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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.01.1999
Aktenzeichen: II ZR 170/98
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 158
GmbHG § 55
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 170/98

Verkündet am: 11. Januar 1999

Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

BGB § 158; GmbHG § 55

a) Aus dem mit einer GmbH geschlossenen Vertrag zur Übernahme einer Stammeinlage auf erhöhtes Kapital besteht kein Erfüllungsanspruch des Übernehmers auf Verschaffung der Mitgliedschaft.

b) Das Verstreichen eines in der Übernahmeerklärung (§ 55 Abs. 1 GmbHG) bestimmten Termins für die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister führt entspr. § 158 Abs. 2 BGB zur Beendigung auch des Übernahmevertrages.

c) Hat die GmbH das Scheitern einer Kapitalerhöhung zu vertreten, steht dem Übernehmer kein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Übernahmevertrages zu.

BGH, Urt. v. 11. Januar 1999 - II ZR 170/98 - OLG Dresden LG Görlitz


Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. April 1998 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die beiden Gesellschafter der beklagten GmbH beschlossen am 19. September 1994 zu notarieller Urkunde, das Stammkapital der Beklagten von 50.000,-- DM auf 150.000,-- DM zu erhöhen sowie sich zur Übernahme einer Stammeinlage von je 30.500,-- DM und den als Gesellschafter neu aufzunehmenden Kläger zur Übernahme einer Stammeinlage von 39.000,-- DM zuzulassen. Am selben Tag unterzeichneten die Übernehmer entsprechende Übernahmeerklärungen, der Kläger mit dem Zusatz, seine Übernahme erfolge unter der Bedingung, daß die Kapitalerhöhung bis zum 31. März 1995 im Handelsregister eingetragen sei. Er überwies am 30. Dezember 1994 39.000,-- DM auf ein Konto der Beklagten. Die daraufhin unter Mitwirkung des beurkundenden Notars erfolgte Anmeldung der Kapitalerhöhung bei dem Registergericht D. wurde von dort mit Schreiben an ihn vom 30. Januar 1995 wegen formeller Mängel beanstandet, was der Notar der Beklagten erst am 20. April 1995 unter Hinweis darauf mitteilte, daß der Kläger nach Rückfrage auf einer baldmöglichsten Eintragung der Kapitalerhöhung und auf seinem Beitritt zu der Gesellschaft bestehe. Wegen inzwischen aufgetretener Differenzen mit dem Kläger hoben die Gesellschafter der Beklagten den Kapitalerhöhungsbeschluß wieder auf und zogen den Eintragungsantrag zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten Rückzahlung der geleisteten Stammeinlage nebst Zinsen sowie - im Wege der Stufenklage - weitergehend Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn begehrt, den er als Gesellschafter der Beklagten in den Jahren 1995 bis 1997 hätte ziehen können. Das Landgericht hat dem ersten Antrag stattgegeben und die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner - zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet. Der mit der Stufenklage geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung steht dem Kläger nicht zu.

1. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien in der Revisionsinstanz nicht beanstandet geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte die Übernahmeerklärung des Klägers (§ 55 Abs. 1 GmbHG) angenommen hat und dadurch zwischen den Parteien ein Übernahmevertrag zustandegekommen ist. Ein solcher Vertrag verpflichtet in erster Linie den durch Gesellschafterbeschluß gemäß § 55 Abs. 2 GmbHG zugelassenen Übernehmer zur Erbringung der vorgesehenen Einlage (vgl. Scholz/Priester, GmbHG, 8. Aufl., § 55 Rdn. 93). Es handelt sich nicht um einen Austauschvertrag wie bei der Veräußerung eines Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 4 GmbHG), sondern um einen Vertrag mit körperschaftlichem Charakter (Sen., BGHZ 49, 117, 119), weil das von dem Übernehmer erstrebte Mitgliedschaftsrecht nicht von der Gesellschaft "geliefert" wird, sondern auf der Grundlage des (satzungsändernden) Kapitalerhöhungsbeschlusses und des Übernahmevertrages kraft Gesetzes mit der Eintragung im Handelsregister entsteht (vgl. §§ 54 Abs. 3, 57 GmbHG; Lutter, Festschrift für Schilling, S. 217; ders. in Kölner Komm. zum AktG, 2. Aufl., § 185 Rdn. 19; Wiedemann in GroßKomm. zum AktG, 4. Aufl., § 185 Rdn. 30). Bis dahin steht - entgegen der Ansicht der Revision - nicht nur der Erwerb der Mitgliedschaft, sondern der Übernahmevertrag (ebenso wie der Zeichnungsvertrag im Aktienrecht) unter dem Vorbehalt des Wirksamwerdens der Kapitalerhöhung durch die Eintragung (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 55 Rdn. 70; Wiedemann aaO, Rdn. 35). Ein Erfüllungsanspruch des Übernehmers gegenüber der Gesellschaft auf Durchführung der Kapitalerhöhung und auf den Erwerb der Mitgliedschaft besteht nicht, weil die für sie erforderliche Satzungsänderung erst mit der Eintragung wirksam wird (§ 54 Abs. 3 GmbHG) und bis dahin der Autonomie der (bisherigen) Gesellschafter unterliegt (vgl. Scholz/Priester aaO, Rdn. 35; Hachenburg/Ulmer aaO, Rdn. 75; Lutter, Festschrift Schilling, S. 220; Wiedemann aaO, Rdn. 35). Ob damit die Annahme einer - schadensersatzbewehrten - Treupflicht der Gesellschaft gegenüber dem Übernehmer vereinbar ist, für eine zügige und ordnungsgemäße Durchführung der Kapitalerhöhung zu sorgen (so Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl., § 55 Rdn. 22), braucht hier nicht entschieden zu werden.

