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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: III ZR 116/07
Rechtsgebiete: FlurbereinigungsG, GG


Vorschriften:

FlurbereinigungsG § 10 Nr. 2 lit. d
FlurbereinigungsG § 16 Satz 1
FlurbereinigungsG § 36 Abs. 1
FlurbereinigungsG § 51 Abs. 1
FlurbereinigungsG § 71
FlurbereinigungsG § 70
FlurbereinigungsG § 88 Nr. 3 Satz 3
FlurbereinigungsG § 88 Nr. 6 Satz 1
FlurbereinigungsG § 88 Nr. 7
GG Art. 14 Ch
GG Art. 14 Ea
a) Die Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes stehen der Entschädigung eines Pächters für durch eine vorläufige Besitzeinweisung im Unternehmensflurbereinigungsverfahren entstehende Nachteile nicht entgegen.

b) Die Zugehörigkeit einer räumlich zusammenhängenden landwirtschaftlichen Nutzfläche, die nicht durch Wege, Gräben und dergleichen durchzogen wird und eine beträchtliche Größe hat (Schlag), als Wirtschaftseinheit zu einem landwirtschaftlichen (Pacht-)Betrieb ist eine eigentumsrechtlich geschützte Position.

c) Die in der Zugehörigkeit aller im Schlag befindlichen Grundstücke zum Betrieb des Pächters wurzelnden besonderen wirtschaftlichen Vorteile sind nur solange gesichert und damit entschädigungsrechtlich bedeutsam, als die einzelnen Gründstücke in den landwirtschaftlichen Betrieb einbezogen sind. Eine durchschnittliche Pachtdauer aller im Schlag befindlichen Grundstücke kann nicht zum Maßstab für die Entschädigung des Pächters gemacht werden, wenn für die landwirtschaftliche Bearbeitung des gesamten Schlags ganz wesentliche und zentrale Grundstücke eine kürzere Pachtdauer aufweisen.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 116/07

Verkündet am: 13. Dezember 2007

in der Baulandsache

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dörr, Dr. Herrmann und Wöstmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beteiligten zu 1 und 2 wird das Urteil des Senats für Baulandsachen des Thüringer Oberlandesgerichts vom 21. März 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen Wirtschaftserschwernissen, die im Zuge der Durchschneidung landwirtschaftlicher (Pacht-)Flächen eingetreten sind.

Die Beteiligte zu 1 ist Vorhabenträgerin für den Bau einer ICE-Trasse im Rahmen des Verkehrsprojektes "Deutsche Einheit" - Straße Nr. 16/Schiene Nr. 8 (Bündelungstrasse) -, die Beteiligte zu 2 ist Vorhabenträgerin für den Bau der Bundesautobahn 71 im Rahmen dieses Verkehrsprojekts. Die Beteiligte zu 3 bewirtschaftet aufgrund von Pachtverträgen bzw. Pflugtauschrechten den circa 50 ha großen, nahezu quadratisch geschnittenen Schlag Nr. ..., der durch die Trassen der beiden Verkehrsprojekte durchschnitten wird. Mit Beschluss vom 13. Oktober 1995 wurde für die genannten Verkehrsprojekte und die damit verbundenen Folgemaßnahmen das Unternehmensflurbereinigungsverfahren "E. " angeordnet. Durch vorläufige Anordnung vom 7. August 1996 gemäß § 88 Nr. 3 i.V.m. § 36 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) wies die Beteiligte zu 4 die Beteiligte zu 2 mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 in den Besitz der für die Bundesautobahn 71 als Teil der Bündelungstrasse benötigten Flächen ein. Die Beteiligte zu 1 wurde durch vorläufige Anordnung vom 11. September 1997 mit Wirkung vom 1. November 1997 in den Besitz der für die ICE-Trasse erforderlichen Flächen eingewiesen. Durch die vorläufigen Besitzeinweisungen wurde der von der Beteiligten zu 3 bewirtschaftete Schlag durchtrennt.

Auf Antrag der Beteiligten zu 3 setzte die Beteiligte zu 4 mit Bescheid vom 3. Februar 2004 die streitige Entschädigung in Höhe von 10.677,83 € für Wirtschaftserschwernisse fest. Die Beteiligte zu 4, sachverständig beraten, hat sie anhand einer durchschnittlichen Pachtdauer von 5,36 Jahren für die im bewirtschafteten Schlag befindlichen Grundstücke ermittelt.

Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung haben sich die Beteiligten zu 1 und 2 gegen die Festsetzung der Enteignungsentschädigung gewandt. Dieser Antrag ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Das Berufungsgericht hat die Revision hinsichtlich der Rechtsfrage der Entschädigung eines Bewirtschafters für Wirtschaftserschwernisse als Folge einer vorläufigen Anordnung zugelassen.

Mit ihrer Revision verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beteiligten zu 3 stehe als Pächterin beziehungsweise Nutzungsberechtigter die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Enteignungsentschädigung zu. Sie sei Inhaberin eines durch Art. 14 GG geschützten landwirtschaftlichen Betriebs, dem die innerhalb des Schlages 42 gelegenen, durch Nutzungsverträge gesicherten Grundstücksflächen zugeordnet seien. Durch die Durchschneidung sei es zu Erschwernissen für die Bewirtschaftung der von der vorläufigen Besitzeinweisung betroffenen Restflächen gekommen. Dieser Nachteil habe zu einer Substanzminderung des landwirtschaftlichen Betriebs geführt und sei mithin zu entschädigen. Dem stehe nicht entgegen, dass das Unternehmensflurbereinigungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Auch sei unerheblich, dass die Wirtschaftserschwerungen infolge der Durchschneidung nur vorübergehender Natur sein könnten. Der Gesichtspunkt des Verbots einer Doppelentschädigung stehe den Ansprüchen der Beteiligten zu 3 nicht entgegen. Zwar entspreche die Entschädigung nach dem Durchschnittswert von 5,36 Jahren für die Laufzeiten aller für die Flächen innerhalb des Schlages geschlossenen Verträge nicht den Maßgaben für die Höhe einer Enteignungsentschädigung. Innerhalb des vom angefochtenen Bescheid für maßgeblich erachteten Zeitraums habe die Beteiligte zu 3 aber den Schlag vollständig bewirtschaftet. Unerheblich sei es auch, wenn während dieses Zeitraums die Nutzungsverträge für einzelne Flächen verlängert bzw. erneut abgeschlossen worden seien. Auch die Höhe der festgesetzten Enteignungsentschädigung sei nicht zu beanstanden.

II.

Das Berufungsurteil steht trotz der beschränkten Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht zur vollen Überprüfung des Senats, da die Beschränkung der Zulassung auf eine Rechtsfrage unwirksam ist (vgl. BGH Urteil vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02 - NJW-RR 2003, 1192).

Die Revision der Beteiligten zu 1 und 2 hat Erfolg.

1. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand, soweit es der Beteiligten zu 3 eine Entschädigung dem Grunde nach zuspricht. Ein Entschädigungsanspruch ergibt sich hier aus § 88 Nr. 3 Satz 3, Nr. 6 Satz 1 FlurbG, § 19 Abs. 5 FStrG i.V.m. § 42 Abs. 5 ThürStrG, § 22 Abs. 4 AEG; § 37 Abs. 4 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 ThürEG.

a) Die Beteiligte zu 4 hat die Beteiligten zu 1 und 2 auf deren Antrag vorläufig nach § 88 Nr. 3 Satz 1, § 36 Abs. 1 FlurbG in den Besitz der für ihre Vorhaben benötigten Flächen eingewiesen. Hierdurch wurde der von der Beteiligten zu 3 aufgrund von Pachtverträgen und Pflugtauschrechten bewirtschaftete Schlag durchschnitten.

b) Gemäß § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG hat der Träger des Unternehmens, hier die Beteiligten zu 1 und 2, den am Flurbereinigungsverfahren Beteiligten für die infolge der vorläufigen Anordnung entstandenen Nachteile Entschädigung zu leisten. Dabei richten sich die zu erbringenden Leistungen und Geldentschädigungen nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz. Das ist für die Beteiligte zu 1 das Allgemeine Eisenbahngesetz und für die Beteiligte zu 2 das Bundesfernstraßengesetz. Beide Gesetze verweisen auf die Vorschriften des Thüringer Enteignungsgesetzes.

c) Entgegen der Auffassung der Revision steht die Entschädigungsberechtigung der Beteiligten zu 3 hinsichtlich der von der vorläufigen Besitzeinweisung nachteilig betroffenen Flächen nicht in Widerspruch zu den allgemeinen, die Regelflurbereinigung betreffenden und den sonstigen, für die Unternehmensflurbereinigung geltenden Bestimmungen des Flurbereinigungsgesetzes.

