und es hätte der Überprüfung und eventueller, diesem Sonderfall angemessener Instruktionen bedurft.

III. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die Statthaftigkeit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde folgt daraus, daß im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel gerügt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 26/01, GRUR 2004, 77, 78 = WRP 2003, 1445 - PARK & BIKE, m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs sowie darauf, daß der angefochtene Beschluß nicht mit Gründen versehen sei (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 und 6 MarkenG). Dies hat sie im einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Rüge der Markeninhaberin, der Beschluß sei nicht mit Gründen versehen (§ 79 Abs. 2, § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG), greift durch.

a) Dem Erfordernis einer Begründung ist genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt, das ein Verfahrensbeteiligter vorgetragen hat (vgl. BGH GRUR 2004, 77, 78 - PARK & BIKE, m.w.N.). Ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist bei einem solchen Vorbringen gegeben, das für sich allein rechtsbegründend, rechtsvernichtend, rechtshindernd oder rechtserhaltend wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.1991 - X ZB 5/91, GRUR 1992, 159, 161 - Crackkatalysator II [zu § 100 Abs. 3 Nr. 5 PatG a.F.]; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 83 Rdn. 38). Die Rechtsbeschwerde rügt mit Recht, daß ein solches Vorbringen der Markeninhaberin in dem angefochtenen Beschluß übergangen worden ist.

b) Die Markeninhaberin hat in ihrer Beschwerdebegründung - ebenso wie auch schon in ihrem Wiedereinsetzungsantrag - vorgetragen, die damals als Vertreter der Marke eingetragenen Rechtsanwälte L. hätten ein Informationsschreiben des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Oktober 2002 zum Ablauf der Schutzdauer und zu den Folgen einer nicht rechtzeitigen Zahlung der Verlängerungsgebühr mit Anschreiben vom 28. Oktober 2002 an die niederländischen Vertreter der Markeninhaberin weitergeleitet, bei denen das Schreiben jedoch nicht eingegangen sei.

c) Bei diesem Vorbringen der Markeninhaberin handelt es sich um ein selbständiges Angriffsmittel. Denn mit ihm wird geltend gemacht, daß der der Markeninhaberin - auch schon in der Entscheidung der Markenabteilung - angelastete Fehler ihres Verfahrensbevollmächtigten von Ende 2001 nicht ursächlich gewesen sei für die mit dem Ablauf des Jahres 2002 nicht mehr durch die Zahlung eines Verspätungszuschlags abwendbare Fristversäumung. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, daß das Vorbringen zum Geschehen im Oktober 2002 - seine von der Markeninhaberin glaubhaft zu machende Richtigkeit unterstellt - die mit einem dem Patentanwalt Dr. B. im Dezember 2001 unterlaufenen Fehler begründete Versagung der Wiedereinsetzung zu Fall bringen könnte. Denn nur ein ursächliches Verschulden schließt die Wiedereinsetzung aus. Daran aber fehlt es, wenn ein schuldhaftes Verhalten seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis verliert (vgl. BGH, Beschl. v. 29.5.1974 - IV ZB 6/74, VersR 1974, 1001, 1002; BAGE 24, 81, 83 f. = BAG NJW 1972, 735 und BVerwG PersV 1989, 433 [insoweit in BVerwGE 81, 122 nicht abgedruckt] jeweils betr. den Fall, daß eine Rechtsmittelschrift so frühzeitig zur Post gegeben worden ist, daß sie trotz fehlerhafter Adressierung normalerweise noch rechtzeitig hätte bei Gericht eingehen müssen; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 233 Rdn. 22, 22a). Ein vergleichbarer Fall könnte auch vorliegend in Betracht kommen. Denn es geht im Streitfall um die Versäumung der mit der Entrichtung eines Verspätungszuschlags bis zum 31. Dezember 2002 laufenden Frist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG. Mit deren Einhaltung wäre die Löschung der Marke wegen der Nichtentrichtung der Verlängerungsgebühr nach § 47 Abs. 3 MarkenG innerhalb der am 31. August 2002 abgelaufenen Frist des § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG verhindert worden. Mit dem hierzu von der Markeninhaberin gehaltenen Vortrag, das im Hinblick auf die am 31. Dezember 2002 ablaufende Frist an ihre niederländischen Vertreter gerichtete Schreiben der Rechtsanwälte L. vom 28. Oktober 2002 sei auf dem Postweg verlorengegangen, hat sich das Bundespatentgericht nicht auseinandergesetzt. Die angefochtene Entscheidung enthält daher keine Feststellung zu der Frage, ob die Markeninhaberin die bis zum 31. Dezember 2002 laufende Frist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG unverschuldet versäumt hat.

Die Frage, ob die Versäumung der verlängerten Frist als unverschuldet anzusehen ist, ist im Rahmen der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht zu entscheiden.

IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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