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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: II ZA 1/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 116 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZA 1/06

vom 19. Juli 2006

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg. Eine Bewilligung nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt nicht in Betracht, da der Liquidator keine Partei kraft Amtes ist (BFH, Beschl. v. 27. Januar 1994 - V S 16/93, BFH/NV 1995, 332, 333; OLG Frankfurt, Beschl. v. 3. März 2006 - 2 W 64/05, iuris Tz. 2). Die besonderen Voraussetzungen des grundsätzlich auf die Klägerin als juristische Person anwendbaren § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO sind nicht erfüllt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die durch die Vorinstanzen bereits (rechtskräftig) zugesprochenen Beträge von insgesamt 1.393.869,35 € die Kosten der Revisionsinstanz von der Klägerin nicht aufgebracht werden können. Ebenso bedarf es keiner Klärung, ob die diversen Gläubiger der Klägerin, deren Gesamtforderungen der Liquidator der Klägerin in einer von ihm als nicht vollständig bezeichneten Liste mit 1.374.290,91 € (= 2.687.879,40 DM) angegeben hat, bei dieser Sachlage noch als am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligte angesehen werden können.

Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht dargelegt, dass ein Unterlassen der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Ein solches Interesse liegt vor, wenn eine juristische Person ohne die Durchführung des Rechtsstreits gehindert ist, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn die Entscheidung einen größeren Kreis der Bevölkerung oder auch des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen kann, was u.a. dann anzunehmen ist, wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhängt, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer ein allgemeines Interesse besteht, oder wenn die unterlassene Rechtsverfolgung Auswirkungen auf eine Vielzahl von "Kleingläubigern" hat (BGH, Beschl. v. 5. November 1986 - X ZR 23/85, NJW 1986, 2058; Beschl. v. 24. Oktober 1990 - VIII ZR 87/90, ZIP 1990, 1565; Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl. § 116 Rdn. 14 ff. m.w.Nachw.). Weder einer dieser Fälle noch ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben.

Anhaltspunkte für die Erfüllung einer der Allgemeinheit dienenden Aufgabe durch die Klägerin sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ebenso wenig ist eine Gefahr für den Fortbestand von Arbeitsplätzen ersichtlich, zumal bereits die - hier vor Jahren beschlossene - Liquidation der Klägerin regelmäßig zum Wegfall der Arbeitsplätze führt (BFH, Beschl. v. 28. April 1993 - I S 2/93, BFH/NV 1994, 55, 56; OLG Frankfurt aaO Tz. 5).

Die Möglichkeit der Befriedigung einer größeren Zahl von "Kleingläubigern" hat die Klägerin - auch auf entsprechenden Hinweis - ebenfalls nicht hinreichend dargelegt (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juli 2004 - X ZB 38/03, MittdtschPatAnw 2005, 165; BFH, Beschl. v. 23. Juli 1999 - I B 2/99, iuris Tz. 6; v. 4. April 1995 - V S 1/95, iuris Tz. 10 f.). Zum einen können die von ihr aufgelisteten Gläubiger - abgesehen von angefallenen Zinsen - bereits in voller Höhe aus dem rechtskräftig zuerkannten Betrag von 1.393.869,35 € befriedigt werden. Hier kommt hinzu, dass es sich bei den Gläubigern der Klägerin ganz überwiegend nicht um "Kleingläubiger" handelt. Die Qualifizierung eines Gläubigers als "Kleingläubiger" richtet sich nicht nach der (geringen) Höhe der jeweiligen Forderung. Der Umstand, dass bei einer Vielzahl von "Kleingläubigern" das Interesse der Allgemeinheit an der Rechtsverfolgung einer juristischen Person bejaht wird, beruht vielmehr allein auf sozialen Erwägungen, die es rechtfertigen, dass eine juristische Person auf Kosten der Staatskasse prozessiert (BVerfG, Beschl. v. 3. Juli 1973 - 1 BvR 153/69, iuris Tz. 15 ff., 23). Großunternehmen, Banken, Körperschaften des öffentlichen Rechts und vergleichbare Institutionen, die hier die überwiegende Mehrzahl der Gläubiger darstellen, bedürfen keines sozialen Schutzes unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Allgemeinheit im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO (OLG Frankfurt aaO Tz. 7 ff.; OLG Celle, Beschl. v. 22. Dezember 2000 - 3 W 95/00, iuris Tz. 12 ff.).

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