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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.09.2002
Aktenzeichen: I ZR 89/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
ZPO § 286 A
Die behauptete Irreführung, der Verbraucher nehme bei einer mit "THERMAL BAD" bezeichneten Badetablette an, die darin enthaltenen Mineralien seien einer natürlichen Thermalquelle entzogen, kann der Tatrichter aus eigener Erfahrung verneinen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 89/00

Verkündet am: 26. September 2002

in dem Rechtsstreit

THERMAL BAD

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung "t. Beweglichkeits THERMAL BAD" mit den weiteren Erläuterungen "DIE THERMAL BADEKUR FÜR ZU HAUSE" und "Fördert die Hautdurchblutung, lockert Gelenke und Glieder" zur Auflösung im Badewasser bestimmte Tabletten. Diese werden nicht aus natürlichem Thermalquellwasser gewonnen, sondern auf synthetischem Weg hergestellt. Sie enthalten Bestandteile, die denen eines natürlichen Thermalquellwassers entsprechen, insbesondere betreffend die Mineralsalze. Auf der Rückseite der Faltschachtel, in der die Tabletten verpackt sind, befinden sich unter anderem die Angaben "Das t. Beweglichkeits-Thermalbad enthält eine Mineralsalzkombination, wie sie in Thermalquellen vorkommt. Thermalquellen sind weltweit für ihre gesundheitsfördernde Wirkung bekannt." und "Verspannte Muskeln und überlastete Gelenke und Glieder werden wohltuend gelockert".

Der Kläger ist ein Wettbewerbsverband, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Zu diesen zählen unter anderem zahlreiche Unternehmen, die wie die Beklagte pharmazeutische Produkte herstellen und vertreiben.

Nach der Auffassung des Klägers sind die von der Beklagten für die Tabletten verwendeten Bezeichnungen mit dem Wort "Thermal" irreführend. Außerdem seien die Tabletten in der Form, in der sie vertrieben würden, als Arzneimittel einzustufen und daher ohne entsprechende Zulassung nicht verkehrsfähig.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "t. Beweglichkeits Thermal Bad" unter der Bezeichnung "Thermal Bad" und/oder "Thermal Badekur" und/oder "Thermal Badetabletten" in den Verkehr zu bringen und/oder bringen zu lassen,

hilfsweise,

das Verbot hinsichtlich der konkreten Verpackung auszusprechen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg (OLG Frankfurt am Main PharmaR 2000, 341 = OLG-Rep 2000, 138).

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Vertrieb der Tabletten weder unter den angegriffenen Bezeichnungen noch mit Blick auf die konkrete Produktverpackung in ihrer Gesamtheit zu beanstanden. Hierzu hat es ausgeführt:

Ein Unterlassungsanspruch folge nicht aus dem in § 3a HWG geregelten Verbot der Werbung für zulassungspflichtige, aber nicht zugelassene Arzneimittel. Aus der Sicht des Verkehrs weise das Produkt der Beklagten nach seiner Bezeichnung und sonstigen Bewerbung zwar allgemeine gesundheitsförderliche und vorbeugende, nicht aber arzneiliche Wirkungen auf.

Die Beklagte erwecke aber auch weder durch die mit dem Klagehauptantrag angegriffenen Bezeichnungen noch durch die mit dem Hilfsantrag einbezogene Produktverpackung einen nach § 3 UWG relevanten Irrtum. Zumindest aber würde das Interesse der Beklagten, ihr neuartiges Produkt unter Bezugnahme auf die naheliegende natürliche Entsprechung zu bezeichnen, die Interessen etwa irregeführter Verbraucher deutlich überwiegen.

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat die Badetabletten der Beklagten mit Recht nicht als zulassungspflichtige Arzneimittel angesehen und ohne Rechtsfehler auch das Vorliegen einer Irreführung i.S. des § 3 UWG verneint.

1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aus der Sicht des Verkehrs weder der Bezeichnung des Produkts der Beklagten noch den weiteren Inhalten der fraglichen Werbung eine Zweckbestimmung des Produkts zu entnehmen, durch Anwendung am oder im Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Weder würden Krankheiten genannt, bei denen die Anwendung des Mittels indiziert sei, noch Wirkungen geschildert, die als Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden zu verstehen seien. Die Beklagte weise vielmehr nur darauf hin, daß ihr Produkt wohltuend wirke und der Gesundheit förderlich sei. Das gelte auch für den Hinweis auf die "Badekur". Der Verkehr verbinde mit diesem Begriff allgemeine gesundheitsförderliche und vorbeugende Wirkungen, nicht aber ohne weiteres die Wirkungen eines Arzneimittels. Entsprechendes gelte für die Bedeutung weiterer Produktbeschreibungen wie etwa "Beweglichkeitsbad" und "lockert Gelenke und Glieder". Umschreibungen, die auf zu lindernde oder zu heilende Krankheiten hindeuten könnten, lägen nicht vor.

