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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.11.1997
Aktenzeichen: I ZR 159/95
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Farbkennummern

UWG § 1

Ein Unternehmen, das auf den Verpackungen seiner Stickgarne die Farbkennummern der Stickgarne eines Wettbewerbers neben seinen eigenen angibt, handelt wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn es sich dadurch beim Vertrieb die Werbebemühungen seines Wettbewerbers auf dessen Kosten zunutze macht.

BGH, Urt. v. 13. November 1997 - I ZR 159/95 OLG Karlsruhe LG Freiburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 159/95

Verkündet am: 13. November 1997

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 1997 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck und Pokrant

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 4. Zivilsenat in Freiburg - vom 1. Juni 1995 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Freiburg vom 14. Mai 1992 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt für Stickgarne und Sticktwiste aus Baumwolle. Sie haben auf dem deutschen Markt für Garne jeweils einen Marktanteil von etwas weniger als 10 %. Marktführer, allerdings in einer niedrigeren Preisklasse, ist mit mehr als 80 % Marktanteil ein drittes Unternehmen.

Die Klägerin kennzeichnet die Farben der von ihr hergestellten Garne seit 1841 nach einem laufend fortentwickelten Kennummernsystem, bei dem jeder Farbe eine bestimmte Zahl mit zwei, drei oder vier Ziffern zugeordnet ist. Die Zahlen und ihre Zusammenstellung sind nicht nach Farbübergängen, sondern willkürlich gewählt. Die Klägerin verwendet die Kennummern zusammen mit dem Herstellerhinweis auf Farbkarten, auf Modellentwürfen und auf den Verpackungen ihrer Garne. Sie benutzt die Kennummern zudem bei den Materialangaben in ihren Handarbeitsanleitungen, die auch von Fachzeitschriften übernommen werden.

Die Beklagte bezeichnet ihre Stickgarne und -twiste ebenfalls mit Kennummern. Anders als in ihren Farbkatalogen verbindet sie auf den Verpackungen ihr Kennummernsystem mit dem der Klägerin. Dem Aufdruck ihrer eigenen Kennummer folgen dabei (nach einem Leerraum von einer Ziffernbreite) die vierstelligen oder - unter Voranstellung einer 0 - dreistelligen Kennummern der Klägerin (z.B. "1911 0841"). Die zweistelligen Kennummern der Klägerin verwendet die Beklagte nicht. Die Verpackungen ihrer Garne tragen deutlich sichtbar das Zeichen "M. ". Mit der Übernahme der Kennummern der Klägerin will die Beklagte auch die Verwendung ihrer Garne bei Handarbeiten nach den Anleitungen der Klägerin erleichtern.

Die Klägerin sieht das Vorgehen der Beklagten als wettbewerbswidrig an. Die Beklagte baue durch die Übernahme ihres Kennummernsystems unzulässig auf ihren Vorarbeiten (insbesondere den Arbeitsanleitungen) auf. Sie täusche die beteiligten Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft ihrer Garne sowie darüber, daß ihre Farben mit den Farben von Garnen der Klägerin mit gleicher Kennummer nicht identisch seien. Zugleich beute die Beklagte durch ihr Verhalten den guten Ruf der Garne der Klägerin aus.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Sticktwiste anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, auf deren Verpackung neben den Farbkennummern der Beklagten die Kennummern der Stickgarne m. s. aus dem D. -Programm der Klägerin identisch oder durch eine Null ergänzt wiedergegeben sind und zwar insbesondere in nachfolgend abgebildeter Form:

Die Beklagte hat ein unlauteres Wettbewerbsverhalten in Abrede gestellt und vorgebracht, die beteiligten Verkehrskreise hätten ein Bedürfnis, die Farben der verschiedenen Hersteller miteinander vergleichen zu können.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte handele nicht wettbewerbswidrig, wenn sie auf den Verpackungen ihrer Garne einer Farbe neben ihrer eigenen Kennummer auch die Kennummer zuordne, welche die Klägerin für dieselbe oder eine nahezu identische Farbe benutze.