aa) Soweit die Revision meint, der Inanspruchnahme der Beteiligten zu 1 und 2 stehe § 36 Abs. 1 Satz 2 und 3 FlurbG entgegen, weil diese Vorschrift abschließend die Entschädigungsansprüche nach einer vorläufigen Besitzeinweisung regele, ist ihr nicht zu folgen. Bei der Geldentschädigung nach § 88 Nr. 3 Satz 3, Nr 6 Satz 1 FlurbG handelt es sich nicht um den Härteausgleich nach § 36 Abs. 1 Satz 2 (Senatsurteil BGHZ 89, 69, 73; BVerwGE 50, 333, 337, 342). Die Härteausgleichsregelungen verdrängen deshalb nicht die enteignungsrechtlichen Ansprüche (BVerwGE aaO S. 342).

bb) Ebenso wenig greift der Einwand der Revision durch, eine Entschädigung für vorübergehende Nachteile komme nur nach § 51 Abs. 1 FlurbG in Betracht. Zwar ist der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht zu folgen, dass § 88 Nr. 3 Satz 3, Nr. 6 Satz 1 FlurbG den § 51 Abs. 1 FlurbG als Spezialvorschrift verdränge. Gleichwohl berührt die letztgenannte Norm nicht die Anwendung des § 88 Nr. 3 Satz 3, Nr. 6 Satz 1 FlurbG. Beide Vorschriften haben nämlich unterschiedliche Anwendungsbereiche. § 51 Abs. 1 FlurbG verpflichtet die Teilnehmergemeinschaft (BVerwGE 59, 79, 84; BVerwG RdL 1962, 106) zum Ausgleich bei vorübergehenden übermäßigen Nachteilen einzelner Teilnehmer in Bezug auf eine im Übrigen gleichwertige Abfindung (BVerwGE 50, 333, 339). Die Norm regelt damit nicht die vom Träger des Unternehmens zu leistende Enteignungsentschädigung (BVerwGE 66, 47, 50; 50, 333, 339).

Dies wird durch die Entstehungsgeschichte der §§ 51, 88 Nr. 3, Nr. 6 FlurbG unterstrichen. Der Gesetzgeber hat mit der Entschädigungsregelung in § 88 FlurbG einen in der Reichsumlegungsordnung noch nicht vorhandenen Anspruch entsprechend den Vorgaben des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG normieren wollen (BT-Drucks. 1/ 3385 S. 43). § 51 FlurbG hatte aber in § 56 Reichsumlegungsordnung eine Vorgängerregelung (BT-Drucks. aaO. S. 39). Die hier maßgebliche Fassung des § 88 Nr. 3, 6 FlurbG erfolgte in Kenntnis des bereits bestehenden § 51 FlurbG, diente ebenfalls der Erfüllung der aus Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG folgenden Anforderungen und stellte nur eine sprachliche Konkretisierung der bereits in der vorhergehenden Gesetzesfassung normierten Entschädigungsansprüche dar (vgl. BT-Drucks. 7/3020 S. 30 f, 42, 44; 7/4169 S. 5).

cc) Den streitgegenständlichen Ansprüchen der Beteiligten zu 3 steht auch im Gegensatz zur Auffassung der Revision nicht § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG entgegen, der die gerichtliche Geltendmachung einer Entschädigung für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche davon abhängig macht, dass die Landabfindung aller Teilnehmer unanfechtbar feststehen muss. Im vorliegenden Fall geht es um die Entschädigung für durch eine vorläufige Anordnung entstandenen Nachteile und nicht um die Entschädigung für eine aufgebrachte Fläche im Sinne des § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG (vgl. Senatsurteil BGHZ 89, 69, 74).

dd) Im Gegensatz zur Auffassung der Revision schließen die Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes die Entschädigung der Beteiligten zu 3 auch nicht deshalb von vornherein aus, weil diese lediglich Pächterin der betroffenen Flächen ist.

(1) Zwar ist ein Pächter nach § 10 Nr. 2 d) FlurbG nur Nebenbeteiligter und nicht Mitglied der Teilnehmergemeinschaft nach § 16 Satz 1 FlurbG. Ob ein Pächter deshalb befugt ist, gegen die Anordnung der Flurbereinigung Klage zu erheben (ablehnend BVerwG RdL 1983, 321; anders für die fernstraßenrechtliche Planfeststellung BVerwGE 105, 178), kann dahinstehen. Jedenfalls kann er Ansprüche wegen einer Enteignungsentschädigung geltend machen (BVerwG RdL 1983, 321, 322).

