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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.07.2004
Aktenzeichen: II ZR 157/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 110 ff.
ZPO § 113
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 157/02

Verkündet am: 19. Juli 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Endurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Schuldnerin gegen die Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Anleger B. und K. zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Schuldnerin wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 1. Oktober 1998 weiter dahin geändert, daß die Beklagte zu 1 verurteilt wird, an den Kläger weitere 76.693,78 € nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Januar 1998 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung folgender Kommanditanteile an der Me. GmbH & Co. KG, eingetragen im Handelsregister beim Amtsgericht M. - HRA :

B. F. , St. weg 44, Ka. DM 100.000,00 K. A. , G. straße 49, Sch. DM 50.000,00.

Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 85,87 % und die Beklagte zu 1 14,13 %.

Von den Gerichtskosten des zweiten Rechtszugs tragen der Kläger 81,15 % und die Beklagte zu 1 18,85 %.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger 76,2 % und die Beklagte zu 1 23,8 %.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers im ersten Rechtszug trägt die Beklagte zu 1 14,13 %.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers im zweiten Rechtszug trägt die Beklagte zu 1 18,85 %.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers im dritten Rechtszug trägt die Beklagte zu 1 7,5 %.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 im ersten und zweiten Rechtszug trägt der Kläger 17 %.

Der Kläger trägt sämtliche außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3 und 4, sowie - gemäß Beschluß des Landgerichts vom 19. Februar 1998 - die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin, der S. GmbH. Er macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend, die von Kommanditisten der Me. GmbH & Co. KG M. , einer Publikumsgesellschaft, der Schuldnerin abgetreten worden sind. Geschäftsgegenstand jener Gesellschaft war der Erwerb und die Verwertung von Lizenzen, insbesondere von Film- und Fernsehrechten, sowie die Herstellung von Filmen aller Art. Die Zedenten der Schuldnerin waren der Gesellschaft in den Jahren 1989/1990 mit unterschiedlichen Kommanditanteilen beigetreten. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, liegt dem Rechtsstreit folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Prospekt, der die Beklagte zu 1 als Initiator und Prospektherausgeber auswies, sah unter der Überschrift "Beteiligung an Filmrechten und Produktionen" einen Investitionsteil I, der den Erwerb der Fernsehrechte an 42 Kinofilmen betraf, und einen Investitionsteil II betreffend die Produktion/Co-Produktion von Filmen vor.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1989 fragte die Beklagte zu 1 bei den der Gesellschaft bis dahin beigetretenen Anlegern an, ob diese dem Vorziehen des Investitionsteils II zustimmten, d.h. damit einverstanden seien, daß die Gesellschaft ihr Kapital zunächst in die Herstellung eines Films und nicht - wie im Prospekt vorgesehen - zunächst in den Erwerb der Fernsehrechte an den 42 Kinofilmen investiere. Die Anleger erklärten ihre Zustimmung. Ihre Einlagen wurden für den B. -Film "Fi. " verwendet. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 22. Mai 1991 das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger, der die Zedenten durch das Rundschreiben vom 11. Dezember 1989 und ein weiteres Schreiben der Initiatorin der Fondsgesellschaft vom 2. April 1990 für getäuscht hält, nimmt die Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß auf Rückzahlung der Einlagen der Zedenten Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditanteile in Anspruch. Er verlangt von den Beklagten zu 1, 3 und 4 - gegen die Beklagte zu 2 hat er die Klage bereits in erster Instanz zurückgenommen - als Gesamtschuldnern Zahlung von 1.540.000,00 DM (= 787.389,49 €) und von der Beklagten zu 4 allein Zahlung weiterer 720.000,00 DM (= 368.130,15 €). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr unter Zurückweisung der Berufung im übrigen gegenüber der Beklagten zu 1 in Höhe von 576.737,24 € stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die gesamtschuldnerische Verurteilung aller drei Beklagten zur Zahlung von 653.431,02 € (gegen die Beklagte zu 1 bereits ausgeurteilte 576.737,24 € + weitere 76.693,78 € betreffend die Anleger B. und K. , die sich mit 100.000,00 bzw. 50.000,00 DM beteiligt hatten). Außerdem verfolgt er seinen allein gegen die Beklagte zu 4 gerichteten Zahlungsanspruch weiter. Der Senat hat die Revision nur angenommen, soweit die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage bezüglich der Anleger B. und K. zurückgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, daß die Schuldnerin sich in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts vom 3. August 1999 verpflichtet hat, im Falle der Einreichung der Revision eine Bankbürgschaft für etwaige drittinstanzliche Kostenerstattungsansprüche der am Revisionsverfahren beteiligten Beklagten zu stellen, dieser Verpflichtung nach Darstellung der Beklagten aber nicht nachgekommen ist. Die Revisionserwiderung entnimmt der Verpflichtung der Schuldnerin zur Sicherheitsbestellung, daß die Übergabe der Bürgschaft Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision sein sollte. Diese Auslegung ist schon vom Wortlaut der Verpflichtungserklärung nicht gedeckt. Die Erklärung enthält nur die Zusage, eine Bürgschaft für Erstattungsansprüche zu stellen. Sie enthält aber keinerlei Hinweis darauf, daß ihre Nichteinhaltung ohne weiteres die Unzulässigkeit der Revision zur Folge haben sollte. Hiervon war auch nicht im Hinblick auf die Regelungen der §§ 110 ff. ZPO auszugehen. Die begründete Erhebung der Einrede nach § 110 ZPO führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage, sondern zur Anordnung einer Sicherheitsleistung durch das Gericht nach § 113 ZPO. Nach dieser Vorschrift wird das Rechtsmittel des zur Stellung einer Prozeßkostensicherheit verpflichteten Klägers zwar auf Antrag der beklagten Partei verworfen, wenn die Sicherheit nicht bis zur Entscheidung erbracht ist. Diese Folge tritt jedoch nicht automatisch ein, sondern setzt die gerichtliche Anordnung der Sicherheitsleistung in bestimmter Frist voraus. Zudem stellt die Annahme, bei Ausbleiben der von dem Kläger versprochenen Sicherheitsbestellung solle die Revision ohne weiteres unzulässig sein, einseitig auf die Interessen des Beklagten ab und verstößt damit gegen das Gebot einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (vgl. Sen.Urt. v. 3. April 2000 - II ZR 194/98, WM 2000, 1195; v. 9. Juli 2001 - II ZR 205/99 und II ZR 228/99, WM 2001, 1523 und 1515).