Farbbezeichnungen, wie hier die Kennummern, könnten grundsätzlich frei verwendet werden, falls sie nicht auf einen bestimmten Hersteller hinwiesen. Eine solche Herkunftshinweisfunktion hätten die Kennummern der Klägerin nicht.

Die Beklagte täusche durch ihr Vorgehen nicht über die Herkunft ihrer Garne. Die Warenaufmachungen der Parteien seien so unterschiedlich, daß es auch für einen flüchtigen Kunden wenig nahe liege, allein daraus, daß die Beklagte auf ihren Verpackungen auch die Farbkennummern der Klägerin verwende, auf die Herkunft der Garne zu schließen.

Angesprochene Verkehrskreise seien neben den Verbrauchern vor allem Fachgeschäfte für Handarbeiten. Eine von Industrie- und Handelskammern durchgeführte Umfrage habe nicht bestätigt, daß die Verwendung der Kennummern der Klägerin auf den Verpackungen der Beklagten geeignet sei, über den Hersteller oder das Bestehen organisatorischer Beziehungen zwischen den Parteien zu täuschen. Auch die Verbraucher verstünden die Kennummern nicht als betrieblichen Herkunftshinweis.

Aus diesem Grund sei deren Übernahme auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung unlauter. Das Verhalten der Beklagten sei auch nicht deshalb wettbewerbswidrig, weil die Klägerin ihr Kennummernsystem in über 100 Jahren entwickelt habe und die Beklagte durch dessen Übernahme mittelbar aus der Werbung der Klägerin Vorteile ziehe. Die Vereinheitlichung der Farbkennzeichnungen bringe auch der Klägerin Vorteile, die zusammen mit der Beklagten bei hochwertigen Stickgarnen einen überwiegenden Marktanteil habe. Die Beklagte beabsichtige, mit der Übernahme der Kennummern das Auffinden der Farben zu erleichtern, womit sie einem allgemeinen Verkehrsbedürfnis entspreche. Dies rechtfertige zwar nicht schlechthin ihr Verhalten, sei aber mit abzuwägen.

Die Übernahme der Farbkennzeichnungen der Klägerin sei auch nicht als irreführend zu beanstanden; sie sei nicht geeignet, Fehlvorstellungen über die Identität der Farben hervorzurufen. Bei Baumwollgarnen gebe es unstreitig keine völlige Farbidentität. Die Klägerin habe nicht behauptet, daß es bei den Garnen der Beklagten gegenüber ihren Garnen mit derselben Kennummer Farbabweichungen gebe, die den zwangsläufig zuzugestehenden Rahmen überschritten. Es sei auch nicht dargetan, daß die Garne der Beklagten von geringerer Qualität seien.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte handelt durch die Übernähme der Farbkennummern der Klägerin wettbewerbsrechtlich unlauter, weil sie sich dadurch beim Vertrieb ihrer Garne die Werbebemühungen der Klägerin auf deren Kosten zunutze macht (§ 1 UWG; vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 28.3.1996 - I ZR 39/94, GRUR 1996, 781, 784 = WRP 1996, 713 - Verbrauchsmaterialien; vgl. auch österr. OGH GRUR Int. 1985, 590 - OMEGA-Lagerware - und GRUR Int. 1994, 357 - Rohrverschraubungen).

