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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.11.2004
Aktenzeichen: II ZR 254/03
Rechtsgebiete: VerbrKrG, BGB, StGB


Vorschriften:

VerbrKrG § 9 Abs. 1
VerbrKrG § 9 Abs. 2
VerbrKrG § 9 Abs. 2 Satz 4
VerbrKrG § 9 Abs. 3
VerbrKrG § 9 Abs. 3 Satz 1
VerbrKrG § 9 Abs. 4
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263
StGB § 264 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 254/03

Verkündet am: 29. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Juli 2003 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 24. Januar 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger trat mit Erklärung vom 2. Februar 1995 der G. - GbR Si., S., Fonds Nr. 35, bei. Die Gesellschaft (im folgenden: Fonds) war von der W. Wohnungsbaugesellschaft S. mbH und deren Geschäftsführer K. N. gegründet worden. Sie befaßte sich als geschlossener Immobilienfonds mit dem Erwerb, der Bebauung und der wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks Si. in S.. Die Einlage des Klägers betrug 30.650,00 DM und wurde in vollem Umfang durch ein von der Beklagten gewährtes Darlehen finanziert. Der Darlehensantrag war dem Kläger von einem im Auftrag des Fonds tätigen Vertriebsmitarbeiter vorgelegt worden. Die Darlehensvaluta und ein Agio wurden von der Beklagten weisungsgemäß an einen von dem Fonds bestimmten Treuhänder ausgezahlt.

Im Oktober 1997 wurde über das Vermögen der W. GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Der Initiator des Fonds, K. N., wurde 2001 wegen Betrugs, Untreue, Konkursverschleppung und Bankrotts - bezogen u.a. auf den Fonds Nr. 35 - rechtskräftig verurteilt. Er hatte in dem Verkaufsprospekt eine wesentlich größere Nutzfläche angegeben, als aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der bereits erteilten Baugenehmigung tatsächlich möglich war, und so die Anleger über die zu erzielenden Mieten getäuscht. Die Darlehensraten konnten daher entgegen den Rechenbeispielen in dem Verkaufsprospekt nicht aus den Mieteinnahmen und den Steuervorteilen aufgebracht werden.

Der Kläger kündigte u.a. mit Schreiben vom 21. August 1997 seine Beteiligung an dem Fonds. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten Rückzahlung der von ihm auf das Darlehen gezahlten Zinsen i.H.v. 4.960,22 € und Rückabtretung der Rechte aus einer Lebensversicherung, die er der Beklagten zum Zwecke der späteren Darlehenstilgung abgetreten hatte, Zug um Zug gegen Übertragung seines Anspruchs gegen den Fonds auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Die Beklagte macht widerklagend einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst restlicher Zinsen i.H.v. 21.076, 37 € geltend.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat gegenteilig entschieden. Mit seiner von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe gegen die Ansprüche der Beklagten kein Einwendungsdurchgriff nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG zu. Es spreche bereits viel dagegen, daß der Fondsbeitritt und der Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG bilden würden. Jedenfalls käme ein Einwendungsdurchgriff nur in Betracht, wenn der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte hätte. Das aber sei nicht der Fall. Die Beklagte müsse ihm nur ein Auseinandersetzungsguthaben zahlen. Im übrigen könne ein Einwendungsdurchgriff nicht zu einem Rückforderungsanspruch des Klägers führen.

II. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Wie der Senat in seinen nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Urteilen vom 21. Juli 2003 (BGHZ 156, 46, 50) und 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396 ff. und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405; ebenso BGH, Urt. v. 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233 f.) entschieden hat, finden auf einen Kredit zur Finanzierung einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft gemäß § 9 Abs. 4 VerbrKrG die Vorschriften des § 9 Abs. 1-3 VerbrKrG Anwendung, weil der Beitritt nach seinem wirtschaftlichen Zweck und wegen der Schutzbedürftigkeit des Anlegers einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung gleichzustellen ist. Der Beitritt zu der Fondsgesellschaft und der zu seiner Finanzierung geschlossene Darlehensvertrag sind danach ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1 VerbrKrG, wenn sich die Fondsgesellschaft und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen. Das war hier der Fall. Die Beklagte, die nach den vorgelegten Vertragsunterlagen die Finanzierungsbedingungen bereits vorab festgelegt hatte, hat sich bei der Darlehensvergabe des von dem Fondsinitiator eingeschalteten Vermittlers bedient und diesem ihre Vertragsformulare zur Verfügung gestellt.

2. Wird der Anleger bei dem Beitritt zu der Fondsgesellschaft über die Bedingungen der Fondsanlage getäuscht, so kann er bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts nicht nur seine Beteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten. Er kann dem Finanzierungsinstitut vielmehr auch alle Ansprüche entgegensetzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat. Denn diese sind in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer - Bank wie ein Verkäufer zu behandeln. Die gegenüber den Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschaftern bestehenden Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung, Verschulden bei Vertragsschluß und ggf. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 bzw. § 264 a StGB sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er der Fondsgesellschaft nicht beigetreten und hätte mit dem den Beitritt finanzierenden Institut keinen Darlehensvertrag geschlossen (Sen.Urt v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406).

Aufgrund dessen muß der Anleger nach § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG dem Finanzierungsinstitut nur seinen Fondsanteil einschließlich der aus der Fehlerhaftigkeit des Erwerbs folgenden Schadensersatzansprüche abtreten, nicht jedoch die Darlehensvaluta, die nicht an ihn, sondern an den Treuhänder geflossen ist, zurückzahlen. Zugleich hat er im Wege des Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (BGHZ 156, 46, 54 ff.) gegen die Bank einen Anspruch auf Rückgewähr der von ihm auf Grund des Kreditvertrags erbrachten Leistungen, soweit sie aus seinem Vermögen und nicht aus den Erträgnissen des Fonds stammen. Im Wege des Vorteilsausgleichs muß er sich etwaige Steuervorteile anrechnen lassen, denen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen (Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1407).

3. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen derartigen Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriff erfüllt. Der Kläger ist über die Bedingungen des Fondsbeitritts arglistig getäuscht worden, was zwischen den Parteien nicht im Streit steht und durch die rechtskräftige Verurteilung des Fondsinitiators N. unterstrichen wird. Durch diese Täuschung ist er zur Aufnahme des Darlehens bei der Beklagten bestimmt worden. Danach braucht er der Beklagten das Darlehen nicht zurückzuzahlen, sondern schuldet ihr nur die Abtretung des Fondsanteils bzw. des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben nach der Kündigung der Mitgliedschaft. Darüber hinaus hat er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Zinsraten.

Ende der Entscheidung

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