2. Die Revision ist im Umfang ihrer Annahme begründet und führt zur Verurteilung der Beklagten zu 1 zur Zahlung weiterer 76.693,24 € nebst Zinsen an den Kläger.

Die Annahme betrifft ungeachtet der Formulierung des Annahmebeschlusses vom 23. Februar 2004 lediglich Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1. Hinsichtlich der gegen die Beklagten zu 3 und 4 erhobenen Ansprüche hat der Senat die Revision nicht angenommen, weil solche Ansprüche schon dem Grunde nach nicht gegeben sind. Dem steht das Fehlen einer ausdrücklichen Beschränkung der Annahme auf die gegen die Beklagte zu 1 erhobenen Forderungen nicht entgegen, weil diese jedenfalls aus der zugleich erfolgten Festsetzung des nach der Teilannahme verbleibenden Gegenstandswerts auf 76.693,78 € (entsprechend der Summe der auf die Anleger B. und K. entfallenden Klageforderung) deutlich wird, die die von den Beklagten zu 3 und 4 als Gesamtschuldnern mit der Beklagten zu 1 geforderten, aber nur gegenüber dieser ausgeurteilten 576.737,24 € gerade nicht berücksichtigt.

II. 1. Das Berufungsgericht hat die Klage hinsichtlich der von den Anlegern B. und K. erbrachten Einlagen abgewiesen, weil die von ihm durchgeführte Vernehmung dieser Anleger als Zeugen eine im Zusammenhang mit dem Vorziehen des Investitionsteils II erfolgte Täuschungshandlung der Beklagten zu 1 nicht ergeben habe.

Diese Würdigung steht im Widerspruch zu den eigenen Feststellungen des Oberlandesgerichts und hält damit revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

2. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Beklagte zu 1, als sie an die Anleger mit der Bitte um Zustimmung zu einer Änderung des Vertrages durch Vorziehen des Investitionsteils II herantrat, gehalten gewesen wäre, die Anleger auf die damit für sie verbundenen Folgen hinzuweisen. Diese sie als Initiatorin des Projekts, für den Inhalt des Prospekts Verantwortliche und Sachwalterin der Gesellschaft auch persönlich treffende Verpflichtung hat die Beklagte zu 1 schuldhaft verletzt, indem sie nicht darauf hingewiesen hat, daß von dem Fondskapital für den Investitionsteil I in Höhe von 13.125.000,00 DM seinerzeit erst 3,4 Mio. DM gezeichnet worden waren, sondern statt dessen den Eindruck erweckt hat, der Realisierung dieses Teils stehe nur noch der Umstand entgegen, daß noch nicht sämtliche Verwertungsverträge mit den Fernsehanstalten unterzeichnet seien. Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang das Fehlen eines Hinweises darauf, daß die Anleger mit einem Einverständnis zum Vorziehen des Investitionsteils II auf den im Emissionsprospekt dargestellten Anspruch auf Zurückerstattung ihrer Einlagen, wenn das Fondskapital für den Investitionsteil I von 13.125.000,00 DM nicht bis zum 31. März 1990 gezeichnet sei, verzichteten. In dem Verschweigen dieser Tatsachen vor dem Hintergrund der Prospektangabe, ein Totalverlust der Einlagen sei ausgeschlossen, hat das Berufungsgericht mit Recht eine Täuschung der Anleger dahin gesehen, daß mit dem Vorziehen des Investitionsteils II keine Erhöhung ihres Anlagerisikos verbunden wäre, und mit Recht auch angenommen, daß die Anleger einer Investition ihrer Einlagen in die Herstellung eines Films statt in Fernsehrechte nicht zugestimmt hätten, wenn sie in der gebotenen Weise aufgeklärt worden wären.

Für den Anleger B. kann entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht deshalb etwas anderes gelten, weil dieser keine annähernd zutreffende Vorstellung von dem Fonds besaß, an dem er sich mit immerhin 100.000,00 DM beteiligt hatte. Das rechtfertigt nicht die Annahme, er sei durch die Anfrage der Beklagten zu 1 nicht getäuscht worden. Vielmehr liegt im Gegenteil auf der Hand, daß er, wäre ihm die nach Auffassung des Berufungsgerichts den Anlegern geschuldete Aufklärung zuteil geworden, seine Zustimmung zum Vorziehen des Investitionsteils II nicht erteilt hätte.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Anlegerin K. . Sie wußte bei ihrer Vernehmung zwar nur von der Herstellung und Vermarktung des B. -Films, aber von keinem anderen Vorhaben und damit auch nichts über den für den Investitionsteil I vorgesehenen Ankauf von Filmen und die treuhänderische Verwaltung der Einlagen bis zur Aufbringung des insoweit vorgesehenen Fondskapitals. Unzureichende Kenntnisse über die eigene Fondsbeteiligung reichen jedoch nicht, um eine Täuschung der Anlegerin durch die Beklagte zu 1 als ausgeschlossen anzusehen. Nach der Lebenserfahrung ist vielmehr davon auszugehen, daß auch sie, wäre sie auf die mit dem Vorziehen der Filmproduktion verbundenen Konsequenzen klar und deutlich hingewiesen worden, die Anfrage der Beklagten zu 1 ablehnend beantwortet hätte.

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen.

Ende der Entscheidung

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