Die Revision hält dem ohne Erfolg entgegen, das Produkt der Beklagten verspreche nach seiner Zweckbestimmung und den Hinweisen auf seiner Verpackung auf die Besserung oder Wiederherstellung der Beweglichkeit, auf die Förderung der Hautdurchblutung, auf die Lockerung der Gelenke, Glieder und verspannter Muskeln, auf die ausdrücklich hervorgehobene "gesundheitsfördernde Wirkung" wie bei "Thermalquellen" sowie auf seine Bestandteile auch die Linderung vorhandener Behinderungen, Krankheiten und Beschwerden. Denn sie setzt damit - was revisionsrechtlich unzulässig ist - lediglich ihre Sicht der Dinge an die Stelle der vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts ohne Rechtsfehler vorgenommenen Beurteilung. Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstellt (BGH, Urt. v. 10.2.2000 - I ZR 97/98, GRUR 2000, 528, 529 = WRP 2000, 510 - L-Carnitin; Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 158/98, GRUR 2001, 450, 451 = WRP 2001, 542 - Franzbranntwein-Gel; Urt. v. 11.7.2002 - I ZR 34/01, GRUR 2002, 910, 912 = WRP 2002, 1141 - Muskelaufbaupräparate, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen). Das vom Berufungsgericht ermittelte Verständnis des Verbrauchers läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

2. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts enthält die vom Kläger angegriffene Werbung auch keine Irreführung i.S. des § 3 UWG. Denn die Beklagte treffe an keiner Stelle die Aussage, daß ihr Produkt aus einer natürlichen Thermalquelle gewonnen sei, sondern lasse auf seiner Verpackung deutlich erkennen, daß es sich um ein Erzeugnis handele, dessen Zusammensetzung der eines natürlichen Thermalquellwassers entspreche. Sie stelle außerdem heraus, daß die Tabletten "nach wissenschaftlichen Grundsätzen entwickelt" und mit zusätzlichen, d.h. über den Wirkstoffinhalt natürlicher Thermalquellen hinausgehenden Inhaltsstoffen versehen seien. Die betroffenen Verbraucherkreise verbänden mit dem Begriff "THERMAL BAD" nicht die Vorstellung, die so beworbenen Tabletten seien aus natürlichen Thermalquellen gewonnen. Vielmehr werde der Eindruck erweckt, der Verbraucher könne mit dem Produkt die Wirkungen von Inhaltsstoffen, die natürliche Thermalquellen auszeichneten, in der häuslichen Badewanne herbeiführen, d.h. selbst ein "THERMAL BAD" herstellen. Das aber sei angesichts der unstreitig einer natürlichen Thermalquelle vergleichbaren Inhaltsstoffe der Tabletten durchaus der Fall. Auch diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Frage, in welchem Sinn eine Werbeaussage zu verstehen ist, beurteilt sich nach dem Verständnis des durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Aussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621 = WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 155/98, GRUR 2000, 1106, 1108 = WRP 2000, 1278 - Möbel-Umtauschrecht; Urt. v. 3.5.2001 - I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 183 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen). Die Verkehrsanschauung orientiert sich dabei grundsätzlich am Wortsinn der Werbeaussage (vgl. BGH GRUR 2002, 182, 184 - Das Beste jeden Morgen, m.w.N.), das heißt am allgemeinen Sprachgebrauch und am allgemeinen Sprachverständnis. Die Beurteilung dieses Verständnisses obliegt dem Tatrichter.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts versteht der Verkehr das in Tablettenform angebotene "THERMAL BAD" dahin, daß das Produkt in der häuslichen Badewanne die Wirkungen herbeiführt, die einer natürlichen Thermalquelle entsprechen; der Verbraucher könne in diesem Sinne also sein Thermalbad selbst herstellen. Die Vergleichbarkeit der Wirkungen des Produkts mit denen einer Thermalquelle hat das Berufungsgericht unangegriffen als unstreitig festgestellt. Seine Beurteilung, entgegen der Ansicht des Klägers erwarteten relevante Verkehrskreise nicht, daß die Mineralien für das häusliche Bad aus dem Wasser einer bestimmten Thermalquelle gewonnen seien, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die behauptete Irreführung nicht aus eigener Sachkunde verneinen dürfen, greift nicht durch. Nach der inzwischen geänderten Rechtsprechung des Senats ist für das Verkehrsverständnis die Vorstellung eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers maßgebend. Dementsprechend kommt es nicht auf die möglicherweise hiervon abweichenden Anschauungen einer Minderheit von Verbrauchern an und macht es deshalb grundsätzlich auch keinen Unterschied, ob der Tatrichter seine Sachkunde und Lebenserfahrung zur Bejahung oder zur Verneinung einer Irreführungsgefahr einsetzen möchte (BGH, Urt. v. 18.10.2001 - I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527 - Elternbriefe).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, der Tatrichter habe die Feststellungen zum Aussagegehalt der angegriffenen Bezeichnungen außerhalb seines Erfahrungsbereichs getroffen.

c) Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, daß Teile des Verkehrs im Hinblick auf den nicht eindeutigen Wortsinn der isoliert betrachteten Bezeichnung "THERMAL BAD" meinen könnten, es handele sich nicht um ein künstliches Erzeugnis, sondern um ein Naturprodukt, dem das Wasser entzogen worden sei, änderte dies an der Beurteilung der Sache nichts. Es fehlte jedenfalls an einer wettbewerbsrechtlich relevanten Irreführung, weil die betreffenden Teile des Verkehrs auf der Verpackung eine Erläuterung der insoweit lediglich unklaren Aussage finden und hieraus unschwer entnehmen können, daß es sich bei den Badetabletten der Beklagten um ein künstlich gewonnenes Erzeugnis handelt.

d) Nach alledem kann die Revision auch nicht mit dem weiterverfolgten Hilfsantrag Erfolg haben, der maßgeblich damit begründet worden ist, daß auf der Verpackung die Bezeichnung "THERMAL BAD" mehrfach blickfangmäßig herausgestellt wird.

III. Die Revision des Klägers war danach mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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