Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.06.1998
Aktenzeichen: I ZR 15/96
Rechtsgebiete: WZG, MarkenG


Vorschriften:

WZG § 31
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
ALKA-SELTZER

WZG § 31 MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2

Zur Frage der Verwechslungsgefahr von "ALKA-SELTZER" und "TOGAL-SELTZER".

BGH, Urt. v. 18. Juni 1998 - I ZR 15/96 - OLG Köln LG Köln


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 15/96

Verkündet am: 18. Juni 1998

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Ullmann und Dr. Bornkamm

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Dezember 1995 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10. Januar 1995 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Marke Nr. 533 758 "ALKA-SELTZER" für säurebindende brausende Präparate für medizinische und pharmazeutische Zwecke mit Priorität vom 21. Oktober 1936. Unter dieser Marke vertreibt die B. AG als Lizenznehmerin der Klägerin ein Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure.

Für die Beklagte wurde auf ihre Anmeldung vom 27. April 1979 nach im Ergebnis erfolglosem Widerspruch der Klägerin das Zeichen Nr. 1 076 232 "TOGAL-SELTZER" am 24. April 1988 eingetragen. Ende 1993 nahm die Beklagte unter dieser Bezeichnung den Vertrieb eines Schmerzmittels mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure in Form von Brausetabletten auf.

Die Klägerin hat die Verwendung der Bezeichnung "TOGAL-SELTZER" als Verletzung ihrer Marke "ALKA-SELTZER" beanstandet.

Das Landgericht hat der auf Unterlassung, Unkenntlichmachung oder Vernichtung der mit der streitgegenständlichen Bezeichnung versehenen Verpackungen und dergleichen, auf Rechnungslegung, Löschung der beanstandeten Bezeichnung in der Warenzeichenrolle sowie auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung sowohl nach Warenzeichenrecht als auch nach Markenrecht das Klagezeichen "ALKASELTZER", welches zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitze, verletze. Der Gesamteindruck des Zeichens "ALKA-SELTZER" werde zumindest wesentlich durch den Zeichenbestandteil "SELTZER" bestimmt. Die Bezeichnung werde nach dem üblichen Sprachgebrauch und Sprachrhythmus auf dem zweiten Bestandteil "SELTZER" betont, was diesen Bestandteil zum klanglich dominanten Teil mache. Entgegen der Ansicht der Beklagten werde der Bestandteil "SELTZER" vom Verkehr auch nicht als ein beschreibender Begriff für Selterswasser oder Mineralwasser angesehen. Der flüchtige Verbraucher nehme vielmehr an, daß es sich bei "SELTZER" um ein Phantasiewort handele. Dem entspreche auch, daß auf Antrag der Beklagten die Marke "SELTZER" beim Deutschen Patentamt registriert worden sei. Es sei zwar davon auszugehen, daß der Verkehr den Bestandteil "ALKA" nicht als eine Abkürzung von "alkalisch" erkenne, sondern ebenfalls als Phantasiebezeichnung einstufe. Gleichwohl liege der Schwerpunkt auf dem Zeichenbestandteil "SELTZER". Auch bei dem angegriffenen Zeichen "TOGAL-SELTZER" sei der Zeichenbestandteil "SELTZER" prägend. Bei einer mehrgliedrigen Arzneimittelkennzeichnung trete dann, wenn das Zeichen aus einem Herstellernamen und einem weiteren Bestandteil bestehe, die Herstellerbezeichnung allgemein in den Hintergrund. Da beide Arzneimittelkennzeichen durch den Begriff "SELTZER" geprägt würden, sei die Verwechslungsgefahr der beiden Gesamtzeichen zu bejahen.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Klageabweisung.

1. Die wegen Verletzung der Marke der Klägerin geltend gemachten Ansprüche können nur zugesprochen werden, wenn sie sowohl nach den Vorschriften des Warenzeichengesetzes als auch nach denen des Markengesetzes begründet sind (§ 153 Abs. 1, § 163 Abs. 1 MarkenG). Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.

2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Verwechslungsgefahr der beiden Bezeichnungen "ALKA-SELTZER" und "TOGAL-SELTZER". Die Verwechslungsgefahr der beiden Bezeichnungen ist schon nach den Grundsätzen des Warenzeichenrechts zu verneinen, auch wenn berücksichtigt wird, daß angesichts der Warenidentität strenge Maßstäbe an die Prüfung der Verwechslungsgefahr anzulegen sind.

a) Das Berufungsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise von dem das Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz ausgegangen, daß bei der Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.1997 - Rs. C-251/95, GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; BGH, Beschl. v. 29.6.1995 - I ZB 22/93, GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze, m.w.N.). Diese Betrachtung gilt unabhängig davon, ob es sich um die Beurteilung des älteren Klagezeichens oder um die des jüngeren angegriffenen Zeichens handelt (BGH, Urt. v. 5.6.1985 - I ZR 77/83, GRUR 1986, 72, 73 - Tabacco d'Harar; Beschl. v. 4.7.1996 - I ZB 6/94, GRUR 1996, 977 - DRANO/P3-drano).