(2) Nach § 88 Nr. 3 Satz 4, Nr. 6 Satz 3 FlurbG ist die Entschädigung zu Händen der Teilnehmergemeinschaft zu leisten. Diese ist dabei jedoch lediglich Zahlungsempfängerin (BVerwGE 66, 224), was die Anspruchsberechtigung des einzelnen zu Entschädigenden nicht in Frage stellt (Seehusen/Schwede aaO § 88 Rn. 18; Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, 1989, § 88 Rn. 112; vgl. Senatsurteile BGHZ 156, 257; vom 2. September 1999 - III ZR 315/98 - NVwZ 2000, 230 und vom 8. Januar 1959 - III ZR 132/57 - LM ReichsumlegungsO Nr. 1). Unzutreffend ist deshalb die Auffassung der Revision, das Flurbereinigungsgesetz sehe keine Entschädigung des Pächters vor. In dem im gerichtlichen Verfahren angegriffenen Bescheid ist die Zahlung der Enteignungsentschädigung entsprechend der gesetzlichen Vorgabe an die Teilnehmergemeinschaft vorgesehen.

(3) Nicht durchgreifend ist der Einwand der Revision, der Pächter könne allenfalls Ansprüche nach §§ 70, 71 FlurbG haben. Er könne nur den Pachtzins mindern oder sich sonst vom Pachtvertrag nach § 70 Abs. 2 FlurbG lösen. Diese Vorschriften regeln das Schicksal des Pachtverhältnisses, wenn dem Eigentümer Land neu zugewiesen wurde, an dem sich das Pachtverhältnis fortsetzt. Darum geht es hier nicht.

d) Die Entschädigungsberechtigung der Beteiligten zu 3 hängt demnach allein davon ab, ob durch die vorläufige Einweisung der Beteiligten zu 1 und 2 entschädigungspflichtig in eine Art. 14 GG unterfallende Eigentumsposition der Beteiligten zu 3 als Pächterin der betroffenen Flächen im hier streitgegenständlichen Schlag eingegriffen worden. Dies ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zu bejahen.

aa) Der eingerichtete und ausgeübte auch landwirtschaftliche Gewerbebetrieb stellt eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition dar (Senatsurteile BGHZ 67, 190, 192; 92, 34, 37; 156, 257, 261; 161, 305, 312), wie auch das durch den schuldrechtlichen Pachtvertrag gewährte Nutzungsrecht am jeweiligen Grundstück (Senatsurteile vom 2. Februar 1984 - III ZR 170/82 - NJW 1984, 1878, 1879; BGHZ 83, 1, 3; 156, 257, 259 f).

(1) Für den Eingriff in das Pachtrecht hat der Senat ausgeführt, dass im Falle der Enteignung von Grundbesitz der Pächter als Nebenberechtigter nicht vollen Ersatz seines wirtschaftlichen Schadens beanspruchen kann, der sich als Folge der Grundstücksenteignung eingestellt haben mag; er muss sich vielmehr regelmäßig mit der Entschädigung für seinen "Substanzverlust" begnügen, also mit dem Ausgleich dessen, was er von seinem Recht hat abgeben müssen oder was ihm an vermögenswerter Rechtsposition genommen worden ist. Der Anspruch beschränkt sich im Grundsatz auf den Betrag, der den Pächter zur Zeit der Besitzaufgabe in den Stand setzt, ein entsprechendes Pachtverhältnis unter den nämlichen Vorteilen, Voraussetzungen und Bedingungen einzugehen, wobei ein rein objektiver Maßstab, der Wert für "jedermann", anzulegen ist; der Reinertrag des Gewerbes, das der Pächter auf dem enteigneten Grundstück betrieben hat, kann nicht maßgebend sein - ebenso wenig wie der Wert des Betriebes -, sondern nur die Summe, die den Betroffenen instand setzt, ein dem entzogenen Recht gleichwertiges zu erwerben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein gleichgeartetes Pachtrecht überhaupt auf dem Markt zu erwerben war oder zu erwerben ist. Zahlt der Pächter in etwa den marktüblichen Zins, wird deshalb ein eigener Substanzwert des enteigneten Pachtrechts nicht angenommen werden können. Der betroffene Pächter wird durch die ersparte (§ 586 Abs. 2 beziehungsweise § 581 Abs. 2, § 536 Abs. 1 BGB) marktübliche Pacht "bildhaft" in die Lage versetzt, sich ein entsprechendes Pachtobjekt zu beschaffen, unabhängig davon, ob diese Möglichkeit tatsächlich besteht (st. Senatsrechtsprechung BGHZ 156, 257, 259 f). Ist jedoch der marktübliche Pachtzins höher als die geschuldete Pacht, so drückt sich darin ein besonderer Wert der Pachtrechtssubstanz aus (Senatsurteil aaO S. 260).

