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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.02.1998
Aktenzeichen: III ZB 25/97
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG


Vorschriften:

GVG § 17 a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 9
GVG § 17 a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 9

Zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Rechtsstreitigkeiten zwischen Chefärzten von Krankenhausabteilungen über die Liquidation von Leistungen, die in der radiologischen Abteilung für Patienten einer anderen Abteilung erbracht werden.

BGH, Beschl. v. 26. Februar 1998 - III ZB 25/97 - OLG Celle LG Hannover

LG Hannover Entsch. v. 27.11.96 - 6 0 69/96

OLG Celle Entsch. v. 18.6.97 - 21 U 6/97 III ZB 25/97


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZB 25/97

vom

26. Februar 1998

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Juni 1997 - 21 U 6/97 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 18.000 DM

Gründe

I.

Der Kläger ist Chefarzt der radiologischen, der Beklagte Chefarzt der inneren Abteilung des B.-Krankenhauses in B. P. Die radiologischen Leistungen für die Kassen- und Privatpatienten aller Klinikabteilungen des Krankenhauses werden vom Kläger bzw. seinen Mitarbeitern erbracht. Soweit radiologische Leistungen hinsichtlich der Thoraxorgane vom Beklagten oder einem seiner Aufsicht oder Weisung unterstehenden Arzt der inneren Abteilung angefordert werden, wird die Liquidation durch den Beklagten vorgenommen, ohne daß der Kläger hieran beteiligt wird. Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung und Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für alle von ihm angeforderten und vom Kläger erbrachten radiologischen Leistungen für Patienten, die der Beklagte gegen besonders abrechenbares Honorar behandelt oder begutachtet, ein Arzthonorar entsprechend der in der Gebührenordnung für Ärzte festgelegten Höhe zu zahlen. Vor dem Arbeitsgericht H. ist ein Rechtsstreit umgekehrten Rubrums anhängig, in dem der Beklagte des vorliegenden Verfahrens die Feststellung begehrt, daß das Liquidationsrecht für Röntgenuntersuchungen der Thoraxorgane bei im B.-Krankenhaus erbrachten Röntgenleistungen gegenüber stationären Wahlleistungspatienten und ambulanten Patienten ihm und nicht dem Kläger zusteht.

Das Landgericht hat die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstands vor dem Arbeitsgericht als unzulässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das angefochtene Urteil aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht H. verwiesen. Mit seiner zugelassenen Beschwerde verfolgt der Kläger sein Ziel, eine Sachentscheidung im ordentlichen Rechtsweg herbeizuführen, weiter.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 17 a Abs. 4 GVG i.V.m. §§ 567 Abs. 4, 577 ZPO auch dann das zulässige Rechtsmittel, wenn das Oberlandesgericht - wie hier - über die Zulässigkeit des Rechtswegs deshalb in der Form des Urteils entscheiden muß, weil zugleich ein in der Hauptsache ergangenes Urteil der Vorinstanz aufzuheben ist. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

1. Mit Recht hat sich das Oberlandesgericht nicht an einer Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gehindert gesehen. Zwar prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache befindet, nach § 17 a Abs. 5 GVG nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die Vorschrift versagt den Rechtsmittelgerichten aber nur dann eine Prüfung des Rechtswegs, wenn die Entscheidung im ersten Rechtszug schon unter Beachtung und Anwendung des § 17 a GVG erlassen worden ist (vgl. Senat, BGHZ 121, 367, 370 f). Hieran fehlte es. Denn aufgrund der Rüge des Beklagten war bereits das Landgericht verpflichtet, nach § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden.

2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Der Kläger sieht in der Inanspruchnahme von Röntgenleistungen auf Anforderung des Beklagten den konkludenten Abschluß eines Dienstvertrages, der den Beklagten zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichte. Soweit ein Dienstvertrag nicht zustande gekommen sei, hält der Kläger für die von ihm erbrachten und vom Beklagten liquidierten Leistungen einen Bereicherungsanspruch für gegeben.

3. Gleichwohl ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht zulässig, weil es hier um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit geht, für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist. Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG wird die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte weitgehend aus Zweckmäßigkeitsgründen und um dem Ausgangs- oder Schwerpunkt eines Streits gebührend Rechnung zu tragen, auch auf Ansprüche ausgedehnt, die in so greifbar naher Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, daß sie überwiegend durch das Arbeitsverhältnis bestimmt werden. Zu denken ist etwa an Ansprüche innerhalb einer Fahrgemeinschaft (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 2 Rn. 109) oder an Rechtsbeziehungen zwischen Teilnehmern an einem Gruppenakkord, bei dem - je nach der Ausgestaltung - arbeitsrechtliche Beziehungen nur zu dem Kolonnenführer bestehen (vgl. GK-ArbGG/Wenzel, § 2 Anm. 15). In Fällen solcher Art hat es der Gesetzgeber für zweckmäßig gehalten, wegen des tatsächlichen Hintergrundes und des Gegenstandes, auf den sich der Streit bezieht, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu eröffnen. Dies gilt auch für die hier zur Entscheidung stehenden Fragen.

a) Der Streit zwischen den Parteien rührt aus arbeitsrechtlichen Besonderheiten her, die aus der Zusammenlegung von zwei Krankenhäusern entstanden sind. Der Kläger war zunächst leitender Abteilungsarzt der selbständigen Abteilung Radiologie des V.-Krankenhauses B. P. Ihm war die Genehmigung erteilt, im Rahmen einer Nebentätigkeit Patienten privat zu behandeln und für die Behandlung ein besonderes Honorar zu fordern, sofern die Patienten die persönliche Behandlung durch den leitenden Arzt ausdrücklich schriftlich wünschten, und eine freie Sprechstundenpraxis in den Räumen des Krankenhauses auszuüben. Im B.- Krankenhaus bestand zu dieser Zeit keine selbständige radiologische Abteilung. Der Beklagte hatte aufgrund seines Dienstvertrages die Verantwortung für den medizinisch-technischen Dienstbetrieb der der inneren Abteilung zugeordneten Einrichtungen, insbesondere der Röntgenabteilung. Nach Übernahme des V.-Krankenhauses durch den Träger des B.-Krankenhauses und der Zusammenlegung beider Krankenhäuser wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Wahrung der bislang erworbenen arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten über den 31. Dezember 1986 hinaus fortgesetzt und unter dem 5. Februar 1987 ein separater Vertrag über die Genehmigung von Nebentätigkeiten geschlossen. Welche Rechtsposition dem Kläger aus dieser vertraglichen Gestaltung zusteht, ist zwischen den Parteien streitig.

b) Darüber hinaus hat der Träger des Krankenhauses am 17. März 1987 eine Regelung der Nebentätigkeit beschlossen, mit der die Zuständigkeitsbereiche unter anderem der Chefärzte der chirurgischen und der inneren Abteilung mit denen der Chefärzte für Labordiagnostik und Radiologie voneinander abgegrenzt werden sollten. Auch über die Wirksamkeit dieser Regelung, die über einige Jahre in der Weise praktiziert worden ist, daß die radiologischen Leistungen durch den Kläger und seine Mitarbeiter erbracht wurden, eine Liquidation jedoch im Rahmen dieser Abgrenzungsregelung durch die Chefärzte der chirurgischen und der inneren Abteilung vorgenommen wurde, besteht zwischen den Parteien Streit.

c) Eine arbeitsrechtliche Zuständigkeit scheitert nicht daran, daß der Kläger - wie er geltend macht - im Rahmen seiner Nebentätigkeit nicht Arbeitnehmer des Krankenhauses ist. Als leitender Abteilungsarzt der radiologischen Abteilung des Krankenhauses steht er zu dessen Träger in einem Arbeitsverhältnis (vgl. BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB - Ärzte, Gehaltsansprüche). Daß der Kläger - wie die anderen Chefärzte - arbeitsvertraglich verpflichtet ist, die Privatpatienten des Beklagten auf dessen Anforderung zu behandeln, leugnet er selbst nicht. Im übrigen steht die Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung unter dem Vorbehalt, daß durch die Nebentätigkeit dienstliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Vielfach bestehen auch Zusammenhänge zwischen der mit der Nebentätigkeit verbundenen Eigenliquidation und dem Entgelt, das der leitende Abteilungsarzt aufgrund seines Dienstvertrages als Gesamtleistung zu erhalten hat (vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 611 BGB - Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Dies zeigt insbesondere die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages des Beklagten.

d) Es entspricht auch dem Sinn der Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG, einen Streit aus gemeinsamer Arbeit anzunehmen. Zwar ist es zwischen den Parteien unstreitig, daß die Leistungen, deren Honorierung der Kläger begehrt, ausschließlich von ihm und seinen Mitarbeitern erbracht worden sind. Die gemeinsame Arbeit kann aber zwanglos in der abteilungsübergreifenden einheitlichen Behandlung von Patienten gesehen werden, die - je nach Sachgebiet - ärztliche Leistungen des Klägers und des Beklagten benötigen. Würde man allein darauf abstellen, daß es hier um die Honorierung von Leistungen geht, die der Kläger erbracht hat, wäre es zwar denkbar, die Entscheidung des Rechtsstreits dem ordentlichen Gericht zuzuweisen, das über die angesprochenen Vorfragen selbst befinden oder seinen Rechtsstreit bis zur Klärung in einem darauf bezogenen arbeitsrechtlichen Verfahren aussetzen könnte. Die greifbar nahe Beziehung zum Arbeitsverhältnis hat hier aber nach der gesetzlichen Wertung des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG den Vorrang. Dies gilt auch, soweit der Kläger seinen Anspruch bereicherungsrechtlich begründet.



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