2. Der vorliegende Fall zeichnet sich nämlich durch die Besonderheit aus, daß die Übernahme der Stammeinlage durch den Kläger unter der "Bedingung" der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister bis zum 31. März 1995 erfolgte und diese Frist ergebnislos abgelaufen ist.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann diese unter Mitwirkung eines Notars aufgenommene Bestimmung nicht im Sinne eines bloßen Rücktrittsvorbehalts zugunsten des Klägers ausgelegt werden. Vielmehr handelt es sich - wie in § 185 Abs. 1 Nr. 4 AktG - um die Bestimmung eines Zeitpunkts, in dem die Zeichnung bei bis dahin nicht erfolgter Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister unverbindlich wird, was dann auch für den Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag und die beiderseitigen Pflichten aus ihm gilt (vgl. Lutter, Festschrift aaO, S. 216; derselbe in KK-AktG aaO, § 185 Rdn. 42). Eine solche auflösende Bedingung (vgl. Wiedemann aaO, Rdn. 22) oder Befristung (vgl. Lutter aaO) kann auch im GmbH-Recht wirksam vereinbart werden, um Unklarheiten über die Dauer der Bindung des Übernehmers an den Übernahmevertrag und über den Fortbestand seiner - mit dessen Abschluß entstehenden - Einlagepflicht für den Fall zu vermeiden, daß die Durchführung der Kapitalerhöhung sich verzögert (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO, § 55 Rdn. 68 f.; Scholz/Priester aaO, § 55 Rdn. 81). Mit dem Verstreichen des "Verfalldatums" erlöschen die Rechte und Pflichten aus dem Übernahmevertrag entsprechend § 158 Abs.2 BGB (vgl. Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 185 Rdn. 14 m.w.N.); der Übernehmer kann seine geleistete Einlage jedenfalls nach § 812 BGB zurückfordern (vgl. Scholz/Priester aaO, § 55 Rdn. 81 m.w.N.). Ein Anspruch hierauf wurde dem Kläger in den Vorinstanzen zuerkannt.

b) Ein wirksamer Verzicht des Klägers auf die genannte Bedingung oder Befristung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23. November 1988 - VIII ZR 262/87, ZIP 1989, 234) scheidet schon deshalb aus, weil er mit einer geänderten Übernahmeerklärung in der Form des § 55 Abs. 1 GmbHG vor Ablauf der Frist und der dadurch eingetretenen Auflösung des Übernahmevertrages gegenüber der Beklagten hätte erfolgen müssen (vgl. auch BGH aaO, S. 236). Entsprechendes ist hier weder festgestellt noch vom Kläger dargetan.

c) Auch der von der Revision herangezogene "Rechtsgedanke des § 162 BGB" verhilft ihr nicht zum Erfolg. Eine unmittelbare Anwendung des § 162 BGB kommt ohnehin nicht in Betracht, weil die Eintragung im Handelsregister gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kapitalerhöhung ist bzw. eine Rechtsbedingung darstellt, deren Eintritt nicht über § 162 BGB fingiert werden kann. Die Aufhebung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nach Auflösung des Übernahmevertrages ist weder treuwidrig noch pflichtwidrig. Ob die Beklagte vor der Vertragsauflösung verpflichtet gewesen wäre, für rechtzeitige Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister zu sorgen, und sie sich ein Versäumnis des dabei mitwirkenden Notars gem. § 278 BGB zurechnen lassen müßte (vgl. BGHZ 62, 119, 121), kann offenbleiben. Denn das Fehlen eines Erfüllungsanspruchs des Übernehmers gegenüber der Gesellschaft und die Verbandsautonomie ihrer Gesellschafter (vgl. oben 1.) stehen jedenfalls dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf ein Erfüllungssurrogat in Form des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung entgegen (vgl. Lutter, Festschrift Schilling, S. 229), wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch würde auf einen vom Gesetz nicht intendierten Erfüllungszwang hinauslaufen.

Ob dem Übernehmer im Fall eines von der Gesellschaft zu vertretenden Scheiterns der Kapitalerhöhung angesichts der Schwächen eines bloßen Bereicherungsausgleichs (§ 818 Abs. 3 BGB) sowie zur Vermeidung eines Ungleichgewichts zwischen der mit Abschluß des Übernahmevertrags wirksamen Einlageverpflichtung und dem Fehlen eines Erfüllungsanspruchs gegenüber der Gesellschaft auf Verschaffung der Mitgliedschaft ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zuzubilligen ist (vgl. insbesondere Lutter aaO, S. 229), ist hier nicht zu entscheiden, weil ein derartiger Anspruch vom Kläger nicht geltend gemacht ist.

Ende der Entscheidung

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