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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: I ZR 132/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Von der Fortgeltung einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers kann jedenfalls nach einer kurzen Übergangsfrist regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Hersteller diese in der aktuellen Preisliste nicht mehr aufführt.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 132/01

Verkündet am: 29. Januar 2004

in dem Rechtsstreit

Fortfall einer Herstellerpreisempfehlung

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. April 2001 im Kostenpunkt und in dem Umfang aufgehoben, der sich aus der nachstehenden Neufassung des Berufungsurteils ergibt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Braunschweig vom 31. Mai 2000 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

1. Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft auch für den Fall, daß das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Markengeräte der Unterhaltungselektronik unter Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu bewerben, die zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung nicht mehr in der angegebenen Höhe besteht.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Werbung in der B. Zeitung vom 28. Oktober 1999 für ein Fernsehgerät der Marke P. und in Anzeigen vom 27. April 2000 für die Autoradiogeräte J. und K. entstanden ist und noch entstehen wird.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Werbeträger und die Auflagenhöhe der in Ziffer 2 näher bezeichneten Werbung zu erteilen.

4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber im Einzelhandel mit Elektronikgeräten.

Die Beklagte warb in der "B. Zeitung" am 28. Oktober 1999 für ein Fernsehgerät der Marke P. (Typ ). In einer weiteren Anzeige vom 27. April 2000 bot die Beklagte sechs Autoradios der Marken S. ( und ), P. ( und ), J. ( ) und K. ( ) an. Dabei stellte sie ihren eigenen Preisen höhere unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller gegenüber.

Die Klägerin hat die Werbung als irreführend beanstandet. Sie hat behauptet, als die Anzeigen erschienen seien, hätten für die von der Beklagten angebotenen Geräte keine unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller mehr bestanden.

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,

1. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Markengeräte unter Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu bewerben, die zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung nicht mehr in der angegebenen Höhe besteht,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer 1 geschilderte Wettbewerbshandlung entstanden ist oder noch entstehen wird,

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Wettbewerbshandlungen gemäß Ziffer 1 begangen hat, wobei die Werbung nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger und Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln ist.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, im Zeitpunkt der Werbung hätten die von ihr angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller nach wie vor Gültigkeit gehabt. Sie habe sich vor Schaltung der Anzeigen von den Herstellern die Fortgeltung der Preisempfehlungen bestätigen lassen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihre Anträge in der mündlichen Verhandlung auf Markengeräte der Unterhaltungselektronik beschränkt und das weitergehende Rechtsmittel zurückgenommen hat. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche wegen irreführender Werbung der Beklagten verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Für das Fernsehgerät P. habe im Oktober 1999 die von der Beklagten in der Werbung angegebene unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers nach wie vor bestanden. Zwar sei das Gerät in der Preisliste der Firma P. vom 23. August 1999 nicht mehr aufgeführt gewesen. Der Hersteller habe die Preisempfehlung jedoch auch nicht ausdrücklich aufgehoben oder geändert und das Gerät noch bis Oktober 1999 verkauft. Auch im Handel sei der Verkauf nach Erscheinen der Preisliste vom 23. August 1999 fortgesetzt worden. Eine konkludente Aufhebung der Preisempfehlung sei ebenfalls nicht erfolgt. Dazu reiche nicht ohne weiteres aus, daß eine Preisempfehlung aufgegeben werde, ohne daß eine Folgeempfehlung an deren Stelle trete. Wenn das Unternehmen die entsprechenden Gegenstände weiterhin verkaufe, sei eine ausdrückliche Aufhebung der Preisempfehlung erforderlich. Ansonsten sei im allgemeinen von der Fortgeltung der alten unverbindlichen Preisempfehlung auszugehen. Die fortbestehende unverbindliche Preisempfehlung sei auch nicht durch die tatsächliche Entwicklung überholt und der Preis auf dem Markt nicht mehr ernsthaft gefordert worden. Zwar spreche vieles dafür, daß es sich bei dem Gerät zum Zeitpunkt der Werbung der Beklagten um ein Auslaufmodell gehandelt habe. Die Klägerin habe jedoch nicht konkret dargelegt und unter Beweis gestellt, daß das Gerät vom Handel zu gegenüber der unverbindlichen Preisempfehlung günstigeren Preisen abgegeben worden sei.