b) Der genannte Grundsatz beruht auf der Erwägung, daß markenrechtlicher Schutz von der Gestaltung der Marke auszugehen hat, wie sie eingetragen ist, und eine Ähnlichkeit mit einem angegriffenen Zeichen nur in dessen konkreter Verwendung festgestellt werden kann (BGH, Beschl. v. 9.5.1996 - I ZB 11/94, GRUR 1996, 775, 776 = WRP 1996, 903 - Sali Toft). Der Schutz eines aus einem zusammengesetzten Zeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd. Dieser Grundsatz schließt aber nicht aus, daß einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens eine unter Umständen besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden und deshalb bei Übereinstimmung der Bezeichnungen in dem prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen zu bejahen sein kann (vgl. BGHZ 131, 122, 125 - Innovadiclophlont, m.w.N.).

3. Danach ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß bei Mehrwortzeichen der Gesamteindruck durch eine besondere, einem einzelnen Bestandteil einer Marke zukommende Bedeutung und Kennzeichnung so geprägt sein kann, daß die weiteren Bestandteile zurücktreten, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.1996 - I ZB 36/93, GRUR 1996, 404, 405 = WRP 1996, 739 - Blendax Pep; Beschl. v. 14.3.1996 - I ZB 37/93, GRUR 1996, 406, 407 - JUWEL; Urt. v. 4.12.1997 - I ZR 111/95, Umdr. S. 13 - Nitrangin).

a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß bei dem angegriffenen Zeichen "TOGAL-SELTZER" dem Bestandteil "SELTZER" eine das Gesamtzeichen prägende Wirkung zukommt. Bei der Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr sowohl nach Warenzeichenrecht wie nach Markenrecht gilt der Grundsatz, daß eine dem Verkehr bekannte oder erkennbare Herstellerangabe in einem Gesamtzeichen weitgehend in den Hintergrund tritt, weil der Verkehr die Waren meist nicht nach dem Namen des Herstellers unterscheidet, sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Bestandteile zeichenmäßiger Kennzeichnung richtet (BGH GRUR 1996, 404, 405 - Blendax Pep; GRUR 1996, 406, 407 - JUWEL; Beschl. v. 10.7.1997 - I ZB 6/95, GRUR 1997, 897, 898 - IONOFIL). Das Berufungsgericht hat von der Revision unangegriffen festgestellt, daß der Zeichenbestandteil "TOGAL" dem Verkehr als Unternehmenshinweis bekannt ist. In einem solchen Fall liegt für den Verkehr die Annahme nahe, das Unternehmen verwende die bekannte Herstellerangabe zusammen mit zahlreichen produktbezogenen Sortennamen, weshalb in diesen Fällen dem Sortennamen eine das Gesamtzeichen prägende, nämlich das bestimmte Produkt kennzeichnende Bedeutung zukommt (BGH, Beschl. v. 3.12.1976 - I ZB 4/75, GRUR 1977, 218, 219 - MERCOL; BGHZ 131, 122, 125 - Innovadiclophlont). Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft außer acht gelassen, daß dem Verkehr der Name "TOGAL" nicht nur als Herstellerhinweis, sondern auch als Marke bekannt sei, ist nicht begründet. Die Bekanntheit des Herstellernamens und dessen in der Sicht des Verkehrs relativierte Bedeutung als prägendes Unterscheidungsmerkmal eines Gesamtzeichens wird nämlich nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Herstellername wiederholt zur Bildung von Gesamtzeichen herangezogen wird (BGH GRUR 1996, 404, 406 - Blendax Pep).

b) Nicht beigetreten werden kann indessen der Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Bezeichnung "SELTZER" auch im Klagezeichen "ALKA-SELTZER" eine die Gesamtbezeichnung prägende Wirkung zukomme. Den Ausführungen des Berufungsgerichts in diesem Zusammenhang kann schon deshalb nicht beigetreten werden, weil es eine prägende Wirkung des Zeichenbestandteils "SELTZER" im Klagezeichen ersichtlich schon dann für gegeben erachtet, wenn dieser Zeichenbestandteil im Klagezeichen zumindest wesentlich mitbestimmend sei. Aus dieser Beurteilung erschließt sich nicht, daß dem Bestandteil "SELTZER" eine das Gesamtzeichen prägende Wirkung derart zukomme, daß der weitere Bestandteil "ALKA" daneben in den Hintergrund trete. Wird aber der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, so ist kein Element allein geeignet, den Gesamteindruck des Kombinationszeichens zu prägen, weshalb bei einer Übereinstimmung des Gesamteindrucks der beanstandeten Bezeichnung mit nur einem Element des prioritätsälteren Zeichens die zeichenrechtliche und markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen ist (BGH, Urt. v. 11.7.1975 - I ZR 77/74, GRUR 1976, 353, 354 - COLORBOY; Beschl. v. 1.12.1988 - I ZB 5/87, GRUR 1989, 264, 265 - "REYNOLDS R 1/EREINTZ"; Urt. v. 15.11.1990 - I ZR 245/88, GRUR 1991, 319, 320 - HURRICANE; GRUR 1996, 775, 776 - Sali Toft).