(2) Der Entzug einer zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Pachtfläche stellt sich zugleich als Eingriff in den eigentumsrechtlich geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (Senatsurteil BGHZ 67, 190, 192).

Als Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten landwirtschaftlichen Gewerbebetriebs kommen an- und durchschneidungsbedingte Nachteile in Betracht, die sich z. B. aus enteignungsbedingten Mehrentfernungen bzw. Umwegen ergeben.

Durchschneidungen und Anschneidungen der bewirtschafteten Fläche bewirken zusätzlich eine schlechtere Formung der verbleibenden Flächen im Vergleich zum Ausgangsgrundstück. Dies bedingt höhere Arbeits- und Maschinenkosten bei der Bearbeitung, höhere Kosten an Betriebsmitteln (Saatgut, Pflanzenschutz- und Düngemittel) wegen Überlappungen von Arbeitsgängen sowie Mindererträge in Wende- und Randbereichen (Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre, 3. Aufl., S. 183).

Die Ursache dieser Nachteile liegt bei den Umwegschäden (Mehrwegen) in der durch den Grundstücksverlust bedingten Lösung des Grundstückszusammenhangs und bei den sonstigen An- und Durchschneidungsschäden in den Erschwernissen für die Bewirtschaftung der Restflächen. Diese sich auf den Ertrag eines landwirtschaftlichen Betriebs auswirkenden Nachteile, die sich aus dem Wegfall des entzogenen Grundstücks als Betriebsbestandteil ergeben, sind daher Ausdruck einer enteignungsbedingten objektiven Betriebsverschlechterung und somit letztlich Ausdruck einer Substanzminderung des landwirtschaftlichen Betriebs als des Zugriffsobjekts. Sie entsprechen den betriebswirtschaftlichen Vorteilen, die das entzogene Grundstück als Bewirtschaftungs- und Wirtschaftsobjekt über den allgemeinen Verkehrswert im landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr hinaus für den konkreten landwirtschaftlichen Betrieb hatte. Diese Nachteile am ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb werden durch die Substanzentschädigung wegen des entzogenen Grundstücks grundsätzlich nicht ausgeglichen (Senatsurteil BGHZ 67, 190, 194 f).

bb) Im vorliegenden Fall hat nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichtes die Besitzeinweisung der Beteiligten zu 1 und 2 aufgrund der vorläufigen Anordnung der Beteiligten zu 4 zu einer Durchschneidung des von der Beteiligten zu 3 bewirtschafteten Schlags geführt; dies stellt einen Eingriff in eine Eigentumsposition der Beteiligten zu 3 dar.

Bei einem Schlag handelt es sich um eine räumlich zusammenhängende landwirtschaftliche Nutzfläche, die nicht durch Wege, Gräben und dergleichen durchzogen wird, und eine beträchtliche Größe hat. Wenn ein landwirtschaftlicher Unternehmer eine solche Fläche als Einheit bewirtschaftet, werden aufgrund der besonders rationellen Bearbeitungsmöglichkeit wirtschaftliche Vorteile bestehen (vgl. Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 6. Aufl., Rn 29). Diese Vorteile wiegen um so schwerer, je mehr einzelne Flächen den Schlag bilden, die unterschiedlichen Eigentümern gehören, und je kleiner deshalb die Grundstückseinheiten innerhalb des Schlages sind.

Wenn ein solcher Schlag durchschnitten wird und deshalb zusätzliche Kosten entstehen, gehen die wirtschaftlichen Vorteile der Bewirtschaftung einer großen einheitlichen Fläche verloren. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass die Summe der Werte der vielen Einzelgrundstücke nicht den wirtschaftlichen Wert des Schlags insgesamt repräsentiert. Jeder einzelnen Fläche haftet für sich nicht der Vorteil an, der sich im wirtschaftlichen Wert eines Schlages anteilig für das Grundstück widerspiegelt.