Die beanstandete Anzeige vom 27. April 2000 sei ebenfalls keine irreführende Werbung der Beklagten. Zwar sei die ursprüngliche unverbindliche Preisempfehlung für die Autoradiogeräte von J. und K. durch die nachfolgenden Preislisten ausdrücklich außer Kraft gesetzt worden. Diese hätten den Hinweis enthalten, frühere Preislisten würden ungültig. Für die beworbenen Autoradios könnten jedoch von den Herstellern die unverbindlichen Preisempfehlungen gleichwohl weitergeführt worden sein, auch wenn nichts dafür ersichtlich sei, daß sie in den den Abnehmern zugänglichen Unterlagen zum Zeitpunkt der Werbung der Beklagten noch genannt worden seien. Darauf, daß die Hersteller der Geräte in kartellrechtlich problematischer Weise an den Preisempfehlungen festhielten, komme es für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten nicht an. Die Klägerin habe auch bei den in der Anzeige vom 27. April 2000 angebotenen Geräten nicht dargelegt und nachgewiesen, daß die Voraussetzungen für das Vorliegen unverbindlicher Preisempfehlungen der Hersteller nicht mehr gegeben gewesen seien. Vielmehr habe die Beweisaufnahme ergeben, daß die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller weiterhin ihre Gültigkeit behalten hätten.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung nach dem in der Revisionsinstanz auf Markenartikel der Unterhaltungselektronik beschränkten Unterlassungsantrag. Die Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sind nach der Einschränkung im Revisionsverfahren nur auf die konkreten Verletzungshandlungen (Werbung vom 28. Oktober 1999 für das Fernsehgerät der Marke P. und vom 27. April 2000 für die Autoradiogeräte J. und K. ) bezogen. In diesem Umfang sind sie begründet.

1. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch nach § 3 UWG zu, weil die Beklagte irreführend mit unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller geworben hat.

a) Die Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist unter anderem als irreführend anzusehen, wenn diese im Zeitpunkt der Werbung nicht mehr gültig ist, weil sie keinen Bestand mehr hat und der Werbende auf diesen Umstand nicht hinweist (vgl. zur Werbung mit einer ehemaligen unverbindlichen Preisempfehlung: BGH, Urt. v. 15.9.1999 - I ZR 131/97, GRUR 2000, 436, 437 f. = WRP 2000, 383 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung; Großkomm.UWG/Lindacher, § 3 Rdn. 896). Davon ist im Streitfall auszugehen.

Für das Fernsehgerät der Marke P. bestand zum Zeitpunkt der Werbung der Beklagten am 28. Oktober 1999 keine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers mehr. Gleiches gilt für die am 27. April 2000 von der Beklagten beworbenen Autoradiogeräte der Marken J. und K. .

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Fernsehgerät von P. sei in der im Oktober 1999 gültigen Preisliste des Herstellers vom 23. August 1999 nicht mehr aufgeführt gewesen, weil es sich offensichtlich um ein Auslaufmodell gehandelt habe. Das Gerät sei jedoch von P. noch im Oktober 1999 veräußert worden. Die zuvor gültige Preisempfehlung sei vom Hersteller nicht geändert worden und habe weitergegolten. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 GWB setzt eine zulässige unverbindliche Preisempfehlung voraus, daß sie in der Erwartung ausgesprochen wird, der empfohlene Preis entspreche dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis. Einer Preisempfehlung wohnt im Unterschied zu einer bloßen Meinungsäußerung oder tatsächlichen Mitteilung das Bestreben inne, den Willen derjenigen, an die sie gerichtet ist, in einem bestimmten Sinn zu beeinflussen (BGHZ 39, 370, 373 - Osco-Parat; Immenga/Mestmäcker/Sauter, GWB, 3. Aufl., § 23 Rdn. 14; Bunte in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 22 GWB Rdn. 4). Von der Fortgeltung einer Preisempfehlung kann daher - jedenfalls nach einer kurzen Übergangsfrist - regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Hersteller diese nicht mehr allgemein, etwa in seinen aktuellen Preislisten, anführt (vgl. KG GRUR 1999, 359, 360; Revision nicht angenommen: Beschl. v. 4.2.1999 - I ZR 140/98; einschränkend Klosterfelde in Langen/Bunte aaO § 23 GWB Rdn. 67). Denn es fehlt danach an dem Willen des Herstellers, noch Einfluß auf die Preisbildung des Handels zu nehmen.

Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Fernsehgerät von P. in der aktuellen Preisliste vom 23. August 1999 nicht mehr aufgeführt war, war die bis dahin ausgesprochene unverbindliche Preisempfehlung jedenfalls nach Verstreichen einer kurzen Übergangsfrist von einem Monat überholt. Sie hatte daher im Oktober 1999 keinen Bestand mehr. Daran ändert auch die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht herangezogene Aussage des Zeugen H. nichts. Denn daraus, daß das Fernsehgerät von der Firma P. noch im Oktober 1999 verkauft wurde, ergibt sich nichts für eine Fortgeltung der unverbindlichen Preisempfehlung. Die anders lautende Einschätzung des Zeugen stellt ohne Wiedergabe konkreter Tatsachen, aus denen sich die Fortdauer der unverbindlichen Preisempfehlung ergibt, nur seine persönliche Meinungsäußerung dar.

bb) Dem Berufungsgericht kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als es angenommen hat, für die Autoradiogeräte von J. und K. habe am 27. April 2000 die von der Beklagten in der Werbung angegebene unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller noch bestanden. In den neuen Preislisten vom 1. April 2000 waren die am 27. April 2000 angebotenen Autoradiogeräte von J. und K. nicht aufgeführt. Die früheren Preislisten, die die von der Beklagten angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller enthielten, galten nach Herausgabe der Preislisten vom 1. April 2000 nicht mehr. Denn die neuen Preislisten enthielten den Hinweis, daß frühere Preislisten ihre Gültigkeit verlieren. Daraus ergibt sich, daß die Hersteller die unverbindlichen Preisempfehlungen für diese Geräte mit Erscheinen der neuen Preislisten aufgehoben hatten. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Beklagte sich von den Herstellern durch Einzelabfragen die unverbindlichen Preisempfehlungen für den Zeitpunkt der Werbung hatte bestätigen lassen. Denn in diesen Einzelbestätigungen, die vor dem Erscheinen der neuen Preislisten erstellt wurden, nahmen die Hersteller auf die zum Zeitpunkt der Werbung nicht mehr gültigen Preislisten vom 1. September 1999 Bezug.

Die Irreführung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, weil sie geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2000, 436, 438 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung).

b) Die Werbung der Beklagten mit unzutreffenden unverbindlichen Preisempfehlungen für ein Fernsehgerät und zwei Autoradios begründet die Annahme der Wiederholungsgefahr für Markenartikel der Unterhaltungselektronik (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2002 - I ZR 137/00, GRUR 2003, 446, 447 = WRP 2003, 509 - Preisempfehlung für Sondermodelle). Auf diese hat die Klägerin nach Teilrücknahme der Revision den Unterlassungsantrag beschränkt.

2. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und der Auskunftsantrag, die sich auf die beanstandete Werbung am 28. Oktober 1999 für das Fernsehgerät der Marke P. und am 27. April 2000 für die Autoradiogeräte von J. und K. beziehen, sind begründet.

Der Schadensersatzanspruch folgt aus §§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1 UWG. Die Beklagte hätte wissen müssen, daß die unverbindlichen Preisempfehlungen für die Geräte im Zeitpunkt der Werbung keine Gültigkeit mehr hatten. Nachdem das Fernsehgerät von P. in der aktuellen Preisliste vom 23. August 1999 nicht mehr aufgeführt war, mußte der Beklagten klar gewesen sein, daß die unverbindliche Preisempfehlung im Oktober 1999 keinen Bestand mehr hatte. Entsprechendes gilt ungeachtet der Einzelbestätigungen der Hersteller vom 29. März 2000 auch für die Autoradiogeräte. Diese Einzelbestätigungen waren nach Erscheinen der neuen Preislisten vom 1. April 2000, die frühere Preislisten ausdrücklich aufhoben, erkennbar überholt.

Auch der Auskunftsanspruch ist auf die konkret angeführten Wettbewerbsverstöße zu beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, §§ 566, 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO a.F.

Ende der Entscheidung

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