Auch seiner Beurteilung, wonach der flüchtige Verbraucher bei der Gesamtbezeichnung "ALKA-SELTZER" die Betonung auf den Bestandteil "SELTZER" lege, weshalb - wie das Berufungsgericht weiter ausführt - diesem Bestandteil prägende Wirkung zukomme, kann nicht beigetreten werden. Zunächst ist zu bemerken, daß für die Beurteilung der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf die Marke in ihrer den Schutz begründenden eingetragenen Form abzustellen ist (§ 15 WZG; § 4 Nr. 1 MarkenG). Auf den Gebrauch des Zeichens durch den "flüchtigen" Verbraucher kann es dabei nicht entscheidend ankommen. Der auf ein Gesamtzeichen bezogene registerrechtliche Schutz darf nicht - ausgenommen den Fall der zur Verkehrsgeltung führenden Benutzung eines Herkunftshinweises (§ 25 WZG; § 4 Nr. 2 MarkenG) - durch die Art der Verwendung des Zeichens durch den flüchtigen, d.h. durch den oberflächlichen und unaufmerksamen Verbraucher erweitert verstanden werden. Die für die Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr maßgebende Sicht des Verkehrs beruht nicht auf konkreten Gebrauchsgewohnheiten des flüchtigen Verkehrs im Einzelfall, sondern auf Erfahrungssätzen, welche Elemente aus einer Gesamtbezeichnung aufgrund der gesamten Gestaltung des Zeichens, des Schriftbildes oder auch der Sprachgewohnheiten hervortreten.

Der vom Berufungsgericht hierzu angestellten Erwägung, im Klagezeichen "ALKA-SELTZER" komme dem Bestandteil "SELTZER" eine prägende Bedeutung schon deshalb zu, weil nach dem "üblichen" Sprachgebrauch die Gesamtbezeichnung auf dem zweiten Bestandteil "SELTZER" betont werde, kann nicht beigetreten werden. Das Berufungsgericht hat selbst nicht verkannt, daß im allgemeinen Wortanfänge stärker beachtet werden als die übrigen Zeichenbestandteile. Auch wenn man die von der Revision angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts als richtig unterstellt, wonach der Verkehr das Klagezeichen "ALKA-SELTZER" nicht auf einer der ersten beiden Silben, sondern erst auf der ersten Silbe des Bestandteils "SELTZER" betone, ist es erfahrungswidrig anzunehmen, damit trete der Anfangsbestandteil "ALKA" in den Hintergrund. Es liegt vielmehr erfahrungsgemäß fern, daß der phantasievolle Bestandteil "ALKA", der leicht aussprechbar ist und in der hellen Vokalfolge weder in der Aussprache noch im Verstehen untergeht, vom Verkehr als nebensächliches Element der Gesamtbezeichnung verstanden werde. Die Betrachtungsweise des Berufungsgerichts zergliedert dagegen in rechtlich nicht zulässiger Weise den durch die Anmeldung und Eintragung des Klagezeichens gewählten einheitlichen Begriff (vgl. auch BGH GRUR 1996, 775, 776 - Sali Toft).

Da das Klagezeichen "ALKA-SELTZER" nicht von dem Bestandteil "SELTZER" geprägt wird, ist die Verwechslungsgefahr der beiden Bezeichnungen "ALKA-SELTZER" und "TOGAL-SELTZER" aus Rechtsgründen zu verneinen. Auf den Grad der Bekanntheft der Klagemarke kommt es dabei nicht an. Dieser trägt nämlich nichts für die Beurteilung bei, ob ein Teil des zusammengesetzten Zeichens und welcher als den Gesamteindruck bestimmend anzusehen ist.

4. Weiterreichende wettbewerbsrechtliche Ansprüche sind nicht Gegenstand der revisionsrechtlichen Beurteilung. Die Klägerin hat die Prüfung ihres Begehrens mit der in der Berufungsverhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung, wonach sie mit dem Unterlassungsantrag den geltendgemachten markenrechtlichen Anspruch verfolge, der Hinweis auf die Packungsbeilage habe lediglich klarstellende Funktion, auf diesen selbständigen Streitgegenstand (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.1998 - I ZR 259/95, Umdr. S. 7 - VENUS MULTI, zur Veröffentlichung bestimmt) in verfahrensrechtlich zulässiger Weise beschränkt.

III. Nach alledem ist auf die Revision der Beklagten die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück