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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: I ZR 266/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 397
ZPO § 286
ZPO § 565 Abs. 1 Satz 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 266/01

Verkündet am: 24. Juni 2004

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13. September 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist geschäftsführender Alleingesellschafter der R. GmbH (im folgenden: R.-GmbH) in Ahlen, die in den Jahren 1991 und 1992 für die S. -GmbH (im folgenden: S.-GmbH), ein Schwesterunternehmen der Beklagten, Transportaufträge durchgeführt hat.

Hierbei kamen die R.-GmbH und die S.-GmbH überein, sich nicht an die damals noch geltenden Tarife des Güterfernverkehrs zu halten. Sie vereinbarten, daß die Beklagte der R.-GmbH Scheinrechnungen für eine tatsächlich nicht erfolgte Anmietung von Lagerräumen ausstellen sollte, die von der R.-GmbH in den Jahren 1992 und 1993 auch mit insgesamt 197.175 DM beglichen wurden. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger aus abgetretenem Recht der R.-GmbH Rückzahlung dieser zur Verschleierung der untertariflichen Preisabsprache gezahlten Beträge.

Mit Schreiben vom 18. Februar 1994 bat der Kläger die Beklagte im Namen der R.-GmbH um Aufklärung, was es mit dem Lagermietzins auf sich habe. Es sei nicht bekannt, "an welchem Ort, zu welchem Zweck, für welche Zeit ... welches Lagerobjekt zu welchem Preis" angemietet worden sei. Weiter heißt es in dem Schreiben, es werde vorsorglich darauf aufmerksam gemacht, daß der gezahlte Betrag zurückgefordert werde, wenn sich herausstellen sollte, daß dafür keine entsprechenden Gegenleistungen erbracht worden seien. Am 21. März 1994 kam es in den Räumen der S.-GmbH zu einer Besprechung, an der außer dem Kläger der Geschäftsführer W. der S.-GmbH, der zugleich Prokurist der Beklagten war, sowie deren Rechtsanwalt B. teilnahmen.

Der Verlauf und das Ergebnis der Besprechung sind streitig. Während die Beklagte behauptet hat, der Kläger habe im Verlaufe des Gesprächs auf alle Rückforderungsansprüche "verzichtet", hat der Kläger den Abschluß eines Erlaßvertrags in Abrede gestellt.

Mit Schreiben vom 23. März 1994 wandte sich die Beklagte an den Kläger als Geschäftsführer der R.-GmbH. In diesem Schreiben, auf das der Kläger nicht geantwortet hat, heißt es u.a.:

"Ihr Schreiben vom 18. Februar 1994 wurde auch bei Ihrem Besuch im Hause der S.-GmbH, Bremen, am 21. März 1994 angesprochen. In diesem Gespräch erklärten Sie, daß Ihre Forderung aus dem oben erwähnten Schreiben erledigt sei."

Der Kläger, der seine Aktivlegitimation auf eine mit Datumsangabe 9./10. Juli 1994 mit der R.-GmbH abgeschlossene Vereinbarung stützt, hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe er in der Besprechung vom 21. März 1994 nicht auf die der R.-GmbH zustehenden Zahlungsansprüche, sondern allenfalls auf die im Schreiben vom 18. Februar 1994 angesprochenen Auskunftsansprüche verzichtet. Das Schweigen der R.-GmbH auf den Zugang des Schreibens vom 23. März 1994 habe nicht die Rechtswirkungen eines Erlasses herbeiführen können, da kein Vertrag abgeschlossen worden sei, dessen Bestätigung das Schreiben hätte dienen können.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 197.175 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat behauptet, der Kläger habe ihr gegenüber in der Besprechung vom 21. März 1994 in Bremen auf Rückforderungsansprüche "verzichtet".

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist im ersten Berufungsverfahren erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, es könne offenbleiben, ob der Kläger anläßlich der Besprechung am 21. März 1994 ausdrücklich auf Ansprüche gegenüber der Beklagten verzichtet habe. Jedenfalls ergebe sich die Wirkung eines Erlaßvertrags aus dem Schweigen des Klägers auf das Schreiben vom 23. März 1994, das ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben darstelle.

Auf die Revision des Klägers hat der Senat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur Klärung der Frage, ob der Kläger - handelnd für die R.-GmbH - der Beklagten die streitgegenständlichen Forderungen bei der Besprechung am 21. März 1994 durch Vertrag gemäß § 397 BGB tatsächlich erlassen hat, an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 14.12.2000 - I ZR 213/98, TranspR 2001, 256 = VersR 2001, 785).

Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen.

Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der bestehende Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte sei dadurch erloschen, daß der Kläger als Geschäftsführer der R.-GmbH, die seinerzeit noch Forderungsinhaberin gewesen sei, der Beklagten die Schuld in dem Gespräch am 21. März 1994 erlassen habe. Hierzu hat es ausgeführt:

Der Verzicht ergebe sich aus dem inzwischen unstreitig gewordenen Verlauf des Gesprächs am 21. März 1994. Danach habe der die Beklagte vertretende Prokurist erklärt, er habe einen Scheck (über ca. 26.000 DM) vorbereitet, den der Kläger mitnehmen könne, wenn er seine Schreiben nicht mehr weiterverfolge. In dieser Erklärung liege das Angebot der Beklagten zum Verzicht auf alle weitergehenden Forderungen der R.-GmbH gegen die Beklagte, das der Kläger als Vertreter der R.-GmbH sofort durch die Entgegennahme des Schecks angenommen habe; denn ihm sei bekannt gewesen, daß es nicht um Lagermiete, sondern um Frachtrückvergütung gegangen sei. Der Prokurist der Beklagten habe die Entgegennahme des Schecks ohne jede weitere Erklärung nur als Annahme seines Angebots verstehen können, zumal zuvor über die streitigen Rückforderungsansprüche verhandelt worden sei.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe mit der Entgegennahme und Einlösung des von dem Prokuristen der Beklagten und Geschäftsführer der S.-GmbH vorbereiteten Schecks über 26.000 DM für die R.-GmbH ein Angebot der Beklagten auf Abschluß eines Erlaßvertrages angenommen, entbehrt einer tragfähigen Grundlage.

1. Die Revision wendet sich mit Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Erklärung des Prokuristen der Beklagten, er könne den Scheck mitnehmen, wenn er "seine Schreiben nicht mehr weiterverfolge", als Angebot der Beklagten zum Verzicht auf alle weitergehenden Forderungen der R.-GmbH gegen die Beklagte auffassen müssen. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung entgegen § 286 ZPO wesentlichen Prozeßstoff außer acht gelassen.

a) Das Berufungsgericht hätte berücksichtigen müssen, daß der Kläger als Geschäftsführer der R.-GmbH zuvor nicht nur mit der Beklagten, sondern insbesondere auch mit der S.-GmbH korrespondiert hatte, deren Geschäftsführer seinerzeit der Prokurist der Beklagten W. war. Der Kläger hatte mit Schreiben vom 1. Februar 1994 gegenüber der S.-GmbH beanstandet, daß Frachtrechnungen nicht vollständig bezahlt worden seien, und gleichzeitig um kurzfristige Nachüberweisung der Fehlbeträge gebeten. In der Folgezeit kam es zu weiterem Schriftwechsel zwischen der R.-GmbH und der S.-GmbH, in dem die R.-GmbH wiederholt den Ausgleich einer offenen Frachtvergütung i.H. von 51.750 DM anmahnte. Schließlich schlug die S.-GmbH mit Schreiben vom 2. März 1994 ein gemeinsames Gespräch zur Erörterung der Probleme in ihren Räumlichkeiten vor, bei dem auch Forderungen einer Tochtergesellschaft der S.-GmbH angesprochen werden sollten. Die Beklagte wurde in dem Schreiben vom 2. März 1994 nicht erwähnt. Unter diesen Umständen konnte der Kläger bei dem Gespräch am 21. März 1994 bei der S.-GmbH nicht ohne nähere Erklärungen davon ausgehen, daß der Geschäftsführer W. der S.-GmbH zugleich auch Erklärungen als Prokurist der Beklagten abgeben wollte.

b) Einer solchen Annahme stehen - was das Berufungsgericht ebenfalls nicht genügend berücksichtigt hat - auch die Angaben des Klägers bei seiner Anhörung durch das Berufungsgericht entgegen. Der Kläger hat erklärt, bezüglich der Einbehalte wegen angeblicher Lagerrechnungen habe man ihm überhaupt keine Auskunft gegeben, sondern ihm mitgeteilt, das wisse sein Mitarbeiter Herr Bu. . Er habe gegenüber der Beklagten keinen Verzicht erklärt.