Wenn dieser wirtschaftliche Wert, der sich aus der Zuordnung des Schlages als Gesamtfläche zum landwirtschaftlichen Unternehmen ergibt, durch die entstehenden Mehrkosten gemindert wird, handelt es sich um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten landwirtschaftlichen Gewerbebetrieb. Die Zugehörigkeit eines Schlages als Wirtschaftseinheit zu einem landwirtschaftlichen Betrieb ist mithin ein zusätzlich zu entschädigendes Eigentumsrecht.

e) Einer Entschädigung für die aufgetretenen Wirtschaftserschwernisse in einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgrund der Durchschneidung des Schlags steht nicht das Verbot der Doppelentschädigung entgegen.

aa) Die hier vorliegenden Wirtschaftserschwernisse sind Folge eines Eingriffs in den eigentumsrechtlich geschützten Betrieb des Pächters. Die hierfür zu zahlende Entschädigung kann im Gegensatz zur Auffassung der Revision deshalb nicht den Eigentümern zustehen.

bb) Die aus der Durchschneidung für die Bewirtschaftung des Schlages erwachsenden Nachteile werden auch nicht durch entsprechende Minderungsrechte des Pächters gegenüber den von der vorläufigen Besitzeinweisung betroffenen Grundstückseigentümern ausgeglichen. Nur diese Eigentümer könnten Minderungsrechten des Pächters des Schlages und auch nur im Hinblick auf die konkret in Anspruch genommene Fläche ausgesetzt sein. Gegenüber den anderen Eigentümern stehen dem Pächter von vornherein keine solche Minderungsrechte zu, da die Nutzung der von der vorläufigen Einweisung nicht betroffenen Flächen für sich genommen nicht beeinträchtigt ist. Das Minderungsrecht kann allenfalls bis zur Höhe des Pachtzinses bestehen, welcher dem Wert des Nutzungsrechtes am Grundstück als Teil des Schlags - wie ausgeführt - nicht entspricht.

Im Übrigen beurteilt sich die Höhe der Entschädigung für die Nachteile aufgrund der vorläufigen Besitzeinweisung nach der Grundstückssituation, wie sie sich vor Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens beim Zugriff darstellt, und nicht nach der sich nach Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens ergebenden, die maßgeblich ist für die Bemessung der Entschädigung für die (endgültige) Enteignung.

cc) Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, die durch die Durchschneidung eintretenden Wirtschaftserschwernisse würden durch eine Verzinsung der Entschädigung für den Nutzungsentzug ausgeglichen. Eine Verrechnung der Zinsen, die mit einem Entschädigungsbetrag für den Eingriff in die Nutzung selbst erwirtschaftet werden könnten, mit den Entschädigungsansprüchen wegen eingetretener Wirtschaftserschwernisse kommt nicht in Betracht. Ein Entschädigungsberechtigter ist grundsätzlich in der Verwendung der Entschädigung frei. Darüber hinaus sind die Zinsen in der Regel durch ein höheres Risiko des Kapitalverlustes erwirtschaftet (vgl. Senatsurteil BGHZ 67, 190, 196).

2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision hinsichtlich des Umfangs der von den Beteiligten zu 1 und 2 geschuldeten Entschädigung nicht stand.

a) Die für die Entschädigung geltenden allgemeinen Grundsätze sind auch auf die Bemessung der Entschädigung bei vorläufiger Besitzeinweisung anzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1975 - III ZR 113/73 - WM 1976, 277; BGHZ 32, 338, 349). Bei der Ermittlung des Umfangs der Entschädigung ist maßgeblich, inwieweit ein Vermögenswert als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG geschützt und eine Rechtsposition des Pächters beeinträchtigt worden ist. Es kommt also nicht darauf an, wie lange das Pachtverhältnis fortgeführt worden wäre, wenn es nicht zur Enteignung der in Rede stehenden Flächen gekommen wäre. Vielmehr ist entscheidend, bis zu welchem Zeitpunkt nach der vertraglichen Rechtslage der Pächter dem Eigentümer die Rückgabe von Besitz und Nutzung hätte vorenthalten können. Rechtlich nicht gesicherte Erwartungen des Pächters auf den Fortbestand des Vertragsverhältnisses bleiben bei der Entschädigung unberücksichtigt (st. Senatsrechtsprechung BGHZ 156, 257, 265 m.w.N.). Gelingt es dem Pächter nach dem Zugriff, die Pachtzeit zu verlängern, so steht zwar auch das dadurch neu begründete Nutzungsrecht unter dem Schutz des Art. 14 GG. Dieses entsteht aber nicht mehr in dem ursprünglichen Umfang, sondern nur noch vermindert um die aus dem vorherigen Zugriff folgende Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit. Die tatsächliche Verlängerung des Pachtverhältnisses nach dem Zugriff führt deshalb zu keiner höheren Entschädigung.

