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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.06.1998
Aktenzeichen: I ZB 30/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233 Ga
ZPO § 233 Ga

Erhält der Prozeßbevollmächtigte einer Partei vor Ablauf der Berufungsfrist vom Richter die Auskunft, ein Berichtigungsbeschluß sei antragsgemäß ergangen, braucht er nicht vorsorglich für den Fall, daß die Berichtigung im Wege der sofortigen Beschwerde wieder rückgängig gemacht und das ursprüngliche Urteil wieder hergestellt wird, Berufung einzulegen.

BGH, Beschl. v. 25. Juni 1998 - I ZB 30/98 - OLG Celle LG Hannover


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZB 30/98

vom

25. Juni 1998

in der Beschwerdesache

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Juni 1998 durch die Richter Prof. Dr. Ullmann, Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck und Dr. Bornkamm

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. April 1998 aufgehoben.

Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist für die Berufung gegen das Teilanerkenntnisurteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 4. Dezember 1997 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe:

I. Die Klägerin erwirkte gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung, deren erste Ziffer zwei Verbote enthielt, die wiederum mit arabischen Ziffern 1 und 2 bezeichnet wurden. Im Verfahren zur Hauptsache erging am 4. Dezember 1997 ein Teilanerkenntnisurteil, das beide Unterlassungsgebote enthielt. Die Beklagte hatte nur Ziffer 1 dieser Unterlassungsgebote anerkannt. Auf ihren Antrag wurde der Tenor des Urteils durch den ihr am 27. Januar 1998 nach Ablauf der Berufungsfrist (9. Januar 1998) zugestellten Beschluß entsprechend berichtigt. Auf die gegen diesen Beschluß eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin wurde die ursprüngliche Fassung des Urteils wiederhergestellt. Dieser Beschluß wurde der Beklagten am 13. März 1998 zugestellt.

Die Beklagte hat am 17. März 1998 Berufung gegen das Teilanerkenntnisurteil eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß sie bereits bei dem Antrag auf Berichtigung gebeten hatte, die Entscheidung hierüber binnen der Berufungsfrist zu treffen, um zu vermeiden, daß sie Berufung einlegen müsse. Auf telefonische Nachfrage zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist habe der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen erklärt, die Berichtigung sei vorgenommen, so daß eine Berufung überflüssig sei.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der frist- und formgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

II. Die nach § 238 Abs. 2, § 519b Abs. 2, § 547 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO verneint, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Verschulden der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten beruhe, das sich diese gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Dazu hat es ausgeführt: Die Entschließung der Kammer für Handelssachen, das Teilanerkenntnisurteil zu berichtigen, sei bei Ablauf der Frist für die Einlegung der Berufung nicht unanfechtbar oder etwa gar rechtskräftig gewesen. Es sei auch nicht gesichert gewesen, daß die Klägerin die berichtigende Entscheidung nach deren Erlaß nicht mit sofortiger Beschwerde angreifen und die Berichtigung im Falle einer Anfechtung Bestand haben werde. Unter diesen Umständen habe es nahegelegen, Berufung einzulegen und abzuwarten, ob der in die zweite Instanz getragene Hauptsachestreit sich durch unanfechtbare Berichtigung erledige. Die Unterlassung dieser Maßnahme sei eine Verletzung der prozessual gebotenen Sorgfalt.

2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Beklagte mit Erfolg. Ihr ist Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Ihre Prozeßbevollmächtigten trifft kein Verschulden, das sie sich zurechnen lassen müßte (§ 85 Abs. 2 ZPO).

a) Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten durften darauf vertrauen, daß vor Ablauf der Berufungsfrist die Berichtigung auf ihren Antrag ausgesprochen würde und eine Berufung überflüssig sei. Sie hatten erkannt, daß die Berichtigung eines Urteils wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 319 ZPO grundsätzlich keinen Einfluß auf Beginn und Lauf der Rechtsmittelfrist hat. In ihrem Schriftsatz zur Berichtigung hatten sie gebeten, vor Ablauf der Berufungsfrist zu entscheiden. Sie haben auch in der Folgezeit alles ihnen Mögliche und Zumutbare getan, um vor dem 9. Januar 1998 eine Entscheidung über die Berichtigung zu erhalten. Sie setzten sich mit dem Kammervorsitzenden zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist in Verbindung und erhielten die Information, daß dem Berichtigungsantrag stattgegeben worden sei, so daß eine Berufung überflüssig sei. Sie durften demnach davon ausgehen, der im schriftlichen Verfahren gefaßte Beschluß sei wirksam geworden (§ 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.1996 - I ZB 8/96, GRUR 1997, 223 = NJW 1997, 2524 - Ceco). Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten hatten damit keinen Anlaß mehr, Berufung einzulegen.

b) Die Beklagte brauchte auch nicht vorsorglich für den Fall Berufung einzulegen, daß die Klägerin gegen den nunmehr sie belastenden Berichtigungsbeschluß sofortige Beschwerde einlegen würde. Für diesen Fall durfte sie nämlich darauf vertrauen, daß ihr kein prozessualer Nachteil entstehen werde. Von dem Grundsatz, daß die Berichtigung eines Urteils nach § 319 ZPO grundsätzlich keinen Einfluß auf den Beginn und Lauf der Rechtsmittelfristen hat (BGHZ 89, 184, 186; 113, 228, 231 BGH, Urt. v. 9.11.1994 - XII ZR 184/93, NJW 1995, 1033), sind Ausnahmen insbesondere dann anerkannt, wenn erst aus der Berichtigung hervorgeht, daß eine Partei durch das ergangene Urteil beschwert ist (BGH, Beschl. v. 21.5.1985 - VI ZB 4/85, NJW 1986, 935, 936; Beschl. v. 27.6.1995 - VI ZB 8/95, VersR 1996, 214, 215). Im Blick auf diese in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannten Ausnahmefälle, die ihre Grundlage darin haben, daß Verfahrensregeln nicht um ihrer selbst Willen, sondern wesentlich auch im Interesse der Beteiligten geschaffen sind, für die sie nicht zu Fallstricken werden dürfen (BGHZ 113, 228, 231), brauchten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten wegen der Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde der Klägerin gegen den Berichtigungsbeschluß nicht vorsorglich Berufung einzulegen. Sie durften vielmehr darauf vertrauen, daß für sie im Falle eines Erfolgs der sofortigen Beschwerde, die die Berichtigung wieder rückgängig machte, eine neue Berufungsfrist laufen würde, wie dies für den Fall anerkannt ist, daß eine Berichtigung sogleich oder jedenfalls noch vor Ablauf der Berufungsfrist erfolgt, später jedoch auf sofortige Beschwerde des Gegners wieder aufgehoben wird (BGH NJW 1986, 935, 936).

Unter diesen Umständen kann den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten die Versäumung der Berufungsfrist nicht angelastet werden. Der Beklagten war daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Ende der Entscheidung

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