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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: III ZB 81/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 238 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZB 81/07

vom 19. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. August 2007 - 20 U 3428/07 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Gegenstandswert: 112.484,21 €

Gründe:

I.

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Freistellung von einer auf ihrem Grundstück lastenden Grundschuld sowie auf Zahlung von 112.484,21 € zuzüglich Zinsen und einer Nebenleistung an die kreditierende Bank in Anspruch. Das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 9. Mai 2007 zugestellt worden. Hiergegen hat er am Montag, dem 11. Juni 2007, Berufung eingelegt. Unter dem 16. Juli 2007 hat die Vorsitzende des Berufungssenats die Parteien darauf hingewiesen, dass die Frist zur Berufungsbegründung am 9. Juli 2007 abgelaufen sei und eine Begründungsschrift bis dahin nicht eingegangen sei. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 26. Juli 2007 die Berufung begründet und gegen die Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt. Am 11. Juli 2007 sei er erkrankt gewesen. Auf den nochmaligen Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Frist bereits am 9. Juli 2007 geendet habe, hat der Prozessbevollmächtigte vorgetragen, der Ablauf der Begründungsfrist sei von ihm im Fristenkalender fälschlich unter dem 11. Juli 2007, berechnet von der Einlegung der Berufung an, notiert worden. Dieser Fehler sei auf seinen desolaten Gesundheitszustand zurückzuführen, in dem er sich seit etwa Anfang 2007 befunden habe, nämlich totale Überlastung und Erschöpfung in Verbindung mit nachhaltigen Depressionen. Er habe versucht, dem Zustand mit Medikamenten zu begegnen, bei denen sich kürzlich herausgestellt habe, dass sie wohl zu stark dosiert gewesen seien. Die massive Beeinträchtigung werde ihm erst jetzt so recht klar. Anders als durch die besagte gesundheitliche Beeinträchtigung sei der Fehler nicht zu erklären, da er sich die Fristberechnung bei einer Berufung nach der Rechtsänderung zum 1. Januar 2002 quasi "an den Füßen abgelaufen" und sie x-mal richtig praktiziert habe. Seit dem 1. Dezember 2006 habe ihm seine Rechtsanwaltsfachangestellte nicht zur Verfügung gestanden und er habe auch den Kanzleibetrieb selbst erledigen müssen. Die Richtigkeit dieser Tatsachen hat der Rechtsanwalt anwaltlich versichert.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Es hat dem Rechtsanwalt angelastet, keine hinreichenden Vorkehrungen für den Fall einer Beeinträchtigung seiner Arbeitskraft durch die ihm bewusste Erkrankung getroffen zu haben. Hiergegen richtet sich die vom Beklagten eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft, jedoch aus anderen Gründen unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Rechtsbeschwerde beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verkennung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumnissen infolge einer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten. Sie verletzt auch nicht das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder auf gleichmäßigen Zugang zur Rechtsmittelinstanz (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG).

Auf die Frage, welche Vorkehrungen der Rechtsanwalt, dessen Verschulden sich die Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, im Allgemeinen für den Fall seiner Erkrankung zu treffen hat, kommt es nicht an. Abweichend von der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 1998 (X ZR 181/98 - NJW-RR 1999, 936 = VersR 2000, 252) zugrunde liegenden Fallgestaltung, auf den die Rechtsbeschwerde verweist, ist im vorliegenden Fall bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Fehler des Anwalts bei der Eintragung des Fristendes für die Berufungsbegründung zum 11. Juli 2007 statt dem 9. Juli 2007 auf seine Erkrankung zurückzuführen ist. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten schließt dies lediglich aus dem Umstand, dass er die Berufungsbegründungsfristen in zahlreichen anderen Fällen seit dem 1. Januar 2002 richtig berechnet habe. Das lässt die Möglichkeit einer einzelnen - gleichwohl schuldhaften - Unaufmerksamkeit, wie sie jedem auch ohne Erkrankung begegnen kann, nicht entfallen, gerade weil der Rechtsanwalt nach seinem eigenen Vorbringen trotz schon länger andauernder Erkrankung im Übrigen zu einer einwandfreien Fristberechnung in der Lage gewesen war. Dass sich sein Zustand um den 11. Juni 2007 besonders verschlechtert hätte, wird nicht geltend gemacht.

Davon abgesehen ist auch nicht ersichtlich, dass der Anwalt seinen weiteren Pflichten zu einer Fristenkontrolle in dem erforderlichen Umfang nachgekommen wäre. Der Rechtsanwalt muss nicht nur das Fristende, sondern auch eine Vorfrist notieren oder notieren lassen (siehe nur BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - NJW 2000, 365, 366; Beschluss vom 25. September 2003 - V ZB 17/03 - FamRZ 2004, 100). Er hat Anlass zu prüfen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist, wenn ihm die Akten auf Vorfrist (oder sonst im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung) vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999 - IX ZB 32/99 - NJW 1999, 2680; Beschluss vom 5. Oktober 1999 aaO; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 69/07 - NJW 2008, 854 f Rn. 12 m.w.N.). Bei der notwendigen Einsicht in die Handakte spätestens am Freitag, dem 6. Juli 2007 - und sogar noch am Montag, dem 9. Juli 2007 - hätte dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten aber auffallen müssen, dass die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung versehentlich für den 11. Juli 2007 eingetragen war. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine solche Überprüfung infolge der Erkrankung des Rechtsanwalts unmöglich gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

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