b) Für die Bemessung der Entschädigung für einen Zugriff auf Flächen in einem von einem Pächter bewirtschafteten Schlag ist deshalb von der Pachtzeit jedes einzelnen Grundstücks auszugehen. Die Zugehörigkeit jedes einzelnen Grundstücks zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des den Schlag bewirtschaftenden Pächters ist durch die zum Zeitpunkt des enteignenden Zugriffs noch vertraglich bevorstehende, nicht unter dem Vorbehalt einer möglichen Kündigung des Eigentümers stehende Pachtzeit begrenzt. Die Möglichkeit einer Pachtverlängerung stellt sich zum Zeitpunkt des Zugriffs als tatsächliche Chance, nicht als rechtlich gesichert dar, auch wenn der Pächter nach dem Zugriff eine solche erreichen konnte.

Dies bedeutet aber zugleich, dass die in der Zugehörigkeit aller im Schlag befindlichen Grundstücke zum Betrieb des Pächters wurzelnden besonderen wirtschaftlichen Vorteile nur solange gesichert und damit entschädigungsrechtlich bedeutsam sind, als die einzelnen Gründstücke in den landwirtschaftlichen Betrieb einbezogen sind.

c) Für die Höhe der Entschädigung im vorliegenden Fall folgt daraus, dass die wirtschaftlichen Nachteile zu ermitteln sind, die der Beteiligten zu 3 durch die vorläufige Besitzeinweisung entstanden sind, und zwar bezogen auf die Nutzung des gesamten Schlags, solange ein Pachtrecht bzw. Pflugtauschrecht für alle im Schlag liegenden Grundstücke bestand. Sodann sind die Grundstücke aus der Betrachtung auszuscheiden, hinsichtlich deren die Beteiligte zu 3 keine weitere gesicherte Rechtsposition hat (vgl. Aust/Jacobs/Pasternak aaO. Rn. 32). Zu bewerten ist dann, inwieweit gleichwohl noch ein besonderer wirtschaftlicher Wert durch die Bewirtschaftung der übrigen Flächen als Einheit besteht, der durch die Durchschneidung gemindert wird und deshalb zu entschädigen ist. Die eigentumsbeeinträchtigende Wirkung des Zugriffs ist erst beendet, wenn die noch vom landwirtschaftlichen Betrieb einbezogenen Flächen keinen besonderen Wert mehr darstellen, der über den Nutzwert eines jeden Grundstücks hinausgeht.

d) Diesen Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Der Sachverständige ist bei seiner Bewertung von einer Durchschnittspachtdauer des gesamten Schlages ausgegangen. Diese Betrachtung greift jedenfalls dann zu kurz, wenn, wie die Beteiligten zu 1 und 2 geltend machen, für die landwirtschaftliche Bearbeitung des gesamten Schlags ganz wesentliche und zentrale Grundstücke eine kürzere Pachtdauer aufweisen. Dann kann die besondere wirtschaftliche Bedeutung des Schlags als zu bewirtschaftende Einheit zeitlich deutlich früher beendet sein, als dies bei einem Abstellen auf eine durchschnittliche Pachtdauer anzunehmen wäre. Die bei Berücksichtigung der Durchschnittspachtdauer ermittelte Entschädigungshöhe entspricht deshalb nicht dem Ausmaß des Eingriffs in die eigentumsrechtlich geschützte Position.

Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht, soweit es diesen Gesichtspunkt mit der Begründung außer Acht lässt, dass die Pachtverträge hätten verlängert werden können bzw. tatsächlich verlängert wurden. Denn dann wird die zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eingriffs in den Betrieb der Beteiligten zu 3 nur bestehende tatsächliche Chance zur weiteren Nutzung des Pachtgrundstücks zum Maßstab für die Entschädigung, obschon sie kein Eigentumsrecht darstellt.

3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Aufgrund der weiteren notwendigen tatsächlichen Aufklärung zur Entschädigungshöhe ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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