1. Mit der Verwendung der Farbkennummern der Klägerin neben ihren eigenen setzt die Beklagte ihre Garne, zumindest was die Farben betrifft, in offen anlehnender Werbung mit denen der Klägerin gleich. Sie bietet damit ihre Ware gegenüber den Abnehmern - neben den Verbrauchern vor allem Fachgeschäfte für Handarbeiten - ausdrücklich als Ersatz für die Ware der Klägerin an. Dies gilt vor allem in dem Bereich, in dem die Klägerin ihr Kennummernsystem gezielt in der Werbung einsetzt. Es ist unstreitig, daß die Klägerin für ihre Garne u.a. dadurch wirbt, daß sie Anleitungen für Stickarbeiten herausgibt, in denen sie die benötigten Garnmaterialien durch Angabe ihrer Farbkennummern bezeichnet. Dementsprechend wichtig sind diese Kennummern für den Materialeinkauf der Verbraucher, die nach diesen Anleitungen arbeiten wollen. Mit der Übernahme der Kennummern der Klägerin zielt die Beklagte darauf ab, die durch die Werbeanstrengungen der Klägerin geschaffene Nachfrage nach Garnen auf ihre eigenen Waren umzulenken. Mit Hilfe der Gleichsetzung der Kennummern kann die Nachfrage nach Garnen der Klägerin im Fachhandel auch dann umgelenkt werden, wenn bei Handarbeiten, für die Garne der Klägerin eingesetzt werden, ein weiterer Materialbedarf entsteht. Damit verschafft sich die Beklagte die Möglichkeit, in Geschäftsbeziehungen zu (potentiellen) Kunden der Klägerin einzutreten.

Die offene Anlehnung an die Farbkennung und die damit verbundene Ausnutzung der Werbebemühungen der Klägerin ist sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. dazu auch BGH GRUR 1996, 781, 784 - Verbrauchsmaterialien). Die Beklagte ist nicht gezwungen, die Farbkennummern der Klägerin zu verwenden, um den Verwendungszweck ihrer Garne zu bezeichnen, wie dies beim Vertrieb von Ersatzteilen und Zubehör für Waren anderer Hersteller der Fall sein kann (vgl. dazu auch BGH GRUR 1996, 781, 782 f. - Verbrauchsmaterialien, m.w.N.). Sie gibt die Kennummern der Klägerin vielmehr vor allem deshalb an, um sich an deren Werbebemühungen anzuhängen.

Die Gegenüberstellung der Farbkennummern auf den Verpackungen der Beklagten erleichtert allerdings, auch im Interesse der Verbraucher, die Vergleichbarkeit des Angebots der Parteien. Dies ist bei der Abwägung mit in Betracht zu ziehen, kann aber angesichts der sonstigen Umstände die Wettbewerbswidrigkeit nicht ausschließen (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 19.12.1984 - I ZR 79/83, GRUR 1985, 445, 446 = WRP 1985, 336 - Amazonas). Die Gegenüberstellung der Farbkennummern kann zwar - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - unter Umständen auch dazu führen, daß Kunden der Beklagten zur Klägerin wechseln. Es ist aber anzunehmen, daß sich die Beklagte durch ihr Verhalten selbst überwiegende Vorteile erhofft. Die Gegenüberstellung der Farbkennummern ist geeignet, die Nachfrage nach Garnen der Klägerin auch und gerade dann auf die Ware der Beklagten umzulenken, wenn die Garne der Klägerin nicht vorgehalten werden.

2. Bei der gegebenen Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob die offene Anlehnung an die Farbkennummern der Klägerin auch zu einer Täuschung über die Herkunft der Ware, ihre Qualität oder die Farbidentität führt (vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., § 1 UWG Rdn. 547; Köhler/Piper, UWG, § 1 Rdn. 307). Es kann daher offenbleiben, ob das Berufungsgericht die entsprechenden Feststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen hat. Die Klägerin braucht bereits im Hinblick auf die sonstigen Umstände nicht hinzunehmen, daß das beanstandete Verhalten der Beklagten möglicherweise ihr geschäftliches Ansehen schädigt (vgl. Baumbach/Hefermehl aaO § 1 UWG Rdn. 548; vgl. auch österr. OGH GRUR Int. 1994, 357, 359 - Rohrverschraubungen).

3. Hinsichtlich der sonstigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs der Klägerin bestehen keine Bedenken. Solche werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.

III. Auf die Revision der Klägerin war danach das Berufungsurteil aufzuheben und durch Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Erdmann Mees v. Ungern-Sternberg Starck Pokrant

Ende der Entscheidung

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