Das könne er insbesondere deshalb sagen, weil bei dem Gespräch in den Räumen der S.-GmbH über Einzelheiten bezüglich der Beklagten überhaupt nicht gesprochen worden sei. Aus dieser Äußerung des Klägers ergibt sich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, ob und mit welchem Ergebnis die Parteien in der Besprechung am 21. März 1994 über ein konkretes Rückzahlungsverlangen der R.-GmbH gegenüber der Beklagten verhandelt haben.

Vor allem ist aber auch unberücksichtigt geblieben, in welchem Zusammenhang der Geschäftsführer der S.-GmbH und Prokurist der Beklagten W. die vom Berufungsgericht als Angebot zum Abschluß eines Erlaßvertrages zwischen der R.-GmbH und der Beklagten angesehene Äußerung gemacht hat. Der Kläger hat dazu erklärt, er habe W. auf einen offenen Saldo von etwa 86.000 DM hingewiesen. Darüber habe es ein Gespräch gegeben, das mit den Worten von W. geendet habe: "Das war's: Ich habe hier einen Scheck vorbereitet. Den können Sie mitnehmen, wenn Ihre Schreiben nicht weiterverfolgt werden." Da die R.-GmbH sich eines Rückzahlungsanspruchs gegenüber der Beklagten von nahezu 200.000 DM berühmt hatte, brauchte der Kläger, wenn in dem Gespräch am 21. März 1994 lediglich über einen Betrag von 86.000 DM verhandelt worden war und es sich dabei offenbar um Forderungen der R.-GmbH gegen die S.-GmbH gehandelt hat, nicht davon auszugehen, mit der Entgegennahme des Schecks sollten auch Ansprüche der R.-GmbH gegen die Beklagte erledigt sein. Wenn das von dem Gesprächspartner des Klägers beabsichtigt gewesen sein sollte, hätte er darauf ausdrücklich hinweisen müssen, zumal dem Kläger nach seiner Darstellung bezüglich der Einbehalte wegen angeblicher Lagerrechnungen in der Besprechung am 21. März 1994 keinerlei Auskünfte erteilt wurden. Der Kläger konnte vielmehr annehmen, daß sein Gesprächspartner W. ihm das in Rede stehende Angebot in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der S.-GmbH unterbreiten wollte, da der Schriftwechsel vor dem Gespräch vom 21. März 1994 - mit Ausnahme eines einzigen Schreibens - allein zwischen der R.-GmbH und der S.-GmbH stattgefunden hatte, und diese Korrespondenz auch der Anlaß für die Besprechung bei der S.-GmbH war.

2. Das Berufungsgericht hat zudem verkannt, daß an das Zustandekommen eines Erlaßvertrages strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1995 - VII ZR 118/94, NJW-RR 1996, 237). Der Senat hat bereits in seinem ersten Revisionsurteil vom 14. Dezember 2000 (I ZR 213/98, TranspR 2001, 256, 257) darauf hingewiesen, daß endgültige Absprachen in Angelegenheiten mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs im Regelfall bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung konkret schriftlich fixiert werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 6.5.1975 - VI ZR 120/74, NJW 1975, 1358, 1359 f.). Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht geschehen.

3. Schließlich kann dem Berufungsgericht auch nicht darin beigetreten werden, zwischen der in dem angebotenen Scheck aufgeführten Summe (26.000 DM) und dem vermeintlich erlassenen Forderungsbetrag bestehe kein krasses Mißverhältnis. Unstreitig hat nicht die Beklagte, sondern die S.-GmbH die Scheckleistung auf noch ausstehende Transportvergütungen erbracht. Demnach hätte der Kläger für die R.-GmbH vollständig auf eine Forderung i.H. von 197.175 DM gegen die Beklagte verzichtet, ohne daß diese irgendeine erkennbare Gegenleistung erbracht oder ein sonstiges Entgegenkommen gezeigt hätte. Das widerspricht der Lebenserfahrung.

Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.), da zum Inhalt der Besprechung vom 21. März 1994 Zeugenbeweis angetreten ist, dessen Erhebung bislang noch aussteht.

III. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision des Klägers aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, erneut an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch gemacht.

Ende der Entscheidung

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