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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: I ZB 19/00
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Wird der Name einer Romanfigur angesichts ihrer Bekanntheit vom Verkehr als Synonym für einen bestimmten Charakter verstanden, fehlt ihm jede Unterscheidungskraft für Druckereierzeugnisse und Dienstleistungen im Medienbereich.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZB 19/00

Verkündet am: 5. Dezember 2002

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Marke Nr. 396 19 425

Winnetou

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und Dr. Büscher

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 28. April 2000 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluß des 32. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt die teilweise Löschung der Wortmarke Nr. 396 19 425 "Winnetou" und zwar bezüglich der Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse; Filmproduktion; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern und Zeitschriften".

Sie hat geltend gemacht, es liege der Löschungsgrund des § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG vor, weil die Eintragung entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG erfolgt sei; mit ihr werde eine Umgehung der Gemeinfreiheit der Romanfigur "Winnetou" erreicht. Im übrigen stehe dem Markenschutz auch ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und das Fehlen der Unterscheidungskraft der Marke entgegen.

Die Markeninhaberin hat dem Antrag widersprochen.

Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat antragsgemäß die teilweise Löschung der Marke angeordnet.

Die Beschwerde der Markeninhaberin, die das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis mit den Worten "ausgenommen die Werke von Karl May selbst" eingeschränkt hat, ist erfolglos geblieben (BPatGE 42, 250).

Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt, verteidigt die Markeninhaberin den Bestand ihrer Marke.

II. Das Bundespatentgericht hat den Übergang der Antragstellerin auch auf den Löschungsgrund des § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG für verfahrensrechtlich zulässig und das Teillöschungsbegehren für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Die angegriffene Marke stelle für die im Löschungsverfahren angegriffenen Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, weil sie angesichts der Bekanntheit der hinter ihr stehenden Romanfigur geeignet erscheine, vom angesprochenen Verkehr als Sachhinweis auf den Inhalt oder den Gegenstand der Dienstleistungen und Waren zu dienen, die sich mit dem Leben und Sterben von Winnetou befaßten. Winnetou sei Gegenstand vielfältiger Publikationen in Druck, Film und Ton. Darüber hinaus sei Winnetou im allgemeinen Bewußtsein zur Bezeichnung eines bestimmten Menschentypus, des edlen Indianerhäuptlings, geworden. Das Freihaltungsbedürfnis beziehe sich nicht nur auf Druckereierzeugnisse, sondern erstrecke sich auch auf die selbständigen Dienstleistungen "Filmproduktion" und "Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern und Zeitschriften".

Darüber hinaus habe auch schon im Zeitpunkt der Eintragung der Marke die erforderliche Unterscheidungskraft gefehlt. Angesichts seiner Bekanntheit als Romanfigur von Karl May sei der Name "Winnetou" nicht geeignet, auf die Waren- oder Dienstleistungsherkunft hinzuweisen. Für eine Verkehrsdurchsetzung des Namens für die Markeninhaberin fehle es an jedem Nachweis.

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

Rechtsfehlerfrei hat das Bundespatentgericht die Schutzfähigkeit der Marke "Winnetou" für die streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen verneint und die beantragte Teillöschung der Marke bestätigt.

1. Verfahrensrechtliche Bedenken bestehen nicht dagegen, daß das Bundespatentgericht seine Entscheidung auf den Löschungsgrund des § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG gestützt und § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zur Begründung der Löschungsreife herangezogen hat. Die Antragstellerin hat ihr Begehren ausdrücklich auch auf die genannten Eintragungshindernisse gestützt; hierauf hat sich die Markeninhaberin rügelos eingelassen. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, die Antragstellerin habe keinen den Streitgegenstand der Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG hinreichend bestimmenden Antrag gestellt, greift nicht durch.

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache keinen Erfolg. Die Marke kann im angegriffenen Umfang keinen Bestand haben. Ihr steht der Löschungsgrund des § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

a) Das Bundespatentgericht hat der Marke "Winnetou" die erforderliche Unterscheidungskraft für die streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen abgesprochen, weil der Name "Winnetou" zwar ursprünglich phantasievoll gewesen sein möge, jedoch als überaus bekannter Buchtitel nicht mehr geeignet sei, auf die Herkunft der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen hinzuweisen, sondern vom Verkehr als Hinweis auf die in dem bekannten Werk enthaltene Leistung (Inhaltsangabe) verstanden werde. Gegen diese tatrichterliche Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

Gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind Marken zu löschen, denen für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen von solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (BGH, Beschl. v. 13.6.2002 - I ZB 1/00, GRUR 2002, 1070, 1071 = WRP 2002, 1281 - Bar jeder Vernunft, m.w.N.). Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten.

Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis auszuräumen. Kann demnach einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft, m.w.N.).

Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts hatte sich der Name "Winnetou" bereits im Eintragungszeitpunkt aufgrund der Bekanntheit der Romanfigur von Karl May zum Synonym für einen rechtschaffenen Indianerhäuptling entwickelt. Gerade darauf beruhe die Eignung dieses Namens, als Sachhinweis auf den Inhalt oder Gegenstand der im Streitfall fraglichen Waren oder Dienstleistungen dienen zu können, die sich mit dieser Romanfigur befaßten.

Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde erfolglos mit der Rüge, das Bundespatentgericht habe derartige Feststellungen nicht aus eigener Sachkunde treffen können. Die Beurteilung durch das Bundespatentgericht steht - anders als die Rechtsbeschwerde, die insoweit lediglich ihre eigene Auffassung an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzt, meint - in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung und kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Insbesondere steht der Annahme des Bundespatentgerichts nicht entgegen, daß die Vorstellung des Verkehrs über die Romanfigur durchaus im Detail sehr unterschiedlich geprägt sein kann.

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Unterscheidungskraft des Namens "Winnetou" kraft Verkehrsdurchsetzung folge aus der Bekanntheit der Romantrilogie "Winnetou" von Karl May insofern, als die Bekanntheit eines Titels nach der Rechtsprechung des Senats die Schlußfolgerung nahelege, daß er vom Verkehr auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Druckschrift verstanden werde. Dieser Erfahrungssatz bezieht sich, was die Rechtsbeschwerde vernachlässigt, nur auf Titel von periodisch erscheinenden Werken, wie Zeitungen und Zeitschriften, die sich angesichts ihres regelmäßigen Erscheinens zu einem Hinweis auf die betriebliche Herkunft entwickeln können (BGH, Urt. v. 12.11.1998 - I ZR 84/96, GRUR 1999, 581, 582 = WRP 1999, 519 - Max; Urt. v. 29.4.1999 - I ZR 152/96, GRUR 2000, 70, 71 = WRP 1999, 1279 - SZENE; Urt. v. 22.9.1999 - I ZR 50/97, GRUR 2000, 504, 505 = WRP 2000, 533 - FACTS). Bei Einzelwerken, um die es im Streitfall geht, ist für die Heranziehung des Erfahrungssatzes dagegen kein Raum.

Die Beurteilung des Bundespatentgerichts bezieht sich mit Recht nicht nur auf die streitgegenständlichen Waren, nämlich "Druckereierzeugnisse", sondern auch auf die in Frage stehenden Dienstleistungen. Denn der beschreibende Begriffsinhalt des Namens "Winnetou" betrifft nicht nur die Werke als solche, sondern gleichermaßen auch die Dienstleistungen, mittels deren die Werke entstehen. Denn der Verkehr wird den schlagwortartig der Romanfigur "Winnetou" innewohnenden Aussagegehalt als allgemein verständliche Beschreibung des Inhalts der Produktion verstehen und ohne weitere Überlegung auf die Dienstleistungen selbst beziehen, für die die Marke eingetragen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.2001 - I ZB 54/98, GRUR 2001, 1042, 1043 = WRP 2001, 1205 - REICH UND SCHOEN).

Ist demnach von dem beschreibenden Begriffsinhalt (Romanfigur) des Namens "Winnetou" auszugehen, kann der Marke deshalb die erforderliche konkrete Unterscheidungseignung und damit die Unterscheidungskraft nicht zugesprochen werden, so daß der Löschungsgrund des § 50 Abs. 1 Nr. 3 , § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben ist.

b) Bei dieser Sachlage kommt es auf die vom Bundespatentgericht bejahte Frage, ob auch das Eintragungshindernis eines Freihaltungsbedürfnisses im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, nicht mehr an. Insofern wäre aber der vorerwähnte beschreibende Begriffsinhalt des Markenwortes von Bedeutung. Die schon vom Bundespatentgericht nicht abschließend beantwortete Frage, ob auch der Löschungsgrund des Eintragungshindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG vorliegt, bedarf keiner Entscheidung.

IV. Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Markeninhaberin (§ 90 Abs. 2 MarkenG) zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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